Reviews Jazz 11-11

    * soundtrack * crossover * pop/rock * catalog * jazz * electro * world * audiobook *

     Götz Alsmann - In Paris
     
     Blue Note / EMI  
     
     
    Paris, die Seine-Metropole zieht Götz Alsmann, seines Zeichens Maestro des deutschen Retro-Jazzschlagers mit Esprit, aktuell in seinen Bann. Auf dem neuen Album und dem in deutschsprachigen Landen demnächst flächendeckend feilgebotenen Live-Programm präsentieren Alsmann und seine Band eine feine Auswahl französischer Chansons der 30er bis 60er Jahre - aber vorsätzlich in deutscher Sprache. Die charmant-populär angelegte Jazz-Melange, kombiniert mit Paris-Sehnsucht ausdrückenden Fundstücken von dieser Rheinseite. Götz Alsmann & Co (Altfrid M. Sicking am Vibraphon, Michael M. Müller am Bass, Markus Paßlick an diversen Percussioninstrumenten & Rudi Marhold an der "Batterie") nahmen dabei auch tatsächlich "In Paris“ auf, Im Studio Ferber unweit des Père Lachaise-Friedhofes, einem der ältesten und traditionsreichsten Studios der Stadt - noch dazu im April !. Becaud, Aznavour, Salvador, Montand, Dalida oder auch der 1933 nach Paris abgewanderte Walter Jurmann liefern das superbe Material: "Bumm" macht nun der, ebenfalls einst in der Interpretation von Trenet bekanntgewordene Opener, statt "Boum" - Mambo und Musette Hand in Hand auf einer launemachende Scheibe, wie geschaffen fürs Arte-Programm. TIPP Livetermine: www.goetz-alsmann.de
     
     
     
     Wolfgang Lackerschmid - Common Language Common Sense
     
     Hipjazz / Galileo MC
     
     
     
    Unter der Leitung des umtriebigen Tegernseer Vibrafonisten Wolfgang Lackerschmid traten auf dem Augsburger Hohen Friedensfest am 7.8. 2010 sechs Musiker mit komplett veschiedenen kulturellen und religiösen Backgrounds auf: das Ensemble Common Language Common Sense. Lackerschmid unterhält seit den siebziger Jahren zahlreiche Projekte als Komponist und Bandleader und ist ein international gefragter Virtuose. Als Bandleader bringt er immer wieder hochkarätige Besetzungen zusammen, für diese kontinenteübergreifende Peace Suite sind es Tiger Okoshi (Trompete), Bob Degen (p.), Ron Mahdi (b), Yoron Israel (dr) und last but not least Biliana Vouchtkova (violin). Die Aufnahmen entstanden im Vorfeld des o.a. Konzerts in Lackerschmids Traumraum Tonstudios www.lackerschmid.de www.hipjazz.de
     

     
     
     Kerkko Koskinen Orchestra - Trains & Letters
     
     Ricky-Tick / Groove Attack
     
     
     
    Der finnische Orchesterleiter Kerkko Koskinen spielt selbst die interessante Kombination von Cembalo und Tamburin. Sein 12-köpfiges Ensemble besteht aus einigen in Finnland ercht bekannten Jazzheads, die sich für die Produktion von "Trais & Lettes" vertrauensvoll in die Hände von Produzent (sowie Drummer & Percussionist) Teppo “Teddy Rok” Mäkynen begeben haben. Die Truppe liefert einen dynamischen, wie für Helsinki geschaffenen Cinematic Retro-Sound, in dem die Bläser sich mit Piano, Vibraphon oder Koskinens entfesseltem Cembalo an der einen oder anderen Straßenecke einen feinen Schlagabtausch liefern, bevor sie wieder auf die Main Street einbiegen. Für Freunde des Finnischen gibt es noch zwei exotische Spoken Word-Parts: das über lyrischen Flötenklängen liegende "The Letter" und "The Answer" - englische Übersetzung im Booklet. TIPP
     
     
     
     Tingvall Trio - Vägen
     
     Skip Records / Soulfood 
     
     
    Um die Nachfolge von EST scheinen sich die Wahlhamburger vom Tingvall Trio hier zu bewerben. Mit den letzten drei Alben verbanden sie ihren Jazz stets mit den Mitteln populärer Musik. Für ihr „Vattensaga“-Album von 2009 erhielten sie zudem 2010 den Echo Jazz-Award und begaben sich auf Welttournee. In ähnlicher Weise wie EST vom Namensgeber angeführt, wird TT von Pianist Martin Tingvall geleitet, der für alle Kompositionen des Trios verantwortlich zeichnet. Die Rhythmusgruppe, Bassist Omar Rodriguez Calvo und Schlagzeuger Jürgen Spiegel sorgen für die eruptiven Energieausbrüche über Tingvalls Melodien, bei denen sich Jazz und Pop munter mischen. Anders als E.S.T. bleibt es dabei ausschließlich akustisch, aufgenommen wurde das vom Trio & Skip-Chef Bernd Skibbe produzierte Album im italienischen Udine, im Artesuono-Studio und zwar vom auch von ECM-Chef Manfred Eicher geschätzten Toningenieur Stefano Amerio.
    Im Oktober und November in Deutschland unterwegs (vorerst allerdings nicht in München). LIVE-TIPP
     

     
     
     Nils Petter Molvaer - Baboon Moon
     
     Columbia / Sony  
     
     
    "Khmer" von 1997 ist immer noch unterschiedlichen Hörerkreisen ein Begriff. Seitdem erkundete der norwegische Trompeter Nils Petter Molvaer weitere Facetten zwischen experimenteller Elektronik, Jazz, Drum & Bass und Trip Hop. Für "Baboon Moon" hat sich NPM zwei Mitstreiter gesucht, deren musikalischer Background eher im Bereich der Rockmusik liegt: Stian Westerhus vom Industrial-Duo Monolithic und Erland Dahlen (Drummer der norwegischen Band Madrugada). Westerhus produzierte das Album sogar in Kooperation Molvaer, der auf seinem mittlerweile neunten Studioalbum auf einen stärkeren Rock-Drive im Verhältnis zur Elektronik setzt. Über dem düsteren Wall of Sound mit zuweilen bedrohlichem Unterton liegen die verhallten oder wilden Trompeten-Soli Molvaers. Die Platte hat Wucht, ohne überproduziert zu wirken. Play Track 3. Im Oktober sowie noch einmal Anfang Dezember live in Deutschland. LIVE-TIPP www.nilspettermolvaer.info
     

     
     
     Ryan Carniaux - Reflections of the Persevering Spirit
     
     Hipjazz - Galileo MC  
     
     
    Und nocheinmal Wolfgang Lackerschmid: Das Debüt des amerikanischen (in Köln residierenden) Trompeters Ryan Carniaux "Reflections of the Persevering Spirit" wurde in Lackerschmids eigenem Traumraum Tonstudio aufgenommen, sowie von ihm produziert, gemixt & gemastert - und als Musiker ist er auch dabei. Der trotz seines jungen Alters bühnenerfahrene Trompeter Carniaux erinnert zuweilen tatsächlich in Ton & Ausdruck an Chet Baker, mit dem Lackerschmid ja eine von von 1979 bis 1988 enge künstlerische Zusammenarbeit verband. "Echte Musik, in Echtzeit gespielt", fasst Carniaux die Essenz seiner Jazzmusik auf dem Album zusammen, das überwiegend seine eigenen Kompositionen enthält. Jeder einzelne Track wird von ihm auch kurz auf der Digipak-Innenseite kommentiert. www.ryancarniaux.com/
     

     
     
     Jonas Burgwinkel - Source Direct
    Lisbeth Quartett - Constant Travellers
    Meyer Baumgärtner Meyer - Melt
     
     Various Artists - alle: Traumton / Indigo 
     
     
    1 Der Kölner Jazzschlagzeuger Jonas Burgwinkel (Pablo Held Trio, Niels Klein Quartett, Florian Ross Trio), der schon mit Lee Konitz, Nils Wogram oder Simon Nabatov gespielt hat, kommt auf dem ersten Album als Bandleader ohne ausufernde Solo-Sperenzchen aus. Neben 2 eigenen Stücken und 2 Kompostionen seines Pianisten Pablo Held werden auch von Billie Holiday, Weather Report und sogar Björk bekannte Stücke ins recht freie Klang-Universum seines Kölner Ensembles überführt. 2 Konzerte in Aachen & Köln im November. www.jonasburgwinkel.com
    2 Das zweite Album des Lisbeth Quartett aus Berlin. Die von der Saxofonistin Charlotte Greve (Jazz-Baltica-Förderpreis 2010) gegründete und mit Kompositionen versorgte Formation klingt modern. Der von Pianist Manuel Schmidel, Bassist Marc Muellbauer und Schlagzeuger Moritz Baumgärtner komplettierte Vierer bezieht sich aber auch auf Altmeister wie Lee Konitz, Bill Evans, Charlie Haden oder Paul Motian. 3 Konzerte zum Rekease im November & Dezember: in Berlin, Leipzig und Bad Salzhausen.
    3 Moritz Baumgärtner begegnet uns gleich wieder: als Drummer seiner Formation mit den wie verschlungen musizierenden Brüdern Peter und Bernhard Meyer. Das in der Hauptstadt ansässige junge Gitarre-Bass-Schlagzeug-Trio bringt in ihren possierlich betitelten Tracks eher träumerische ElektronikSounds, Jazzimprovisation & Indie-Rock zusammen. Eine Platte zum Mehrfachhören & allmählichen Entdecken. Live-Termine: check out www.meyer-music.de



     
     Max Merseny - Thank Y´All
     
     Enja / Soulfood 
     
     
    Mit "Thank Y‘All", seinem Debutalbum bei Enja, bedankt sich der 23-jährige zwischen New York, München & Mailand umherschwirrende Altsaxophonist Max Merseny bei seiner Band und den Gastmusikern (wie Tony Lakatos, Tim Collins, Patrick Scales, oder sein Vater Thomas Merseny) aber hochkarätigen Mentoren seiner langjährigen Musikausbildung an der Münchener Hochschule für Musik und Theater: Größen wie Michael Riessler, Leszek Zadlo oder Gregor Huebner. Nach seinem Abchluß sammelte er Erfahrung durch Arbeiten mit so unterschiedlichen namhaften Kollegen wie Leslie Mandoki und Till Brönner Soul- und HipHop-beeinflussen hörbar die groovende Uptempofusion, die MMs musikalisches Dankeschön meist ausmacht - doch für 2 Balladen ist auch Platz. www.maxmerseny.com/presskit.html  

     
     Malcolm Braff - Inside
     
     Enja / Soulfood 
     
     
    Malcolm Braff, Kosmopolit am Piano, hat mit dem Bassisten Reggie Washington und dem Schlagzeuger Lukas König "Inside" aufgenommen, das sich anschickt, eine größere Bandbreite zwischen Jazz, Funk und Blues abzudecken. Das kommt nicht immer auf den Punkt. Das Prince-Stück "Sexy M.F." ist nicht unbedingt wiederzuerkennen und den sonstigen Eigenkompositionen Braffs (bis auf ein Stück von Baden Powell) fehlt es an dem gewissen Etwas, um die solide Rhythmuskombo mit harmonischem & melodischen Futter zu versorgen. Das wird dann schnell etwas eintönig, zumal bis auf den von Aurelie Emery mitkomponierten & gesungenen afrobeatnahen Opener "Crimson Waves" wenig Tempowechsel, Variationen oder Kontraste auszumachen sind. Das Album beschließt Braff solo und einigermaßen versönlich mit dem lyrischen "Dawn".

     

     
     
     John Taylor - Requiem For A Dreamer
    Diego Urcola - Appreciation
    Kenny Wheeler - One Of Many
     
     Various Artists - alle: Cam Jazz / Edel 
     
     Das vor allem Soundtrack-Fans bekannte italienische Label CAM (Creazioni Artistische Musicali) feiert das 10-jährige Bestehen seiner Jazzsparte mit drei hochwertig (abgerundetes Jewel Tray, Glanzpapier-Booklet, Aufkleber) ausgestatteten Releases.
    1 Der bald 70-jährige britische Pianist und Jazzprofessor John Taylor hat sich eine literische Vorlage als Quelle der Inspiration gewählt: den US-Schriftsteller & Satiriker Kurt Vonnegut. Mit seinem aktuellen Trio, mit dem Schweden Palle Danielsson am Bass spielt und Martin France als Schlagzeuger und dem für 'Requiem for a Dreamer' angeheuerten Saxofonisten Julian Arguelles (u.a. NDR Bigband). Wer der literarischen Linie nicht im Detail folgen kann, erlebt immer noch virtousen Jazz der Oberklasse.
    2 Diego Urcolas "Appreciation" ist seine vierte CD. Der kraftvolle argentinische Trompeter wurde schon mit Freddie Hubbard oder sogar Miles Davis verglichen. Dem ersten von beiden ist der Album-Opener "The Natural" gewidmet, letzterem die atmosphärische Ballade "Deep" - auch die anderen Stücke haben einen (oder mehrere) benannte Vorbilder (u.a. Paquito D´Rivera, Astor Piazolla, Wayne Shorter, Dizzy Gillespie oder John Coltrane). www.diegourcola.com
    3 "One Of Many" von Kenny Wheeler (u.a. United Jazz and Rock Ensemble) ist ein mit Steve Swallow (b) und John Taylor (s.o.) 2005 in den Ludwigsburger Bauer Studios aufgenommenes Spätwerk, das überraschenderweise erst jetzt veröffentlicht wird. Drei Könner im kammermusikalischen Einklang - insbesondere der durchgehend am Flügelhorn zu hörende, damals bereits 76-jährige Wheeler klingt geradezu jugendlich. Eines der vielen schönen Beispiele, wie der Jazz Musiker jung hält.
     
     
     
      

     
     Previous Issue: 8/9- 2011 © cinesoundz 2011

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