Reviews Electro 07-12

    * soundtrack * crossover * pop/rock * catalog * jazz * electro * world * audiobook *
     Jazzanova - Funkhaus Studio Sessions  
     Various Artists - Sonar Kollektiv / Alive  
     
     
    Natürlich kann man das längst nicht mehr als Electronica bezeichnen, wenn das (Sonar-)Kollektiv Jazzanova, angeführt in diesem Fall von den beiden Produzenten Stefan Leiserng und Axel Reinemer, mit einer siebenköpfigen Band das Studio des früheren DDR-Rundfunks in Ost-Berlin entert, um ihr erstes "Live"-Album mit tourerprobten Favoriten (sowie einem neuen (Klasse-)Song, "I Human") einzuspielen. Sondern weitgehend handgemacht, auf "richtigen" Instrumenten eingespielt. Und natürlich ist das, was bei den “Funkhaus Studio Sessions” herauskommt, großteils vom Feinsten, auch wenn das Eigenlob im Booklet ein wenig irritiert und dem sanft lispelnden Sänger Paul Randolph auch mal eine Phrasierung wegrutscht. Außerdem spielen auf: Arne Jansen (Gitarre), Carl Michael Grabinger (Schlagzeug), Sebastian Studnitzky (Keyb), Sebastian Borkowski (Saxophon/ Flöte), Stefan Ulrich (Posaune), Paul Kleber (Bass) sowie ergänzend die Multitalente Reinemer (Electronics/ Percussion) und Leisering (Congas, Synths, Ampli-Celeste) themselves. www.jazzanova.com Play Track 1,3,6.
     

     
     
     Orbital - Wonky
     
     Rykodisc / Warner
     
     
     
    Synthesizer mit einfachen Wellenformen, Riffs im mittleren Tonhöhenbereich, gleitende Tonhöhen und Pitchbending Effekte, 8-Bit-Sounds, unkonventionelle, komplexe Rhythmen sowie Anspielungen auf Clubs & Labels in Texten & Titeln... Meine Güte. In der UK-Dubstep- & Grime-Szene werden ellenlange Debatten darum geführt, was nun genau wonky ist & was nicht. "Wonky" ist auf jeden Fall mal das erste Orbital-Album seit acht Jahren (2009 gab es nur eine Kopplung zum 20-jährigen Bestehen). Die Gebrüder Hartnoll haben mit ihrem Kommentar wohl eines ihrer besseren, zugänglichen Werke abgeliefert, auch wenn sich kein richtiger Hit a la "Lush" aufdrängt - in einem kleinen Studio in Brighton, Orbitals Home Base, aufgenommen und in London mit Produzent Mark "Flood" Ellis abgemischt. Als Rausschmeißer hier noch das "Wonky"- Katzenwahnsinns - Video: www.kraftfuttermischwerk.de/blogg/?p=35155
    Sind wir alle nicht ein bißchen wonky?
     

     
     
     Glitterbug - Cancerboy / DNTEL - Aimlessness
     
     C.sides * Pampa / beide: Rough Trade  
     

    "Cancerboy" ist mehr als nur ein weiteres Minimal-Techno-Album und inhaltlich nicht gerade ein Leichtgewicht. Der Kölner Produzent Till Rohmann vertont hier mit Genremitteln seine eigene Krankengeschichte. Der in seiner Kindheit krebskranke Künstler vertont mit Reverb-Sounds, minimalistischen Beats. Maschinenklängen und Düstertechno Krankenhausatmosphäre. Inwieweit man sich als Hörer in eine solch persönlich-sinstre Alptraumchronik über fast 80 Minuten hineinfinden kann und möchte, muß jedem Hörer selbst überlassen bleiben. Till Rohmann ist übrigens nicht nur DJ und Produzent, sondern auch Filmkomponist. Play Track 10 "Outside My Window".
    www.glitterbug.de
    Dntel aka Jimmy Tamborello war mal als einziger Elektronik-Act auf dem ganz anders getakteten Sub Pop Label zu Hause. Gegenwärtig hat es ihn mit "Aimlessness" auf DJ Kozes Label Pampa Records veschlagen, für das er zunächst ein Album mit Enya(!)-Bearbeitungen in Angriff nahm. Das vorläufige Ergebnis ist auf Tamborellos Webseite zu hören. Wegen der zu erwartenden rechtlichen Schwierigkeiten kann man nicht von einem nahen Release ausgehen. Stattdessen gibt es jetzt - nach immerhin zehn Jahren - wieder ein neues, reguläres Dntel-Album. Indie & Electronica waren die beiden Pole, die Dntel besser als andere Wettbewerber auf träumerische Art zu verbinden vermochte. Mittlerweile wird ähnliches in Tausenden Heimstudios zusammengebastelt, denen Tamborello jedoch eine Portion Tamborello rythmisches Feingefühl voraushatte. Mit Nite Jewel und Baths hat Tamborello sogar zwei Chillwave-Protagonistinnen als Gesangs- und Remix-Gäste auf sein Album eingeladen. The dreamy side of indie-electro.
     


     
     
     Marie Madeleine - Ural Baikal Amour
     
     Ekler'o'shock
     
     

    Was Französisches - sehr kalkuliert. Nachdem das Sugar Daddy-Video "Swimming Pool" zur gleichnamigen EP ( http://vimeo.com/31896039 ) im Netz für erhöhte Klickraten gesorgt hatte, wird nun von den drei Initiatoren Herr 2003, Gregory Wagenheim, Jarco Weiss (von denen einer für die männlichen Vocals in Iggy Pop-Manier sorgt) und Sängerin Lily Pejon nachgelegt: "Ural Baikal Amour", gefolgt vom "Nihilist Song". Auf dem Cover Nymphchen in shine-through-Unterwäsche mit Totenkopf - so erregt man Aufsehen im Elektro-Zirkus...
    Derzeit Live-Termine - in Frankreich.
    www.mariemadeleine.xxx
    www.facebook.com/mariemadeleinetheband
     

     
     
     Second Class Citizen - The Small Minority / John Daly - Sunburst
     
     Equinox Records * Compost/ Groove Attack TIPP
     
     
     
    Der britische, im Instrumental- & Abstract-Hip Hop beheimatete Produzent Second Class Citizen geht auf seinem zweiten Album in eine ähnliche Richtung wie das mutmaßliche Vorbild DJ Shadow. Die tiefere Beschäftigung mit den Samplequellen führt zur eigenen musikalischen Weiterentwicklung. Es wird immer noch eklektisches Ausgangsmaterial in einen neuen, hip hop-basierten Kontext gesetzt - Beats, Loops und geschichtete Samples kommen zum Einsatz. Ebenso wichtig sind aber organisch klingende Akustikparts und recht ausgefeilte Arrangements, die sich wie in "Under Your Doorway" oder "Change (What We´re Creating)" mit gesungenen Vocals voller sphärischem Folk- oder Psychedelic-Hippiefeeling verbinden. Hip Hop-Folk - faszinierende Mischung. Play 1,2,6,7,8.
    www.dapledge.com

    Nur ein Trend? Vinyl-Release, flankiert von MP3 - oder umgekehrt. Im Falle des aus Irland stammenden House- und Techno-Produzenten John Daly (nicht zu verwechseln mit dem US-Profi-Golfer), der früher auf Labels wie Plak Records, IRR, Mule Musiq oder Wave Music zu vernehmen war, gibt es die lange dominierende CD nur als Dreingabe mit der aufwändig gestalteten Gatefold-Doppel-LP mit beiligender CD. Die organische, stark Synthie-lastige Musik des Iren ist aus den Ingredenzien Techno, House, Disco, Electronica und Dub zusammengesetzt.
    http://soundcloud.com/john-daly
     

     
     
     Kasper Bjorke - Fool / Tj Kong - Dream
     
     Hfn / tba * Pokerflat/ tba
     
     

    Drittes Solo-Album des dänischen Electro-Disoc-Produzenten, gewohnt eigenständig und mit viel Pop-Appeal. Bjorke ist ganz sicher kein! "Fool", wie der selbstironische Titel des Albums andeutet, ebensowenig stellt der Genremechanismen auf den Kopf. Der vielseitige Kopenhagener schafft es hier aber mit einer gewissen Leichtigkeit an den Erfolg seines 2010 veröffentlichten zweiten Solo-Albums "Standing On Top Of Utopia" anzuknüpfen. Auf der ersten Seite der LP, der "Hungry Side" (die CD ist auch hier nur noch Neben-Tonträger) gibt es die melodischen Popsongs, auf der "Foolish Side" werden instrumentale und tendenziell dunklere Klänge gereicht, ohne dass es schwermütig werden würde. Play Tracks 1-4, 6, 8.


    TJ Kong, der ehemalige Compostler (mit Nuno dos Santos) kollaborierte mit Modular K schon für einige exklusive Tracks der "Forward To The Past"-Reihe. Minimalistischer House und Techno sind beider Metier - Erwin Van Moll (TJ Kong) und Gijs Janssen (Modular K) repräsentieren dabei immerhin zwei Jahrzehnte innerhalb der Underground Techno- und Elektro-Szene gesammelter Erfahrungen. TJ Kong arbeitete u.a. mit Nicolette und Robert Owens zusammen, während Modular K, meist an der Seite von Kong auf Labels wie Twenty oder Largeveröffentlichte. Auf Dream Cargoes bleibt es durchweg instrumental und recht kontrolliert. Play Track Nr. 5, "End-game feat. Edward Capel", 7 "Studio 5, the stars" www.tjkong.com
     


     
     
     Totally Enormous Extinct Dinosaurs - Trouble
     
     Polydor / Universal
     
     

    Ein neuer Elektro-Paradiesvogel: Orlando Higginbottom aka Totally Enormous Extinct Dinosaurs beglückt seine Fans nicht nur mit Uptempo-Elektro-Pop, sondern auch mit angeschrägten Videos und Auftritten in bizarren Outfits - siehe Cover (ein ´headpiece´ der Designer Yunus & Eliza, aus Swarovski-Èlementen´). Der Newcomer aus dem UK, Sohn eines Oxforder Musikprofessors, bedient auch mit "Trouble", seinem ersten regulären Album, nach diversen veröffentlichten EPs und seinen Singles "Garden" (die Nokia als Song für ihre Lumia-Kampagne wählte) sowie "Tapes & Money" virtuos und mulitmedial die Bedürfnisse von Fans & Medien. Die Musik vermag dagegen über Albenlänge nicht immer, die Konzentration konstant hochzuhalten.
    http://totallyenormousextinctdinosaurs.com/
     


     
     
     Gigolo Music Ltd 13 / Hell - Teufelswerk House Remixes Part 2 / 2012
     
     Various Artists - beide: Gigolo / Rough Trade  
     

    Aller guten Dinge sind 13. Zeitgleich zu den neuen "Teufelswerk"-Remixen erscheint auf Gigolo auch eine weitere Folge der Label-Compilation-Serie mit Neuem und Exklusivem aus der erweiterten Friends & Family-Posse. Meister Hell präsentiert wieder eigene Mixe von Werken der Kollegen Prommer & Barck, Gilla und Tim Deluxe, Prommer ist des weiteren noch mit einem Cover von Cesar Maravillas "Chocopop Jazz" vertreten. DJ Koze hat einen Remix für Makossa & Megablast in petto, L.U.P.O. stellt die Frage "Hell Or Heaven", "Nuclear Body" von Lenoir & Meriton führt in Italo-Gefilde, Schweden (SoundFactory) oder Miami (Danny Daze) lassen grüßen. Großteils unterhaltsam.die wilde 13.


    LIVE-TIPP
    DJ Hells "Teufelswerk" von 2009 gilt vielen als eines der ambitioniertesten Dance-Alben. Der Klassiker wurde bereits im letzten Jahr von einer Reihe von Kollegen einer weiterführenden House-Behandlung unterzogen.Waren beim "Teufelswerk"-Original u.a. Bryan Ferry, Peter Kruder, Christian Prommer, bei der ersten Remix-Session Ian Pooley oder Wolf + Lamb am Start, gehen beim neuen Zyklus in rot dOP (Circus Company), Thomas Schumacher (Get Physical), Spencer Parker vs Radio Slave (Rekids), Hannah Holland vom Londoner Batty Bass Kollektiv sowie osteuropäische Newcomer wie Pernau aus Ungarn und The Model aus Rumänien ins Rennen. Kollege Carl Craig ist mit einem dritten, bislang unveröffentlichten "U Can Dance" -Remix dabei.
    Am 30.6. ist Hell im Münchner Pacha angekündigt.
    www.facebook.com/DJHellOfficial (Hell website is currently off...)
     



     
     
     Paper Cuts # 1 / Obsession Lounge 6 / Nassau Beach Club
     
     Various Artists - Paperecordings * Clubstar / Soulfood * Big City Beats / Edel

    Neu im Compilation-Regal: 1 Ein Querschnitt durch das Repertoire des UK-House & Disco-Labels Paper Recordings mit 22 ungemixten Tracks auf zwo CDs, u.a. mit up-and-coming artists wie Daco aus Manchester oder dem Norweger Proviant Audio sowie den Labelveteranen Flash Atkins und Crazy Penis - what a name...
    2 Alle Jahre wieder eine Folge in der Clubstar Hochglanz-„Obsession Lounge“-Serie, vom geschäftstüchtigen Klassik-Radio-DJ Jondal aus München zusammengestellt - auf CD 1 mit Ohm-G feat. Glissando, Lenny Ibizarre, Christophe Goze, Living Room feat. Sayuri, Afterlife etc im Midtempobereich, auf CD2 mit Lazy
    Hammock, Gerrit van der Meer, De Spira, Incarnations u.a. noch entschleunigter.
    3 Der Nassau Beach Club ist eine dieser Adressen auf Ibiza, die auch wegen der Musik angelaufen wird. Die exklusive Location am Playa d’en Bossa setzt auf die Kombination aus Strand Club und Restaurant, die Resident DJs Alex Kentucky und Andi Piper auf die Kombination von Deep House und Lounge.
    CD leider immer noch nicht eingetroffen.
     
     
       

     
     Previous Issue: 4/5 - 2012 © cinesoundz 2012

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