
Überfällig, nicht nur in München: Umdenken in der Stadtpolitik & Engagement für lebenswerte, urbane Umgebung. Impulse & Bauplan von
Auch in Deutschland leben heute schon knapp 78 Prozent der Bevölkerung "in Städten, die uns Zeit und Nerven kosten und häufig wirken, als wären sie nicht für Menschen gemacht: steigende Mieten, zu viele Autos, zu wenig Grün und wo man hinsieht Dauerbaustellen." Alternde Gesellschaft, Klimakrise, Digitalisierungsprobleme und Verkehrsinfarkt - dazu ein falsch konzipierter, stetig akzelerierender Mietspiegel - in mittlerweile wohl allen deutschen Großstädten ist ein radikales Umsteuern in Wohnungspolitik, Bauwesen und Stadtpolitik eines der dringlichsten Gebote der Stunde in den nach dem zweiten Weltkrieg vor allem nach Autoverkehrs-Erfordernissen der Fifties neu strukturierten urbanen Zonen der Republik.
Eine, die angesichts längjährigem Lobby-Filz und Politikversagen dennoch nicht verzweifelt, ist die Münchner Architektin Gabriela Beck. Sie schreibt: "In Zukunft werden wir uns viel ausführlicher als bisher damit beschäftigen müssen, wer für wen oder mit wem plant. Wir werden genauer hinschauen müssen, wer was finanziert, wer Zugriff auf welche Daten bekommt, wer wen an was beteiligt. Und welche Absichten und Ambitionen jeweils dahinterstecken", schreibt die Fachautorin. Obwohl wie so viele Münchnerinnen & Münchner selbst betroffene Mieterin, sieht Beck die sich zuspitzende Krise dennoch als Chance. Wie eine lebenswerte Stadt geplant und durch Beteiligung der Menschen, die darin leben, verbessert werden kann, zeigt die Expertin für Stadtplanung und Zukunftstrends im Wohnungsbau mit ihrem Buch, das sie in der zweiten Jahreshälfte ´24 vor allem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk flächig persönlich vorgestellt hat.
Es dreht sich um Ansätze wie mehr Gemeinschaft in den Wohnvierteln (gegen Anonymität & Einsamkeit), weniger Autoverkehr und Vermeidung unötiger Stressfaktoren als erhebliches Gesundheitsrisiko oder Gegenmaßnahmen gegen Starkregen und Hitzekollaps - Folgen des Klimawandels, die uns im Extrem aktuell von der US-Westküste aus den Nachrichten entgegenspringen. Beck stellt als zentrale Frage: Wie wird das Leben in der Stadt wieder lebenswert? Und kommt zum Fazit gegen ein "Weiter-So": „Wichtig ist es, überhaupt einmal anzufangen – mit fassbaren Projekten vor Ort und pragmatischer, lösungsorientierter Politik.“ Beteiligung als zentrale Stellschraube an einem besseren Bauplan, der die lokalen Gegebenheiten und Bedürfnisse der Wohnenden berücksichtigt, denn: "Jede Stadt hat ihre eigene Persönlichkeit."
Pack ma´s, Minga.
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TIPP
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Wir sind weit vom Ideal einer funktionalen, sozial gemischten Stadtgesellschaft, die noch dazu dem Klimawandel trotzt, entfernt, so das ernüchternde Urteil der Fachautorin Gabriela Beck. „Die modernen Zentren unserer Metropolen sind selten beflügelnd. Sie sind zu voll, zu laut, zu teuer... Am Stadtrand bilden sich Parallelgesellschaften. Der als Geldanlage missbrauchte Wohnraum im Stadtzentrum steht oft leer….Und die aus der Stadt verdrängte Mittelschicht steigert den Flächenfraß in suburbanen Lagen“. Was unsere Städte brauchen, um wieder lebenswert zu werden | Ein Bauplan für den Wandel - Die Untertitel deuten es an: ihr Buch ist ein Rundumschlag, der klar macht, dass unsere Städte so nicht bleiben können.
Dabei zeigt Gabriela Beck vor allem positive Beispiele, die eindrücklich belegen, dass durchaus eine Menge möglich wäre und verweist auf Partizipationsmodelle in Toronto, Kopenhagen oder der `Zukunftsstadt Lüneburg 2030´, wo in 15 Experimenten historische Hinterhofgärten neu gedacht und belebt werden.
Abstrakte Planung auf dem Reißbrett und große technokratische Lösungen funktionierten auf Dauer eher nicht, wie Beck abgesichts ambitionierter historischer Projekte legendärer Architekten, etwa Le Corbusier in Indien oder Oscar Niemeyer in Brasilien zeigt.

pic © Saskia Uppenkamp
GABRIELA BECK
WIE WIR WOHNEN WOLLEN
Was unsere Städte brauchen, um wieder lebenswert zu werden|
EIN BAUPLAN FÜR DEN WANDEL
Kösel Verlag (Penguin Random House Verlagsgruppe), 224 Seiten, € 20,00
ISBN 978-3-466-37330-7 ◊ 23.10.2024
Gabriela Beck ist Dipl.-Ingenieurin für Architektur mit Schwerpunkt Stadtplanung und schreibt seit vielen Jahren als Fachjournalistin zu nachhaltigem Städtebau und Zukunftstrends im Wohnwesen, u. a. für die Süddeutsche Zeitung. Sie ist zudem im Netzwerk Klimajournalisten aktiv. Als Münchnerin erlebt sie selbst die negativen Auswirkungen steigender Mieten und sich verstärkender Wohnungleichheit auf das Stadtgefüge. Langweilige Bauträgerarchitektur ist ihr ein Dorn im Auge.
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