COMIC - FEUERWERK 12 - 2019
TIconderoga / Serpieri collection western:2 - der schamane
Héctor German Oesterheld / Hugo Pratt - avant-verlag * Paolo Serpieri - Schreiber & Leser
So prachtvoll wie ungewöhnlich ausgestattet, dieses Muss für an der Periode des fränzösisch-englischen Ringens um die nordamerikanischen Kolonien im 18. Jahrhundert Interessierte. Im Schuber der deutschen Erstveröffentlichung stecken jeweils ein Band im Hoch-, sowie einer im Querformat, um nah an der Größe der ungleich billiger gedruckten argentinischen Originalpublikationen von 1957 bis 1965 zu bleiben. Insbesondere das Hochkant- Format enthält nach den Geschichten noch einige Detailstudien, die jeweils letzten Seiten beider Bände sind dann Reproduktionen einiger schöner Einzelcover vorbehalten. |
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Aufwendige Ausgrabung aus der argentinischen Comicszene. Auf der Suche nach erfolgversprechenden Eternauta-Nachfolgern aus dem reichhaltigen Oeuvre des bedeutenden Szenaristen Hector German Oesterheld wurde das Team des Avant-Verlages nun mit Ticonderoga fündig. Praktisch, dass dessen frühe Zusammenarbeit mit dem noch bekannteren italienischen Corto Maltese-Schöpfer Hugo Pratt, während dessen Jahren in Buenos Aires, 2018 in ansprechender Form bei Casterman auf französisch erschienen war und nun "nur" übersetzt werden musste. Das prominente Kreativ-Paar trennte sich zwar 1959 nach gemeinsamen Serien wie dem Krimi Ray Kitt (1951) oder dem Western Sgt. Kirk (ab 1953), was auch dem deutlich von den Lederstrumpf-Erzählungen James Fenimore Coopers beeinflussten Indianerkriegs-Abenteuer Ticonderoga sein abruptes Ende bescherte. Im Original im Comicheftchen Frontera erschienen, wurde auch in den jetzt erhältlichen Schuber-Bänden die kleinteilige Erzählstruktur der 70 Jahre alten Stories beibehalten, die zumindest Genrefans immer noch gefangen nehmen. Als Rückblenden-Erzählung des gealterten Mitstreiters Caleb Lee begonnen (an dessen jugendlicher Version sich später auch Uderzo für seinen Umpah Pah-Fähnrich Hubert von Täne orientiert haben könnte), folgt der Leser den Abenteuern des Triumvirats aus dem Titelhelden Ticonderoga Flint, Lee und dem Indianer Numokh. Pratts Assistentin (und langjährige Partnerin) Gisela Dester, die Oesterhelds Szenarien ab der siebten Episode allein umsetzte, bekommt allerdings weiter keinen Extra-Credit, da wäre mittlerweile ein deutlicherer Hinweis anemessen als bloß der in einem der kundigen Begleit-Texte der Sammler & Auskenner Johann Ulrich, Gullermo Parker & José Munoz. |
Von den Great Lakes zu den Prärien des mittleren Westens, in denen die meisten der dreimal 160 Seiten angesiedelt sind, auf denen Altmeister Paolo Serpieri von der gewalttätigen Inbesitznahme Nordamerikas durch die Weißen erzählt. Nach Lakota folgt mit Der Schamane nun der zweite Band der dreiteiligen Collection bei schreiber&leser. Wieder ist die erste Story hier farbig, der Rest in schwarz-weiß gehalten. Serpieris grafisches Können, mit dem er die dramatischen Plots der selten gut endenden Kurzgeschichten gestaltet, ist unbestritten. Hinter den Zeichnungen fallen die Dialoge klar zurück und inhaltlich gibt es mittlerweile einige Wiederholungen, etwa das Motiv der Vergewaltigung wunderschöner Frauen durch so ungepflegt wie möglich daherkommende Outlaw-Mannsbilder (etwa in Die Weiße Indianerin). An der mörderischen Gewalt im amerikanischen Westen des 19. Jahrhunderts muss nichts beschönigt werden und den Täter ereilt immerhin recht schnell sein Schicksal (im plakativen Frauen an die Front gar durch eine Riege wehrhafter Western-Ladies). Dennoch bleibt es problematisch, dass Serpieri den Voyeurismus seiner Druuna-Gefolgschaft hier stets im Gewalt-Kontext bedient. Erneut wünscht man sich da einen einordnenden Begleit-Text oder zumindest bibliografische Notizen zu den ausgewählten Geschichten. Diesbezüglich muss wohl alle Hoffnung auf Band 3 der Collection gesetzt werden. |
vanikoro
Patrick Prugne / Splitter
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Zeichnerisch stets ein Ereignis, ein neuer Graphic Novel-Band von Patrik Prugne. Der französische Meister der Aquarelltechnik hat sich für sein neues Historien-Projekt diesmal abseits der Indianerkriege (zuletzt thematisiert im Band Irokesen) auf eine gut 100-seitige Reise begeben, die dramatisch beginnt. Zwei Fregatten einer französischen Marine-Expedition verunglücken 1788, drei Jahre nach dem Auslaufen aus dem Hafen von Brest auf dem Rückweg, Richtung Mauritius. Ein Sturm im Archipel der Salomonen wirft die Schiffe auf die Riffe vor Vanikoro, einer bis dato unbekannten Insel. Von den - teils historisch belegten, großteils aber fiktionalen Überlebenskämpfen der Rest- Besatzungen der Cook nacheifenden Expedition Lapérouse erzählt Prugne dann zeichnerisch gewohnt virtuos in prächtigen Wasserfarben, im Tempo aber eher gemächlich. Letzeres vielleicht schlüssigerweise auch, um dem zähen Verstreichen der Zeit auf einer entlegenen Insel gerecht zu werden. Wie detailliert sich der Künstler in sein Sujet eingearbeitet hat, belegen auch der Skizzenanhang nebst Glossar, sowie ein kurzer Text zur historischen Faktenlage. |
der grosse indien schwindel
Alan Ayroles - Juanjo Guarnido / Splitter
Vom Taschendieb in Sevilla zum Neue Welt-Abenteurer, Schatzsucher, Komödianten des Königs & mehr... Don Pablos fabuliert sich durch die Welt. "Ein zweiter Teil von Leben und Abenteuer des weitbeschrieenen Glücksritters Don Pablos aus Segovia, Landstörzer, Erzschelm und Hauptvagabund; inspiriert durch den ersten, so wie ihn zu seiner Zeit erzählte Don Francisco Gómez de Quevedo y Villegas, Ritter von Orden des Heiligen Jakob und Herr von Juan Abad". Hier die fiktive Fortsetzung des 1626 geschriebenen Buches. |
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1 Der Prolog dieses Abenteuer-Prachtbandes erschließt sich restlos erst am Ende des Buches. Im ersten Kapitel jedenfalls ist der spanische Lebenskünstler Don Pablos in keiner beneidenswerten Lage - auf der Streckbank des gierigen Militärkommandanten von Cuzco in Peru, muss der Filou berichten, wie er einst El Dorado fand. Selbst in diesem hochnotpeinlichen Verhör schafft es der gerissene Schwindler, seine halbe Lebensgschichte unterzubringen. Mächtige seiner Zeit, des 17. Jahrhunderts, wie den Leser führt das Schlitzohr im Laufe seiner als Rückblenden präsentierten Erzählungen noch des öfteren hinters Licht - was einen Teil des Charmes dieses Buches ausmacht. Ob auch sein Plan, ohne herkömmliche Arbeit einmal schwerreich zu werden, aufgeht? Splitter spendiert dem 160-seitigen spanischen Graphic Novel-Schelmenroman von Szenarist Alain Ayroles & Zeichner & Kolorist Juanjo Guarnido jedenfalls das verdiente großformatige Hardcover. Insbesondere die Zeichnungen & Farben in den nach Bedarf bis zum Format der Doppelseite wechselnden Panels sind grandios, Landschaften, Schiffe, Menschen, Tiere - für alles scheint der 1967 geborene Ex-Marvel- und Trickfilmzeichner Guarnido ein Händchen zu haben - so detailversessen wie lebendig wirkt das. Aber auch die vielen raffinierten Wendungen in der Geschichte machen das Latin-Kolonial-Abenteuer Der grosse Indien Schwindel zu einem Vergnügen für Leserin & Leser. |
die kong crew Band 1 / jimmys bastarde - getriggert
Eric Herenguel * Garth Ennis - Russ Braun / beide: Panini
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batmans größte gegner anthologie
Various Artists - DC / Panini
Bekanntermaßen herrscht an dieser Stelle keine allzu große Superhelden-Euphorie. Ebenfalls kein Geheimnis, dass wir am ehesten für den wohl komplexesten Überflieger der Zunft, strenggenommen ohne Superkräfte zur Welt gekommen, auch mal eine Ausnahme von der Regel machen. Unlängst wurde Bruce Wayne aka Batman noch in München mit einer lohnenden Ausstellung geehrt, nun versammeln sich in der vorliegenden, speziell für den deutschen Sprachraum zusammengestellten Anthologie Batmans grösste Gegner - Die gefährlichsten Schurken von Gotham. Auch wenn im Falle des als Dunkler Ritter wieder höchste Beliebheitswerte erklimmenden Mitternachtsdetektivs der gern formulierte Grundsatz "Jeder Held ist nur so cool wie seine Gegner" nur abgeschwächt gilt, die schurkischen Feinde der Fledermaus salzen die DC-Suppe eben doch nicht unerheblich. Die Ark Asylum-Parade der üblichen Verdächtigen (jeweils von einem zusammenfassenden Who´s Who-Steckbrief eingeleitet) kann nur mit dem einen Joker beginnen. Gefolgt von der ewigen Nummer Zwei, dem grotesken Pinguin. In der Folge laufen mit der ambivalenten Catwoman, Poison Ivy oder Harley Quinn auch attraktive Gegnerinnen zu großer Form auf. Ferner im Programm: ungute Charaktere wie Scarecrow, der Riddler, Two-Face, Bane oder Mr. Freeze. Und, besonders beängstigend: als Der Batman, der lacht mutiert Wayne im parallelen Elseworlds-Universum gar zu einem alptraumhaften Joker-Bat-Hybriden. Als Widersacher-Kompendium verdienstvoll, auch wenn die Storys, die u.a. von so bekannten Autoren & Zeichnern wie Dennis O’Neil, Paul Dini, Matt Wagner, Doug Moench, Ed Brubaker, Chuck Dixon, Graham Nolan oder Kelley Jones stammen, dann, der Vielzahl Beteiligter am vorliegenden 450-Seiten-Hardcover-Schwergewicht entsprechend, recht heterogen ausfallen. |
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wir waren charlie / Ein tagebuch der 80er Jahre in Taiwan
Luz - Reprodukt * Sean Chuang - Chinabooks E. Wolf
Hitzige Diskussionen, familiärer, von Engagement, Leidenschaft und Frotzeleien geprägter Ton. Eine Hommage an die Satire-Redaktion Frankreichs. Im Original Indélébiles (also Die Unauslöschlichen), nimmt der deutsche Titel Wir Waren Charlie auf den Solidaritäts-Slogan von 2015 Bezug: Je suis Charlie. |
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1 Nur wenige Monate nach dem verheerenden Anschlag auf die Charlie Hebdo-Redaktion vom7. Januar 2015 erschien bereits Rénald Luziers Zeichenband Katharsis, mittels dessen der Satiriker (wie auch Kollegin Catherine Meurisse mit ihrem 2017 veröffentlichten Die Leichtigkeit) sein Trauma als zufällig Überlebender zu bewältigen suchte. Während vier weitere Hebdo-Zeichner, Jean Cabut (`Cabu´), Bernard Verlhac (`Tignous´), Philippe Honoré und Georges Wolinski, Herausgeber Stéphane Charbonnier (`Charb´), dessen Personenschützer und fünf weitere Verlagsangestellte erschossen wurden, kamen Meurisse und Luz, der genau an diesem Tag Geburtstag hatte, zu spät zur Redaktionssitzung... Fünf Jahre nach dem Terrorakt setzt der 1972 in Tours geborene Zeichner nun seinen früheren Kolleg(inn)en ein Denkmal. Während einer schlaflosen Nacht (farbig getuscht) verfolgen Luz die zahlreichen Erinnerungen an das intensive Schaffen zwischen lauter anderen Satire-Verrückten. Diese schwarz-weiß gehaltenen Rückblenden vermitteln auch in der französischen Politik der 90er & 00er Jahre weniger Bewanderten (denen zudem ein vierseitiger Anhang mit Anmerkungen auf die Sprünge hilft) einen lebendigen Eindruck von der Arbeitsatmosphäre bei Charlie Hebdo, immer angetrieben vom nächsten Redaktionsschluß. |
2 Und noch eine gesellschaftliche Rückblende. In Meine 80er Jahre schildert der hauptberufliche taiwanesische Werbefilmer Sean Chuang ebendiese, großzügig gefasst: die Zeitspanne seiner Jugend in Taiwan reicht von 1976 bis 1990. Ein Vorwort des Zeichners & Autoren sowie eine angehängte Chronik, die international und speziell für Taiwan wichtige Ereignisse gegenüberstellt, erleichtern Leser*innen die Orientierung. Erzählfluss und Zeichnungen sind dann allerdings nicht allzu aufregend, immerhin erfährt der in den Eighties selbst adoleszente Westler etwas über diese Zeit am anderen Ende der Welt, doch allzuviel Exotisches oder typisch Taiwanesisches gibt es gar nicht - eine alte Gasse hier, etwas Schuldrill inklusive Einheits-Frisur da. Einige globale popkulturelle Siebziger- & Achtziger-Phänomene haben es offenkundig auch bis Taiwan geschafft: James Bond (die Roger Moore-Ära), Rocky, Michael Jackson, Breakdance, Star Wars. Und im Fall von japanischen Roboterfiguren oder von Bruce Lee und Jackie Chan hatten sie es ja auch weniger weit... Der auch Chinesisch-Grammatik- und -Lernwörterbücher im Programm führende Schweizer Chinabooks-Verlag hat sich für eine dicke, zweisprachige Ausgabe entschieden, nach den 190 Seiten der deutschen Fassung ist der komplette Comic noch einmal in chinesisch angehängt. Dabei werden allerdings die auf dem Chinesischen Festland gebräuchlichen Kurzzeichen verwendet, nicht die in Taiwan geltenden Langzeichen - ökonomisch schlüssig, denn die Zielgruppe für diesen ersten Band von Chuangs gezeichneten Erinnerungen liegt eben außerhalb des Inselstaates. |
knock out! / schultheiss - bilder einer ausstellung
Reinhard Kleist / Carlsen * Matthias Schultheiss / Salleck Publications
Zum intensiven Pinsel-Stil Kleists, dessen Arbeiten an dieser Stelle in schöner Regelmäßigkeit auftauchen, muss wenig gesagt werden. Doch auch für den Künstler bedeutet der (mit Reliefdruck-Titel auf blau-pinkem Hardcover auffällig gestaltete) Band sein offizielles Coming Out. Nach 137 Comic-Seiten folgt eine kleine Galerie - und ein lesenswertes Nachwort von Dr. Tatjana Eggerling, Expertin für Sport & Homosexualität. Havanna & Castro * Der Boxer * Berliner Mythen * Der Traum von Olympia * Nick Cave. Mercy On Me * www.reinhard-kleist.de * www.carlsen.de |
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1 "Ein schwarzer schwuler Boxer, der in Damenmode macht. Mir bleibt auch nichts erspart." Dieser Stoßseufzer von Trainer Gil Clancy umschreibt die Exotik & Problematik eines Individualisten in der Welt des Macho-Sports Boxen, die es Deutschlands wohl erfolgreichstem Comic-Autor bereits zum zweiten Mal angetan hat. Nach dem jüdischen Faustkämpfer Hertzko Haft widmet sich Kleist der Biographie des US-Boxweltmeisters in drei Gewichtsklassen Emile Griffith, der 1962 vor laufenden TV-Kameras seinen Erzrivalen Benny `Kid´ Paret derart hart traf, dass dieser ins Koma fiel und später verstarb. Doch Griffith war weder Mörder noch brutaler Schläger, vielmehr neben seinem Boxtalent ein vielseitig interessierter Feingeist, der zur Entspannung u.a. Damenhüte entwarf - und auf Männer stand. Vor dem (dritten) Kampf mit Paret war er von diesem homophob beleidigt worden. Der dennoch ungewollt tödliche Knock Out! beschäftigte ihn zeitlebens, obwohl er noch bis 1977 als Profi weiterboxte. 1992 wurde er beinahe zu Tode geprügelt, als er eine Schwulen-Bar verließ (damit beginnt Kleist seine Comic-Biografie, Paret erscheint in dieser Einstiegsszene Griffith als Geist). Dessen offizielles Coming-out datiert erst von 2008 (Griffith starb 2013, 75-jährig): "Wie seltsam. Ich töte einen Mann, und die meisten Leute verzeihen mir. Ich liebe einen Mann, und so viele halten das für Sünde. Wenn ich auch nicht im Gefängnis gelandet bin - ich war fast mein ganzes Leben lang eingesperrt.“ |
2 Für den die Matthias Schultheiss-Ausstellung auf dem Comic Festival München 2019 zusammenfassenden Katalog taten sich Festivalchef & Projektleiter Heiner Lünstedt und Comixene-Urgestein Hartmut Becker als Herausgeber zusammen. Mit dem bei Eckart Schotts Salleck Publications lancierten 64-seitigen Hardcover-Band blicken die Macher auf eine lange Zeichen-Karriere zurück, denn der 1946 geborene Franke Schultheiss veröffentlichte bereits Anfang der 80er Jahre seine ersten Comics - und ab 1987 sein wohl immer noch bekanntestes Meisterwerk, den legendären Dreiteiler Die Haie von Lagos (2014 um zwei Bände eines weiteren Zyklus ergänzt, ein finaler Band soll in Arbeit sein). Schultheiss, der sich auch mit anderen Titeln seither außerhalb des deutschen Sprachraums, in Frankreich, Amerika und Japan einen Namen gemacht hat, erhielt 1992 in Angoulême als erster deutscher Künstler eine eigene Werkschau. Der (wie Reinhard Kleist) Max-und-Moritz-(1986) und frisch gebackene PENG!-(2019)-Preisträger erfährt nun mit Bilder Einer Ausstellung die verdiente Würdigung seines Lebenswerkes, gegliedert nach den sechs Leitmotiven Mystik, Atmosphäre, Gewalt, Zärtlichkeit, Sex und Humor. Wer nicht in München sein konnte, hat hiermit die Möglichkeit, ins Schultheiss´sche Oeuvere hinneinzuschnuppern und zu erkunden, was es in dessen Comic-Kosmos außer Patrick Lambert noch so zu entdecken gibt. Etwa den obskuren, 1988 von Wahnsinn Comics (St. Pauli) in kleiner Auflage als Werbegeschenk aufgelegten Band Stromer. |
Katanga 3 - Dispersion / Marshal Bass 3 - Sein Name ist Niemand
Fabien Nury - Sylvain Vallée * Darko Macan - Igor Kordey - Nikola Vitkovic / beide: Splitter
Bis zum explosiven Finale erneut nichts für schwache Nerven, aber ein Neuvième Art-Fest für die Sinne, das für Film Buffs noch eine kleine Western-Referenz (auf S. 49) bereithält - nur eben kein Happy End. |
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1 Auch für den dritten Band des verschachtelten Kongo-Wirren-Politthrillers Katanga gilt die jeder Folge vorangestellte Erklärung: "Diese Erzählung ist rein fiktiv und verbindet historische Ereignisse & Figuren mit Vermutungen und frei erfundenen Elementen. Die Autoren geben nicht vor, Historiker zu sein, und verfolgen mit dieser Geschichte lediglich die Absicht, den Leser zu unterhalten." Letzteres trifft einmal mehr zu, auch wenn hier insgesamt etwas tief gestapelt wird. Bei aller Illusionslosigkeit, mit der der dritte Teil Dispersion endet (im Titel wohl Bezug nehmend auf das heterogene Gemenge von Interessen um den nicht anerkannten Staat auf dem Gebiet der Republik Kongo von 1960-63), die Sympathien des Kreativduos Fabien Nury (Szenario) & Sylvain Vallée (Zeichnungen) liegen am Ende der blutigen Ereignisse kaum bei den zynischen Profiteuren & Gewinnern. Wer sich vor diesem dritten Teil klugerweise noch einmal die beiden Vorgänger Diamanten & Diplomatie zu Gemüte geführt und eine Träne über den tragischen Verlauf für das Geschwisterpaar Charlie & Alicia zerdrückt hat, wird die Rafinesse im Zusammenführen der Trilogie-Handlungsstränge & Vallées dynamische (zudem vom Team Jean Bastide & Luc Perdriset kongenial kolorierte) Big Screen-würdige Panels goutieren. |
Und das war es noch nicht mit River Bass - inzwischen ist klar, dass es schon bald einen vierten Band in der Reihe bei Splitter geben wird: Yuma. Watch this space... Cinesoundz-Rezension Band 1 * Cinesoundz-Rezension Band 2 *
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TIPP |
2 Ebenfalls beim dritten Band angekommen ist die Western-Serie vom Autoren-, Zeichner- & Koloristen-Team Macan/Kordey/Vitkovic um den ersten afroamerikanischen US Marshal. Der Untertitel Sein Name Ist Niemand nimmt nur scheinbar auf einen bekannten Genrefilm Bezug, eine flockige Westernkomödie à la My Name Is Nobody braucht hier niemand zu erwarten - zu schwere Kost aus dem mörderischen Westen Anno 1876, zu desillusioniert der dunkle (Anti-)Held. River Bass´ Aufenthalt bei Gattin Bathsheba und der Kinderschar ist schon wieder vorüber, der Rastlose ist weitergezogen, weil die älteste Tochter Delilah unter den Wehklagen der Mutter mit einem Indianer durchgebrannt ist. Dessen Spur ist nicht allzuschwer zu verfolgen, denn der von Delilah naheliegenderweise `Samson´ getaufte Halbstarke hat ein Talent dafür, in Schwierigkeiten zu geraten. Seinem Vater nicht unähnlich, denn als der stellt sich Bass im Lauf der Geschichte heraus. Noch mehr vom furiosen Finale im Schneegestöber Arizonas soll an dieser Stelle nicht gespoilert werden. Bass´Charakter wurde jedoch endlich um die eine oder andere Facette ergänzt und wer auch mit Kordeys Zeichenstil der maskenhaften Gesichter warmgeworden ist, kann der blutigen, winterlichen dritten Marshal Bass-Episode einiges abgewinnen, etwa die wunderbare Doppelseite 24/25 mit ihrem verschneiten Birkenwald im Sonnenaufgang. |
Käpt*in Rakete / Akissi - vorsicht, fliegende schafe
Kiki Klugscheißer - Grafikhool / Piscator - Haiflosse - Niels Bülow * HoGeSatzbau - Mini Hools / Kunstmann...... Marguerite Abouet & Mathieu Sapin - Reprodukt
1 "Uns´re Käpt*in heißt Rakete. Alles and´re als aus Knete. Sie hält stets stand, ob heiß ob nass. Wenn sie´s nicht schafft, schafft niemand das." Mit dem vorliegenden 32-Seiten-Büchlein hat es die (fast) gleichnamige Sea-Watch 3-Ikone Carola R. auch zur Titelfigur eines politisch-korrekten Kinderbuches gebracht. Dessen Geschichte ist schnell umrissen: Das Mädel mit dem voluminösen Haarschopf hat sich als Steuerfrau der Kinderzimmer-`Kogge Wackelzahn´ eines Gewittersturms (und eines fiesen Katers namens Saltini) zu erwehren - und verfrachtet Haus-, Hof und Stofftiere (Bernhard, Spinne, Raupe & Teddy) erfolgreich ins Trockene. Natürlich geht es um Hilfe in der Not, Mut, Verantwortung und Zivilcourage - und damit gegen den zunehmenden Rechts(d)ruck in unserer Gesellschaft. Folgerichtig hat eine sogenannte Alternative Mitte Sachsen das Projekt der ehrenamtlichen Online-Initiative Hooligans gegen Satzbau, zu dem es auch ein von Charlotte Roche gelesenes Video gibt, bereits als "Indoktrinationshöhepunkt der Kinderliteratur" ausgemacht. Jetzt erst recht - 1 Euro pro Buch geht an www.sea-watch.org. |
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2 Und noch ein zweites Kinder-Thema: Akissi aus der Feder von Autorin Marguerite Abouet ist bekanntermaßen die kleine Schwester der schon etwas bekannteren Aya aus dem lebhaften Stadtteil Yopougon von Abidjan, Hauptstadt der Elfenbeinküste. Deren Geschichten, auf deutsch in zwei dicken Bänden ebenfalls bei Reprodukt erschienen, wurden von Clément Oubrerie gezeichnet, zwischen dessen Stil und dem eigenen cartoonesken Strich Akissi-Zeichner Mathieu Sapin (frischgebackener Peng!-Preisträger für Gérard – Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu) eine gute Mischung findet. Das ivorische Mädchen hat es nicht leicht: Feline Streuner aus der Nachbarschaft wollen ihr stets den Fisch abjagen (siehe Band 1 der Reihe: Auf die Katzen, fertig, los!, 2018), wenn nicht gerade ihr Äffchen Boubou oder ihr frecher Buder Fofana für Unbill und Aufregung sorgen. In Abouets eigene Erfahrungen aus den 80ern in Abidjan verarbeitenden Geschichten werden temporeich und auch mal ironisch, dabei jedoch immer kindgerecht, soziale Probleme des globalen Südens mitbehandelt. Es bleiben aber genügend Identifikationsmomente für in Deutschland aufwachsende Kids. |
The Moneyman / George Orwell
Alessio de Santa - Filippo Zambello* Christin - Verdier / beide: Knesebeck
1 Die Geschichte von Roy und Walt Disney - ganz ohne den Namen seines weltberühmten, jüngeren Bruders geht es natürlich nicht im (Unter-)Titel von The Moneyman. Die aus Italien stammende Roy Disney-Comic-Biografie rückt den Part des Mitbegründers & Finanzchefs des späteren Weltkonzerns in den Mittelpunkt. Die Szenaristen Alessio de Santa & Filippo Zambello, mit ihrem Zeichner Lorenzo Magalotti und den bei Farben & Lettering behiflichen Giulia Priori & Lavinia Pressato erzählen aus der Perspektive des zeitlebens im Schatten seines fürs Kreative zuständigen Bruders (†1966) stehenden, acht Jahre Älteren - mittels einer in bunte Farben getauchten Rahmenhandlung, in der Roy einer Zufallsbekanntschaft in Orlando, am Vorabend der Eröffnung von Disneyworld, seine Lebensgeschichte schildert. Diese umfassenden, sepiafarbenen Rückblenden schaffen es, zumindest bei nur oberflächlich an den Details der Firmenhistorie Interessierten, nicht durchgängig, das Interesse des Lesers aufrecht zu halten. Immerhin wird deutlich, dass Walt seine so ambitionierten wie kostspieligen Trickfilm-Ideen selten ohne den unermüdlich Kernerarbeit leistenden Bruder hätte umsetzen können. Beider Workaholics´ Gesundheit blieb im Laufe der Zeit auf der Strecke - Roy überlebte den Kettenraucher Walt um 5 Jahre, in den er dessen letzten Lebenstraum, den Vergnügungspark Disney World in Florida, vorantrieb, um ausgebrannt zwei Monate später 1971 ebenfalls das Zeitliche zu segnen. Das gemeinsame Vermächtnis: der größte & einflussreichste Entertainment-Konzern der Welt, der doch, solange seine Gründer noch lebten, meist schwer verschuldet war. |
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Ein voluminöses Graphic-Novel-Denkmal für den wichtigen britischen Literaten, mitunter fordernd für den Leser. |
2 Eine weitere opulente Hardcover Comic-Biografie bei Knesebeck: die leuchtend rote deutsche Ausgabe des ebenfalls 2019 bei Dargaud erschienenen Bandes George Orwell. Der 2010 in Erlangen mit dem Max-und-Moritz-Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnete Szenarist Pierre Christin (u.a. Ost - West), in seiner politischen Arbeit erklärtermaßen "sehr geprägt" von Orwell, lud neben dem hier so detailreich wie staubtrocken-statisch federführenden Pif Gadget-Kollegen Sébastien Verdier bekannte Zeichner von André Juillard bis Enki Bilal ein, einzelne Werke des visionären 1984-Kultautors als eingestreute farbige Doppelseiten ins Bild zu setzen. Auch Orwells Leben verlief kaum eintönig - er studierte in Eton, ging nach Burma, kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg, war überzeugter Gegner des Stalinismus und schlug sich als Journalist in London durch. Die gelegentlichen, geradezu provokant gesetzten farblichen und stilistischen Brüche im überwiegend schwarz-weiß gehaltenen biografischen Haupterzählstrang wirken mal mehr, mal weniger überzeugend, lockern den zuweilen spröden, nach 150 Seiten noch um einen Appendix zum Einfluss von Orwell (und Christins Nachwort) ergänzten Band aber etwas auf. |
xibalba / isola
Simon Roussin / Edition Moderne * / Brenden Fletcher - Karl Kerschl - Msassyk / Cross Cult
das herz des zorro / moonshine band 1
Schreiber & Leser * Brian Azzarello - Eduardo Risso / Cross Cult
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1 Ein reizvolle Film Noir-Szenerie: Im heißen zu laufen. |
2 Zuguterletzt noch der erste Band von Moonshine, dem Prohibitions-Krimi von Szenarist Brian Azzarello und dem auch zum Münchner Comic Festival 2019 eingeladenen Zeichner Eduardo Risso. Das Eisner Award-prämierte Team (u.a. 100 Bullets) schickt seinen, einem guten Whiskey und schönen Frauen selten abgeneigten Gangster-Protagonisten ("Pirlo. Lou Pirlo") aus New York City zu einer Bande von Hinterwäldlern in die Tiefen der Appalachen. Der mit einigen Torpedo-Features ausgestattete Protagonist Pirlo soll im Auftrag seines Mobster-Chefs Joe dem widerspenstigen Schnapsbrenner Hiram Holt dessen hochklassigen Stoff zu einem Freundschaftspreis abschwatzen, doch der unerwartet skrupellose Holt geht offenbar über Leichen. Der Titel des Gangster-Horror-Hybrid-Comics ist clever gewählt, denn unter Moonshine verstehen Kenner nicht nur einfach das Mondlicht, in dessen fahlem Schein sich bekanntermaßen gern mörderische, haarige Genrewesen herumtreiben, sondern auch das Produkt der zu Prohibitionszeiten besonders florierenden Schwarzbrennerei, zum Weiterschmuggeln durch sogenannte Bootlegger bevorzugt abgefüllt in Mason Jar - Einmachgläser. Leidlich spannend, unvermeidlich blutig und relativ einfach im Strich. Auf den letzten zwei Seiten einige kleine Variant-Cover in einer Mini-Galerie. www.cross-cult.de |
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