Halbzeit & Neues Deutsches Kino beim Filmfest München
Neues Deutsches Kino beim 41.filmfest münchenWatschn für Politik und Kapitalismus
Die deutsche Sommerkomödie Zwei zu eins (Kinostart: 25.07.2024) hat das 41. Filmfest München eröffnet. Und gleich die Richtung vorgegeben, die dieses Jahr einige der 16 Weltpremieren in der Reihe Neues Deutsches Kino einschlugen: politisch, kritisch, provokant – und herrlich bissig. Der Eröffnungsfilm spielt im Hochsommer des Jahres 1990 in einem vor sich hindösenden Ort in Ostdeutschland. Weder die blühenden Landschaften noch der Kapitalismus haben sich in Halberstadt bislang blicken lassen. Maren (Sandra Hüller), Robert (Max Riemelt) und Volker (Ronald Zehrfeld) finden in einem alten Schacht die nach der Wende vom Staat heimlich eingelagerten Geldscheine der DDR. Dumm nur: Die offizielle Umtauschfrist in Westmark ist bereits abgelaufen, die Millionen sind wertlos. Eigentlich...Trotzdem schmuggelt das Trio rucksackweise Scheine nach draußen. Mit Hilfe der kompletten Nachbarschaft finden sie schließlich einen Weg, das DDR-Geld doch noch in harte Währung umzutauschen.
Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist auch Mux (Jan Henrik Stahlberg) ein Dorn im Auge. In Muxmäuschenstillˣ, einer Fortsetzung der maliziösen Politsatire (fast) gleichen Namens aus dem Jahr 2004, erwacht der selbsternannte Revolutionär 20 Jahre später aus dem Koma und siehe da – es liegt immer noch einiges im Argen. Mux sieht dringenden Handlungsbedarf. Also macht er sich mit seinem Pfleger Karsten (Tilman Vellguth) auf den Weg, den „Muxismus“ unter die Leute zu bringen. Demnach sollen Lohnarbeiter künftig neue Arbeitsplätze einfordern, indem sie bei vollem Lohnausgleich freiwillig einen Tag weniger arbeiten. Die fehlende Arbeitskraft sollen die Arbeitgeber mit einem neuen Kollegen/einer neuen Kollegin aus dem Heer der bislang Chancenlosen besetzen. Die Kosten, die das verursachen wird, sollen die tragen, welche es sich von den Gewinnen der Lohnarbeit gut gehen lassen: Die Vermögenden. Schon 2004 setzte sich Stahlberg in Muxmäuschenstill (Marcus Mittermeier) mit dem Politbetrieb und für ein gerechteres Miteinander ein. Damals verrannte sich sein Weltverbesserer Mux jedoch derart, dass er selbst zu einer jener Personen wurde, die er eigentlich bekehren wollte. Für die Fortsetzung übernahm Stahlberg erneut Drehbuch sowie Hauptrolle und wechselte darüber hinaus auch auf den Regiestuhl. Das clevere Marketing, das schon beim ersten Teil auf Mundpropaganda und Teilhabe setzte und dem Film damals zu Kultstatus verhalf, wird auch beim zweiten No-Budget-Teil fortgeführt. * Trailer *
Rund zehn Jahre lang haben Daniel Hoesl und Julia Niemann in der Welt der Milliardäre recherchiert, Kontakte geknüpft, Vertrauen aufgebaut. Ihre Erkenntnisse haben sie in mehreren Filmen und einer Dokumentation (Davos) über das World Economic Forum WEF verarbeitet, in denen sie jeweils den Raubtierkapitalismus anprangern. Veni Vidi Vici, der im Januar beim Sundance Film Festival uraufgeführt wurde und als österreichischer Beitrag in der Münchner Filmfest-Reihe CineRebels lief, ist ihre vierte gemeinsame Regiearbeit. Der Film zeigt nochmals ganz explizit: Wer Geld hat, kann sich alles erlauben. *Unternehmer und Milliardär Amon (Laurence Rupp), ein liebender Familienvater und Ehemann, hat ein perfides Hobby: Er erschießt Menschen aus sicherer Entfernung, einfach so, weil er es kann. Seine Frau Viktoria (Ursina Lardi) manipuliert & erpresst unterdes als Rechtsanwältin Politiker*innen und Geschäftspartner*innen. Tochter Olivia (Olivia Goschler) ist noch skrupelloser als ihre Eltern, denn sie hat gelernt, dass es für sie als Teil der Geld-Elite keine Konsequenzen gibt, egal, was sie tut. „Keiner stoppt uns“, sagt sie wiederholt im Off. Es klingt anklagend und genauso ist es auch gemeint. „Wir haben ein paar uns bekannten Milliardären das Drehbuch zum Lesen gegeben“, erzählt Daniel Hoesl. „Die haben uns nach der Lektüre allen Ernstes gefragt, wo denn nun die Satire sei. Und auch den Film haben sie gesehen und: Diese Leute lachen über uns.“ * Trailer *
Für die Bewohner von Wiesenwalde bleibt das große Geld ein Traum. Zwar sieht es in Another German Tank Story kurzzeitig so aus, als könne der Reichtum Einzug halten ins Dorf. Hollywood hat das Areal der geschlossenen Fabrik als Drehort für eine große Serie über den Zweiten Weltkrieg auserkoren. Das bringt die Dorfbewohner*innen auf Trab und neue Geschäftsideen. Die Dorfkneipe serviert Pancake-Burger, der Fahrdienst fährt zwar nur Schritttempo, aber immerhin, Komparsen träumen von einer Schauspielkarriere in Amerika. Nur die Bürgermeisterin hadert mit einem Panzer, der vorm Rathaus vergessen wurde. Mit viel Liebe für ihre Figuren zeichnet Jannis Alexander Kiefer (Kollegen) ein tragisch-komisches Dorfporträt mitten im deutschen Nirgendwo. * Trailer *
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klandestinIn ihrem hochaktuellen Immigrationsthriller Klandestin stürzt Angelina Maccarone (Fremde Haut) die konservative Politikerin Mathilda (Barbara Sukowa, letztes Jahr auf dem Filmfest München mit dem CineMerit Award ausgezeichnet) in ein echtes Dilemma. Die knallharte Immigrationsgegnerin wird persönlich mit dem Schicksal des illegalen marokkanischen Einwanderers Malik (Habib Adda) konfrontiert, als ein Freund sie darum bittet, den jungen Mann in ihrer Wohnung zu verstecken. Als Malik nach einem Bombenanschlag ins Fadenkreuz der Terrorermittler gerät, steht die berufliche Existenz der Politikerin auf der Kippe. * Trailer * |
Kinostart: tba |
Milch ins FeuerDie Krise der kleinen Landwirtschaftsbetriebe hat sich Justine Bauer als Thema für ihren beeindruckenden Abschlussfilm an der Kunsthochschule für Medien Köln ausgesucht: Milch ins Feuer. Sie folgt hier drei Generationen starker Frauen unter einem Bauernhof-Dach in Doku-Optik. Gesprochen wird Allemannisch und Hohenlohisch. Alle Rollen sind mit Laiendarstellerinnen besetzt, die Bauer über ein Inserat im Lokalblatt gefunden hat - und die im Film allesamt überzeugen. Für die Hauptrolle der Mutter konnte sie Johanna Wokalek gewinnen. "Ich wusste zwar, dass sie Mundart spricht, habe mich aber zuerst nicht getraut sie anzufragen. Und dann hat sie einfach 'Ja' gesagt", wundert sich die vielversprechende Jungregisseurin immer noch ein wenig. * Trailer * texts: gb/cinesoundz * this page: cinesoundz-08-24 - © pics: Filmfest München / various production companies |
Kinostart: tba |