Schule im Film-Fokus - Eine Klasse für sich: Radical vs. Die Unschuld
Zwei bemerkenswerte Filme mit dem Thema Schule - aus Japan und Mexiko - starten am gleichen Tag im deutschen Kino.
die unschuld (MOnster / kaibutsu)
Wild Bunch / Deutscher Kinostart 21.03.2024Es brennt - und erst im Monsunregen löst sich alles auf. Zum ersten Mal seit rund 30 Jahren verfilmte Hirokazu Kore-eda kein eigenes Drehbuch, sondern eines von Yuji Sakamoto, für sein erzählerisches Labyrinth prompt 2023 in Cannes ausgezeichnet. In episodischer Form wird die Geschichte von Die Unschuld dreimal erzählt: zunächst aus der Sicht der Mutter Saori, dann aus der des Lehrers Hori und schließlich aus der von Schüler Minato. Indizien, aber auch Beweise? Das japanische Filmplakat zu Kaibutsu zeigt neben Hinata Hiiragi & Soya Kurokawa auch die erwachsenen Darsteller*innen Yūko Tanaka, Sakura Andô & Eita Nagayama. Das großartige Ensemble eines subtilen Meisterwerks. |
TIPP!
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Der für den deutschen Markt gewählte Titel deutet die humanistische Fragestellung in Hirokazu Kore-edas in Cannes prämierten Film eher an - das englische Monster wie das japanische Original Kaibutsu wird erst in der letzten Handlungsepisode als Codewort aus dem Innenleben zweier Fünftklässler entschlüsselt. Im übertragenen Sinne wird gefragt, wer das `Monster´ ist - wen die Schuld am Konflikt in einer Grundschule trifft, der aus dem Ruder zu laufen droht. Die alleinerziehende Witwe Saori Mugino (Sakura Ando) lebt mit ihrem kleinen Sohn Minato (Soya Kurokawa) in einer ungenannten japanischen Kleinstadt. Dann brennt ein benachbartes Hochhaus aus, inklusive einer Hostessenbar. Gerüchte machen die Runde und Minato benimmt sich zunehmend seltsam. Der Grund scheint sich im Schulalltag zu verbergen, in dem sein Mitschüler Yori Hoshikawa (Hinata Hiiragi), sein junger Lehrer Mishitoshi Hori (Eita Nagayama) und das Kollegium inklusive der seltsam teilnahmslosen Rektorin Makiko Fushimi (Yūko Tanaka) eine Rolle spielen. Erst schlagen sich Film & Zuschauer auf die Seite der Mutter, deren Sohn offensichtlich körperliche & seelische Blessuren mit nach Hause bringt. Dann erfährt man die Sicht des verdächtigten Lehrers, sowie die der den Verlust eines Enkelkindes kaum verkraftenden Schulleiterin. Und schließlich auch die Perspektive der beiden Schuljungen. Lehrer Hori unter monströsem Verdacht. Erst in einem dem Brand zur Eröffnung gegenüberstehenden tropischen Regensturm klärt sich vieles. Die Macht der Elemente zeigt die Hilflosigkeit der nicht nur beim Rückwärtseinparken überforderten Protagonisten. Doch eine weitere Stärke des vom letzten Klavier-Score des verstorbenen Ryuichi Sakamoto fein untermalten Films ist es, die drohende Katastrophe aufzulösen. |
radical - eine klasse für sich
24 Bilder - Ascot Elite / Deutscher Kinostart 21.03.2024Von seiner eingefahrenen Schul-Umgebung als `radikal´ wahrgenommen, dabei vor allem empathisch & unkonventionell: Lehrer Sergio Juarez. Ob sein Nachname auf das organisierte Verbrechen hindeutet, dass Mexiko in allen Bereichen der Gesellschaft zu erdrosseln droht? Seine neue Klasse hat der optimistische Pädagoge schnell hinter sich, bald auch den desillusionierten Rektor - mit Eltern und den korrupten Bürokraten der zuständigen Behörden wird es schon schwieriger. Sundance Festival Favorite Award für den Ensemblefilm. In weiteren Rollen sind Daniel Haddad, Gilberto Barraza, Jennifer Trejo und Mia Fernandez Solis zu sehen. * Trailer * Film-Website * |
TIPP
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Ein weniger bekanntes der vielen Probleme im gebeutelten Mexiko ist die schulische Situation. Radical - Eine Klasse für sich, nicht umsonst Gewinner des Publikumspreises beim Sundance-Festival 2023, ist die inspirierende Geschichte eines unkonventionell unterrichtenden Lehrers an der Urbina-Lopez Grundschule in der mexikanischen Grenzstadt Matamoros. Sergio Juarez (Eugenio Derbez) versucht, auch ohne Schulcomputer die Kreativität seiner Sechstklässler zu wecken, um ihnen die Freude am Lernen zurückzugeben. Nach allseitiger Skepsis - bei Vorgesetzen, Schulbehörde & Eltern - hat er damit auch Erfolg bei den Kindern. Anhand der sich neben der Versorgung ihrer jüngeren Geschwister hartnäckig durch Philisophiewälzer ackernden Lupe (Mia Fernandez Solis) etwa ahnt man trotz der bedrückenden Realität im Problemviertel, welchen Einfluss gute Erziehung, Bildung & Förderung von Potentialen auf die Zukunft von Kindern haben kann - selbst an der ärmsten Schule des Landes. Eine sich zwischen zwei von Lehrer Juarez´ besonders begabten Schülern anbahnende Romanze endet allerdings tragisch. Beim Versuch, seine Freundin Paloma (Jennifer Trejo) zu beschützen, wird der ehemalige Drogenkurier Nico (Danilo Guardiola) von kaum erwachsenen Mobstern erschossen. Der davon aus der Bahn geworfene Juarez wird erst vom bekehrten Rektor seiner Schule (herausragend: Daniel Haddad) und dem Durchhaltewillen des hochbegabten Mädchens bestärkt, wieder zu unterrichten. Der Film von Regisseur Christopher Zalla spart also, trotz zunächst märchenhaft-naiv anmutender Erzählung die Wurzel der Probleme & Chancenungleichheiten nicht aus: Gewalt, Armut & Korruption. Und schließt nach den ergreifenden Rückschlägen am Ende doch positiv - nicht zuletzt wegen des guten Kinder- & Jugendensembles verlässt man das Kino mit einem Funken Hoffnung. Regisseur Christopher Zalla inszeniert basierend auf wahren Gegebenheiten und dem dem Sachbuch A Radical Way of Unleashing a Generation of Geniuses von Joshua Davis. Eine Klasse für sich also. Nach dem vorgenannten Kaibutsu / Die Unschuld sowie dem deutschen Oscar-Beitrag Das Lehrerzimmer noch ein weiterer empfehlenswerter Film zum gleichen wichtigen Thema. |
© text: sr - cinesoundz - 03-24 / © pics: Wild Bunch / 24 Bilder