#SchwarzeSchafe - Berlin-Episoden - ab 17.07. regulär im Kino
Neues Deutsches Kino beim 42.filmfest münchenAbgedrehte Komödien und stille DramenEinfallsreiche Plots, durchgeknallte Typen und verrückte Regie-Ideen tummeln sich in einigen der deutschen Filmfest-Beiträge. Da rückt Klimaschutz ins Visier eines Berliner Clans, zwei Halbbrüder verhandeln eine Erbschaft auf ganz eigene Art und auch die Kirche bekommt ihr Fett weg – gnadenlos, schrill und augenscheinlich mit jeder Menge Spaß realisiert. Aber auch stille Dramen spielten sich auf der großen Leinwand ab, Menschen auf der Suche nach sich selbst, im Kampf mit Schuldgefühlen, gefangen in Trauer – psychologisch genau beobachtet und dramaturgisch gekonnt umgesetzt. Neues Deutsches Kino `at its best´...
Ein Neuköllner Clan-Chef (Yasin el Harrouk), der den Klimaschutz für sich entdeckt, um seiner Tochter zu imponieren.
Schrullige Typen bzw. zwei ungleiche Brüder spielen auch in der herzerwärmenden Tragikomödie Ganzer Halber Bruder die Hauptrollen. Als Thomas (Christoph Maria Herbst) aus dem Gefängnis entlassen wird, erfährt er, dass er ein 2-Millionen-Haus von seiner ihm bis dato unbekannten Mutter geerbt hat. Das kommt dem wegen betrügerischer Immobiliengeschäfte Verurteilten gerade recht, kann er mit dem Verkauf des Hauses doch finanziell neu durchstarten. Die Sache hat nur einen Haken: Sein Halbbruder Roland (Nicolas Randel), Sunny genannt, hat das Down-Syndrom und lebenslanges Wohnrecht im ANwesen. Thomas nistet sich dennoch ein und benutzt sein gesamtes manipulatives Repertoire, um den ungeliebten Mitbewohner aus dem Haus zu drängen. Doch Sunny erweist sich als überraschend willensstark... Komödien, in denen Menschen mit Behinderung im Mittelpunkt stehen, bewegen sich – trotz Erfolgen wie Rain Man oder Ziemlich beste Freunde – oft auf dünnem Eis. Ohne das nötige Feingefühl kann der Versuch schnell nach hinten losgehen und heftige Kritik nach sich ziehen. Gleichzeitig besteht bei allzu großer politischer Korrektheit die Gefahr, dass der Humor auf der Strecke bleibt. In dieser Hinsicht haben Regisseur Hanno Olderdissen und Drehbuchautor Clemente Fernandez-Gil, der selbst einen Sohn mit Down-Syndrom hat, alles richtig gemacht. Mehr noch, denn es stellt die Frage: Wer ist hier der Mensch mit Beeinträchtigung – Thomas, der weder Familie noch Wohnung, keinen Job, geschweige denn Geld hat. Oder Sunny, der Freunde hat und mit Gewichtheben ein Hobby, das ihm Spaß macht?
„Herzlich willkommen in der Zweigstelle Süddeutschland III / 2“, werden Resi (Sarah Mahita) und ihre Clique in der Jenseits-Behörde begrüßt, nachdem sie auf einer Fahrt in die Alpen tödlich verunfallt sind. Dort kümmert man sich um die Weiterleitung ihrer Seelen an die passende Fachabteilung – was die Damen vom Amt (Luise Kinseher & Johanna Bittenbinder) angesichts moderner Glaubenspraktiken wie Agnostizismus, Buddhismus irgendwie (oder vielleicht doch eher Nihilismus) schier zur Verzweiflung treibt. Elysium, Fegefeuer, Wiedergeburt oder das große Nichts – alles scheint möglich. Als klar wird, dass der Gruppe jegliche Überzeugung fehlt, stellt sich die Frage: Was zum Teufel passiert mit jemandem, der zu Lebzeiten an nichts geglaubt hat? Wer stirbt, landet in Zweigstelle nicht vor dem Jüngsten Gericht, sondern in einem typisch deutschen Verwaltungsapparat – inklusive Aktenschränken, Faxgeräten, von flackernden Leuchtstoffröhren beleuchteten Gängen und der passenden Farbpalette in Fahlgelb und Mintgrün. Mit scharfem Blick für absurde Details nimmt Regisseur Julius Grimm in seinem Kinodebüt die deutsche Bürokratie aufs Korn - in Verbindung mit einer bestechend einfachen Idee: Das Danach ergibt sich aus dem Davor. In dem Behörden-Szenario bedeutet das: Wer zeitlebens ohne Weltanschauung bleibt, wird im Jenseits nur verwaltet. Obacht! Preisträger National Audience Award - Screening am Sonntag 06.07.!
Pater Iversen (Jens Albinus) will seine dörfliche Pfarrgemeinde vor der Schließung aufgrund von Mitgliedermangel retten und er hat auch schon eine Idee wie: Mit einer spektakulären Aufführung der Passionsgeschichte will er den theaterbegeisterten Erzbischof vom Erhalt der Gemeinde überzeugen. Um die finanziellen Mittel für das Vorhaben aufzutreiben, überredet er Sterbende im Hospiz, dass sich das Jenseits nach einer großzügigen Spende an die Kirche womöglich milder gestalte. Als Metzgerin Mia (Homa Faghiri) erfährt, dass ihre Mutter ihr Erbe der Kirche vermacht hat, setzt sie alles daran, die Aufführung zu sabotieren. Dazu suggeriert sie dem mit der Inszenierung beauftragten Regisseur Roberto (Pit Bukowski) er könne sich mit einer provokanten Aufführung in der Theaterwelt einen Namen machen. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Mit dem Thema Trauer in verschiedenen Variationen beschäftigten sich dieses Jahr gleich mehrere Deutsche Filme – absolut sehenswert und auch hoffentlich bald allesamt regulär im Kino.
Um verdrängte Trauer geht es in Miroirs No. 3 von Christian Petzold: Die junge Klavierstudentin Laura (Paula Beer) findet nach einem tragischen Unfall Obdach bei einer scheinbar normalen Familie im Berliner Umland. Dort genießt sie die mütterliche Fürsorge Bettys (Barbara Auer), die Arbeit im Garten, die Besuche in der Werkstatt von Bettys Ehemann Richard (Matthias Brandt) und ihrem Sohn Max (Enno Trebs). Die immer ein wenig schwermütig wirkende Laura bezeichnet ihren Aufenthalt als Therapie – fragt sich nur für wen. Denn da liegt tiefer Schmerz in der lauen Sommerluft, der alle vier miteinander verbindet und stets unausgesprochen bleibt. Trotz der drückenden Atmosphäre schafft es Petzold, seiner Wahlfamilien-Utopie einen gewissen Zauber und feinen Humor in den zwischenmenschlichen Beziehungen mitzugeben – auf subtile Weise wunderschön.
Wenn die Trauer zum Familiengeheimnis wird, hat das in Missing*Link von Michael Baumann ungeahnte Auswirkungen. Mia (Luca Brüggemann) verbringt mit ihren seit Jahren getrennten Eltern und deren Anhang die Ferien in einer Hüttensiedlung unweit eines Sees im Schwarzwald. Während die Erwachsenen um Leichtigkeit bemüht sind, flüchtet Mia immer öfter in den Wald, wo sie auf einen geheimnisvollen Jungen (Lennox Halm) trifft. Obwohl er kein Wort spricht, fühlt sie sich auf unerklärliche Weise zu ihm hingezogen. Sie durchstreift mit ihm das Gelände, probiert unbekannte Beeren und klettert in sein Baumhaus, hoch über dem Wasser des Sees. Als Mia am Morgen ihres 14. Geburtstags verschwindet, steht das komplizierte Familiengefüge Kopf.
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Last but not Least: Die Weltpremiere der Netflix-Produktion Brick im Spotlight-Programm des Filmfests bewies, dass Deutschland auch solides Genre-Kino liefern kann. In dem Mystery-Thriller stehen die Bewohner eines Hamburger Mietshauses plötzlich vor einer scheinbar ausweglosen Situation: Eine schwarze, undurchdringliche Wand hat das Haus über Nacht umschlossen und trennt sie von der Außenwelt. Regisseur Philip Koch versammelte mit Matthias Schweighöfer, Ruby O. Fee und Frederick Lau ein populäres Ensemble vor der Kamera. Während des Q&A nach der Premiere in der Astor Film Lounge erklärte er Brick als Sinnbild der gesellschaftlichen Abschottung und sagte: „Ich wäre dafür, mehr Mauern einzureißen, als wir sie in unserer heutigen Zeit aufbauen.“ Schweighöfer nutzte die Gelegenheit für ein leidenschaftliches Plädoyer für Genrefilme: „Macht so viel Genre wie ihr nur könnt!“ ♦ Trailer ♦
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