Reviews 9-11 Jazz

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     Terri Lyne Carrington - Mosaic
     
      Concord / In-Akustik
     
     

    Ein Projekt-Mosaik aus hundert Prozent "Female Jazz"-Einzelteilen wird angekündigt (und dann doch nicht ganz durchgehalten: Als Songliefernaten werden Irving Berlin, Al Green und Paul McCartney genauso zugelassen, wie jede Menge männliche Untersützung im technischen Bereich (Aufnahme, Mix, Co-Produktion etc). Anyway - Schlagzeugerin, Produzentin & Sängerin Terri Lyne Carington feiert hier die weibliche Kreativität und setzt mit ihren Musikerinnen ein Zeichen. Carrington würde mit ihrem Projekt wohl weniger Aufsehen erregen, wenn gerade der instrumentale Bereich des Jazz nicht immer noch eine veritable Männer-Domäne wäre. Es sind daher weniger die -neben Carrington selbst- höchst prominenten Gesangsparts (Dianne Reeves, Dee Dee Bridgewater, Cassandra Wilson, Esperanza Spalding und Nona Hendryx), die dieses Album außergewöhnlich machen - mit einem Spoken-Word-Part ist zudem Angela Davis zu hören, die farbige US-Politaktivistin, die zwei Jahre eingekerkert war und hier die Zustände in Amerikas Gefängnissen beklagt. Vor allem bemerkenswert sind in diesem Kontext aber die Beiträge der Instrumental-Fachfrauen wie Helen Sung, Patrice Rushen und Geri Allen (p, keyb), Tineke Postma und Anat Cohen (sax, bcl), Ingrid Jensen (tr, flh), Sheila E. (perc), Mimi Jones ()b) und Linda Taylor (git). www.terrilynecarrington.com/mosaic/ Play Tracks 2, 3, 7, 8
     
    TIPP

     
     
     Blue Note Trip Maestro
     
     Various Artists - Blue Note / EMI  
     

    "...it took just a little deeper dive in the vaults of this great label to bring you this new Blue Note Trip...", schreibt Kompilator Maestro im Booklet - schließlich sind selbst bei einem Vorzeige-Jazz-Label wie Blue Note die Archive nicht endlos, was Klassiker & tanzbare Titel betrifft. Die im Jahre 2003 vom niederländischen DJ gestartete „Blue Note Trip“-Serie geht derweil mit "Heat up & Simmer Down" zum bereits neunten Mal an den Start. Die Mischung aus alten Originalen und zuweilen sachte gemischten Titeln neueren Datums, u..a. von Cannonball Adderley, Lonnie Smith, Bobby Womack, Brisa Roché, Donald Byrd, Dianne Reeves sowie Bobby McFerrin, Amos Lee, Ella Fitzgerald oder Cassandra Wilson trägt sich mal wieder.
    2 Cds mit 37 Stücken, die bei dieser Reihe stets populäre Doppel-LP gibt es vorerst wohl nur als Import. www.digthis.nl www.bluenote.com/
     
    VINYL-TIPP

     
     
     Nicola Conte - Love & Revolution
     
     Decca / Universal  
     

    Nicola Conte ist eine Art Dauergast an dieser Stelle - bei seinem aktuellen Studioalbum, das erst vor kurzem in der Redaktion eintrudelte und nebenbei die Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag des legendären Jazzlabels Impulse! 2011 einleiten soll, treffen acht Eigenkompositionen des italienischen Dancefloor-Jazz-Produzenten & Bandleaders auf sieben Cover von Kompositionen von Conte-Vorbildern wie Carl Clay, Jackie McLean, Cal Massey, Max Roach, und Mal Waldron, aber auch von Simon & Garfunkel ("Scarborough Fair"). Melanie Charles und Nailah Porter teilen die meisten weiblichen Vokalparts unter sich auf (Alice Ricciardi darf auch mal). Als Gastsolisten schauen u.a. die Trompeter Till Brönner und Fabrizio Bosso oder die Saxophonisten Timo Lassy, Tim Warfield und der Arrangeur des Albums, Magnus Lindgren (bei Nils Landgren in der Band) vorbei. Garniert wird das Ganze "durch ein 24-seitiges Booklet in stilvollem Artwork, in dem es sämtliche Songtexte zum Mitlesen gibt" - nur Rezensenten gucken diesbezüglich in die Röhre.
     


     
     
     The Five Corners Quintet - The Helsinki Sessions
     
     Ricky-Tick / Groove Attack  
     

    Ausnahmsweise sei an dieser Stelle auf ein Livelbum hingewiesen. Das finnische Five Corners Quintet, ursprünglich als Producer/DJ-Projekt von Tuomas Kallio gestartet, hat sich in den letzten Jahren auf seinen Konzerten einen exzellenten Ruf erspielt. Ihr letztjähriges Heimspiel "The Helsinki Sessions" unterstreicht dies recht eindrucksvoll. Die sieben ausgewählten Stücke (vier davon mehr als 10 Minuten lang) umspannen dabei die gesamte Karriere des erfolgreichsten finnischen Jazz-Exports. Bei aller Improvisationsfreude vergisst das Ensemble den Groove nicht und kommt stets rechtzeitig wieder auf den Punkt. Ein Vorgeschmack aufs das für November angekündigte neue Studioalbum (watch this space...).
    www.thefivecornersquintet.com/
     

     
     
     Andy Emler - Pause
     
     Naive Classique / Indigo
     
     

    Der französische Jazz-Pianist & Komponist Andy Emler spielte in seiner mehr als 20-jährigen Karriere bereits mit Joachim Kühn, Trilok Gurtu oder Larry Coryell. Regelmäßig kann man ihn mit seinem Trio sowie seiner Formation MegaOctet live erleben. Für "Pause" widmet sich Emler wieder einem anderen Projekt: in der 30 km nördlich von Paris gelegenen Abtei Royaumont (ehemaliges Kloster und jetzige private Kulturstiftung) spielte er eigene Kompositionen auf der dortigen Cavaillé-Coll(bedeutendster Orgelbauer des 19. Jahrhunderts)-Orgel ein, deren mehrjährige Restauration erst kürzlich abgeschlössen werden konnte. Auf Emlers von der Orgel dominierten Stücken, die sich einer freien Jazz-form annähern, wirken langjährige Weggefährten mit, wie Claude Tchamitchian (kb), Eric Echampard (dr), Laurent Blondiau (trp) und Laurent Dehors (bcl). www.andyemler.eu/
     


     
     
     Nils Wogram / Nostalgia - Sturm Und Drang
     
     Various Artists - nWog - JaKla / Harmonia Mundi
     
     

    Der 38-jährige Posaunist, Komponist und Produzent Nils Wogram hat seit seinem Debüt mit „New York Conversations“ im Jahr 1994 bereits zwei Dutzend Alben herausgebracht. Das ihn auf dem aktuellen, programmatisch "Sturm Und Drang" betitelten Werk flankierende Trio Nostalgia ist dabei nur eines von derzeit vier Ensembles, denen er vorsteht (u.a. Root 70). Daneben spielt er auch als Gast, wie bei Daniel Schläppi, oder Anke Helfrich. Acht der zehn stürmenden, drängenden Stücke hat er selbst komponiert und versucht (im Jazz-Kontext) sowohl Tanzboden als auch Chill-Out-Area zu bedienen. Neben Wograms Posaune wird auch der Hammondorgel von Florian Ross einiger Raum gegeben. Wogram hat sich für das Cover zwar wie auf Carl Spitzwegs klassischem Gemälde als „Armer Poet“ ablichten lassen, was aber eher als Koketterie durchgeht. Geldmangel dürfte es bei dem umtriebigen Bläser kaum geben. www.nilswogram.com/
    Von MItte September bis Mitte Oktober auf Tour in Deutschland.
     
    LIVE-TIPP

     
     
     Jazzindeed w/ Michael Schiefel - Ostkreuz
     
     A-Jazz / NRW  
     

    Eine Berlin-Platte. Davon kündet schon das charmante Cover von "Ostkreuz". Der Verkehrsknotenpunkt im Friedrichshain war aus (früherer) Westberliner Sicht tiefster "total wilder" Osten, auch für Jazzindeed-Frontmann Michael Schiefel, als er (nach dem Mauerfall) in Berlin ankam. 1992 fand sich Jazzindeed zusammen und widmet nun - quasi volljährig - ihrer Heimatstadt ein Konzeptalbum - mit Coverversionen von David Bowie´s in der Stadt geschriebenem Klassiker "Heroes" oder Fischer Z´s 81er Hit "Berlin". Zum von Michael Schiefels eigenwillig angeschrägten, androgynem Timbre geprägten Berliner Songbook kommen noch Eigenkompositionen der drei Bandmitglieder Jan von Klewitz (sax), Rainer Winch (dr) und Paul Kleber (b) - nur Pianist Bene Aperdannier hält sich hier vornehm zurück. Und eine Element of Crime-Nummer gibt´s auch noch: "Die letzte U-Bahn geht später".
    Play Tracks 1,3, 4. www.nrw-jazz.de
     
    BERLIN-TIPP

     
     
     Celine Rudolph - Salvador
     
     Verve / Universal
     
     

    "Eine kleine Weise kenne ich von Salvador..." Echo-Preisträgerin Celine Rudolph versucht sich an 11 Tracks des vornehmlich in Frankreich seit Generationen populären Chansonniers Henri Salvador (1917-2008) - mit deutschen Texten (eine französische Fassung soll es allerdings auch noch geben). Salvadors von den 50ern bis ins hohe Alter reichende Karriere bietet natürlich eine ausreichende Anzahl an Vorlagen, insbesondere, da Salvador für einen starken Bezug zum brasilianischen Bossa Nova steht und sogar für seine Verdienste um die brasilianische Kultur gewürdigt wurde. Céline Rudolph, deren zweite Heimat erklärtermaßen ebenfalls Brasilien ist, möchte diese Verbindung neu aufleben lassen - das Album wurde mit brasilianischen Musikern wie Bassist & Produzent Rodolfo Stroeter eingespielt. Ob die von Salvador beschworene Atmosphäre der Sehnsucht und des tropischen Zaubers sich auch in diese deutschen Versionen gerettet hat? Vermutlich Geschmackssache.
     


     
     
     Previous Issue: 6/7 - 2011 © cinesoundz 2011
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