REVIEWS CROSSOVER 11-20 * Digitale Poesie 18.11.20

 


 

crossover 11 20 roger brian eno

 Max Richter - Voices

Decca / Universal
 

crossover 11 20 maxRichterVoices

Stimmen als Protest - Max Richter inszeniert d. Declaration of Human Rights www.maxrichtermusic.com

Auf der zweiten CD befindet sich noch einmal die gleiche Musik für Voices, nur ohne die gelesenen Passagen.


Max Richter @ Cinesoundz:

* The Blue Notebooks * Out of the Darkroom - Compilation * Infra *

* Mary Queen of Scots, Werk ohne Autor u.a. Soundtracks * Taboo OST *

* Three Worlds - Music from Woolf Works * The Four Seasons Recomposed *

* from SLEEPWaltz with Bashir OST * Ad Astra OST *

* Voyager - Compilation / My Brilliant Friend OST *




 TIPP
 

"All human beings are born free and equal in dignity and rights." Soweit die in der UN-Erklärung der Menschenrechte von 1948 festgehaltene Theorie. Die humanistischen Gedanken dahinter haben Max Richter zu dem knapp einstündigen, in 10 Stücke aufgeteilten Werk Voices inspiriert. Als Komponist von Filmmusik sowie konzeptionellen Werken zwischen Kammermusik, Ambient & Elektronik erfolgreich und zudem mit der musikalischen Inszenierung literarischer Vorlagen (z.B. Franz Kafka, Haruki Murakami, Virginia Woolf) vertraut, lud Richter diesmal weltweit ein, ihm Lesungen der Menschenrechte in den verschiedensten Sprachen zu senden. Im zentralen Opener All Human Beings ist zuerst die Stimme der Deklarations-Initiatorin, Ex-First Lady & Menschenrechtsaktivistin Eleanor Roosevelt zu hören, dann die von US- Schauspielerin KiKi Layne (If Beale Street Could Talk) und in der Folge die 30 weiterer Menschen, gelegt über die von Chören flankierte, getragene, sehnsüchtige Violine von Mari Samuelsen. Obwohl über einen Zeitraum von zehn Jahren entwickelt, gewinnt Richters hoffnungsvolles Manifest gerade in der durch die Pandemie ausgelösten gesellschaftlichen Krise noch an Relevanz. Der Künstler: "Mir gefällt die Vorstellung von einem Musikstück als Ort des Nachdenkens, und es ist offensichtlich, dass wir im Moment alle nachdenken müssen."

Roger Eno and Brian Eno - mixing colours

Opal Music - Deutsche Grammophon / Universal

Über 15 Jahre standen die Brüder Roger und Brian Eno im künstlerischen Dialog, bis sich eine Albumstruktur herauskristallisierte. Nun enthält Mixing Colours, der erste gemeinsame Longplayer als Duo, 18 im Titel auf Farben bezogene Stücke. Meist zunächst von Roger auf einem MIDI-Keyboard eingespielt und dann digital an den älteren, hier als Produzenten fungierenden Bruder weitergeleitet, der in verschiedener Form überarbeitete und instrumentierte. Ob die zugänglichen Klänge der Ambientmeister zu `gebrannter Umbra´, `Grünspan´ `Rosenquarz´ oder `Ultramarin´ etwa, die auch mal an Satie, Angelo Badalamenti oder Francis Lai erinnern, abstrakte Farbassoziationen wecken oder solche wie die das Digipack verschönernden Gemälde von Dom Theobald - sie passen in den besonderen Herbst 2020. Brian Eno erarbeitete mit  Software Designer Peter Chilvers zudem vier begleitende Videos (zu CelesteSand, Ultramarine and Blonde). Damit nicht genug, mit Luminous sind bereits sieben weitere gemeinsame Eno-Tracks veröffentlicht, außerdem stellen die Brüder an sie gesendete Lockdown-Videos verschiedener Kollaborateure zu einem Mixing Colours-Langfilm zusammen. * www.mixing-colours.com *

 TIPP
 

crossover 11 20 roger brian eno

Zwei Klangmaler am Werk. Mixing Colours gibt es auch als Vinyl-Fassung.

* https://brian-eno.net *

* www.rogereno.co.uk *

Tony banks - 5

Anthony Banks Ltd / Naxos

Tony Banks, bekanntermaßen Gründungsmitglied & Keyboarder von Genesis, hat nach seinen vor allem in den 80ern verfolgten Solo- und Filmmusik-Ambitionen (u.a. The Wicked Lady), in den letzten Jahren viel für Orchester komponiert. Nach den zuvor ebenfalls bei Naxos erschienen Werken Seven und Six geht der "King Of Chords" Banks den konzeptionellen Weg mit der 2017 vom gut gebuchten Czech National Symphony Orchestra unter Nick Ingman in Prag eingespielten Suite Five weiter. Die fünf Sätze: Das 15-minütige Prelude To A Million Years basiert auf einem 2013 vom Cheltenham Music Festival kommissionierten Stück, das folgende Reveille gibt mit seinen jubilierenden Wiederholungen ebenso wie die nach sechs Minuten förmlich explodierende Autumn Sonata Solo-Kornettist John Barclay Gelegenheit, sich hervorzutun. Dazwischen Ebb And Flow, Moldau-verwandt strudelnde Programm-Musik - im abschließenden spätromantisch anmutenden Renaissance kommen Chöre und ein von Saxophonist Martin Robertson gespieltes armenisches Duduk zum Einsatz.

  
 

crossover 11 20 tony banks 5

5, Tony Banks´ Nummer drei bei Naxos...

www.tonybanksmusic.co.uk

Martin Kohlstedt - FLUR

Warner Classics

Ein stiller Raum, voller Möglichkeiten: Die Dachgeschosswohnung von Martin Kohlstedt, der bislang eher bekannt für den Einsatz von Elektronik und Chören in seinen Kompositionen. Nun versucht sich der Improvisation groß schreibende Weimarer Modular-Komponist mit FLUR in klanglicher Reduktion, im Zentrum Kohlstedts 1915 Julius Blüthner Grand Piano. Teils präpariert (die Rede ist nur von einem gelegentlichen über die Saiten gelegten Schal), versetzt mit field work: Vogelgezwitscher, Windgeräuschen, Gewitterregen. Doch durch die mit kryptischen Kombinationen aus drei Buchstaben benannten zehn Klavierstücke zieht sich zusätzlich ein seltsam stapfender Soundeffekt, der bei einem Track vielleicht noch als Experiment innerhalb des erklärten Vorhabens durchgegangen wäre, "dem tausendfach erprobten Konzept des Klavieralbums Dimensionen hinzuzufügen". Auf Albumlänge entzieht das penetrant-perkussiv eingesetzte Geräusch zumindest dem Rezensenten erst die Konzentration beim Hören und im weiteren Verlauf auch das Interesse an weiterer Beschäftigung mit Kohlstedts Raumkonzept und Pianospiel.

www.martinkohlstedt.com

crossover 11 20 kohlstedt

Raum ohne Zeit: Ein großformatiges Gemälde des Leipziger Malers David Schnell wählte Kohlstedt als Cover aus - es trägt den Titel Lichtung.

 Jóhann Jóhannsson - Retrospective I + II

Deutsche Grammophon / Universal

Retrospective I & II, die zweiteilige limierte Hardcover-Buch-Edition, mit der die Deutsche Grammophon den 2018 überraschend verstorbenen isländischen Komponisten Jóhann Jóhannsson heuer würdigt, sprengt den hier zur Verfügung stehenden Raum bei weitem. Enthält sie doch auf insgesamt sieben (!) CDs des ersten Teils Jóhannssons frühere Werke (Virðulegu Forsetar, Dís, And In The Endless Pause There Came The Sound Of Bees, The Miner´s Hymns, Copenhagen Dreams, Free the Mind & White Black Boy) sowie auf weiteren acht (!) CDs neben Sinfonik auch minimalische, Ambient- und elektronische Musik aus den vielfach preisgekrönten Filmmusiken und erfolgreichen Studio-Alben des mehrfach preisgekrönten Tonsetzers, inklusive bisher unveröffentlichter Tracks: Zunächst Denis Villeneuves Filme  Sicario (2015) & Arrival (2016), James Marshs The Theory of Everything (2014) & The Mercy (2018) sowie die Studio-Alben Orphée (2016) & Englabörn (2002), des weiteren Variations (2018) mit Bearbeitungen von Ryuichi Sakamoto, A Winged Victory for the Sullen oder Hildur Guðnadóttir - und schließlich 12 Conversations with Thilo Heinzmann (2019), posthum vollendet und gespielt von Mitgliedern des Echo Collective. Als Bonus beigelegt ist außerdem eine DVD mit dem Konzert aus dem Berliner Funkhaus von 2016. In den aufwändigen Booklets zahlreiche Fotografien und vier Essays. Das ultimative Jóhannsson-Package für Hardcore-Fans und Komplettisten.

 

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https://johannjohannsson.com

SWR Vokalensemble - Japan

SWR Classic / Naxos


Das regelmäßig preisgekrönte SWR Vokalensemble Stuttgart unter seinem langjährigen künstlerischen Leiter, dem Briten Marcus Creed widmet sich auf dem vorliegenden Album ausschließlich der Chormusik japanischer Komponisten: Toshio Hosokawa, Toru Takemitsu (als Einziger hier gleich dreimal vertreten), Michio Mamiya und Jo Kondo. Auch auf musikalischem Gebiet versuchte Japan sich nach jahrhundertelanger Abschottung in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu modernisieren und der Welt zu öffnen, um einen empfundenen Rückstand gegenüber dem Westen aufzuholen. Das abendländische Musiksystem wurde mit Macht in die japanische Kultur integriert, bei der Musikerziehung setzte man nun vor allem auf den Gesang, Chorwettbewerbe etablierten sich und das Repertoire an neuer Musik wuchs entsprechend an. Die hier getroffene Auswahl umfasst sämtlichst nach 1950 entstandene Chorwerke mit individuellem Charakter, die gleichwohl traditionelle japanische Elemente aufgreifen. Ausführliches, dreisprachiges Booklet mit Linernotes & vielen Liedtexten (deutsch, englisch, japanisch)www.swr.de/swrclassic/vokalensemble/index.html 


 

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Japan - Toru Takemitsu & Co, vielstimmig gewürdigt.

© cinesoundz 2020