REVIEWS ELECTRO 10/11-2017
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Maya Jane Coles - Take Flight
I am me - BMG Rights Management - Skint / Warner
Vier Jahre nach Comfort kommt das zweite Studio-Album der jungen, ganz unabhängig gestarteten Londoner Produzentin Maya Jane Coles zwar auf eigenem Label heraus, aber doch in Major-Strukturen eingebettet. Nun, da der zeitweilig überbordende Hype um ihre Person etwas nachgelassen hat, und sich auch kritische Stimmen aus der Deckung wagen, verteilt die Künstlerin, die auch das nach Psychoanalyse schreiende Artwork gestaltet hat, gleich 24 Tracks auf zwei CDs. In einer solchen Fülle sich im Spektrum von Indie- & Electro-Pop, Trip Hop und Tech-House bewegender Titel (darunter kaum Instrumentals) den roten Faden zu finden, fällt schwer. Auch Längen laufen da auf, nicht alles fesselt - die Option, zunächst ein geschlosseneres Einfach-Album zu veröffentlichen, wollte MJC aber offensichtlich nicht verfolgen. Coles japanische Wurzeln schlagen sich in ihrer Musik nur selten hörbar in exotischen Klängen nieder, dennoch finden sich im fast zweistündigen Programm des Take Flight-Doppelpacks interessantes Sounddesign und einige Tracks, die über dem Genre-Durchschnitt liegen, etwa die Kollaboration mit Wendy Rae Fowler. MJColes spielt ab 20. Oktober vereinzelte Live-Dates, doch sind bisher keine Termine im deutschsprachigen Raum dabei. |
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Play Tracks I 1-4, 10-12 - II 1,2,6,9. http://mayajanecoles.com |
Egopusher - Blood red
Pusher Records - Irascible / Cargo
Blood Red ist das Debütalbum des Schweizer Electronica-Duos Egopusher. Alessandro Giannelli und Tobias Preisig haben das Werk über vier Jahre hinweg vorbereitet (dokumentiert über ein Soundcloud-Audio-Tagebuch) und sammelten zuvor u.a. Erfahrungen als Sessionmusiker beim Bandprojekt Out Of Chaos von Dieter Meier (Yello). Violine, Drums und analoge Synthies sind die Haupt-Bausteine ihrer meist getragenen Musik, einem imaginären Soundtrack mit Berührungspunkten zu Kammermusik, Neoklassik und französischer oder italienischer Electronica. Die blutrote Cover-Collage stammt übrigens vom Schweizer Künstler Nuél Schoch. Nach ihrem Auftritt beim Reeperbahn Festival sind Egopusher bis Jahresende noch viermal in der Schweiz live zu erleben, ab dem 19.10. in Luzern, Zürich, Genf... Check out www.egopusher.com |
LIVE
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Purple Disco Machine - Soulmatic
Columbia / Sony
Soulmatic in the house - keine Compilation, sondern das Major-Debüt eines gefragten Disco-House-Acts. Als Purple Disco Machine agiert der aus Dresden stammende DJ-Producer & Remixer Tino Piontek mit wechselnden Gast-Vokalisten, etwa Joe Killington & Duane Harden (u.a. Armand Van Helden) bei Devil in Me (Track 5). Mittlerweile wird Piontek, auf dessen Konto schon Remixe von Gorillaz, Jamiroquai, Claptone, Faithless oder New Order gehen, selbst von Größen wie Fatboy Slim geremixt, der sich des aktuellen Hits angenommen hat. 80´s- Disco im allgemeinen und Produzentenlegende Arthur Baker (Tommy Boy, Streetwise) im Besonderen lassen verschiedentlich grüßen, nicht umsonst ist Play (Track 6) maßgeblich auf Bakers 1982er Planet Patrol-Smash Play at your own Risk aufgebaut. Body Funk (Track 2) reüssierte bereits bei BBC Radio One. Weitere Tracks mit einprägsamen (aber nie platten) Refrains und Potential: das von Karen Harding gesungene Love for Days (Track 3), Pray For Me mit CeeLo Green (Track 4), das softe Take it Easy feat. Crush Club (Track 7), Mistress feat Hannah Williams, Let The Music Play (mit Faithless) & Encore (Track 13). Wirklich ein Hit-Album. Nach vier Gigs beim Amsterdam Dance Event am 18. & 20.10. und der Release-Party am 09.11. in Berlin geht PDM mit Jamiroquai auf Europatour - darunter drei Termine in Deutschland : 07.11. Düsseldorf, 13.11. Berlin, 16.11. in der Münchner Olympiahalle. |
TIPP & LIVE-TIPP
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tricky - Ununiform
False Idols / !K7
Ununiform ist das erste Album, das der seit dem Label-namensgebenden False Idols und dessen Nachfolger Adrian Thaws wiedererstarkte Tricky von der neuen Wirkungsstätte Berlin aus launcht. Auch vier in Moskau, des Meisters neuer Lieblings-Metropole, aufgenommene Stücke sind hier enthalten: Kollaborationen mit dort ansässigen Rappern und Produzenten wie Scriptonite, Vasilly Vakulenko oder Smoky Mo. Zu den ebenfalls neuen Stimmen von Terra Lopez (Rituals of Mine), Mina Rosa und Avalon Lurks gesellen sich einige alte Bekannte aus früheren Tagen: Francesca Belmonte, Asia Argento (das mit ihr intonierte Wait for Signal ist unser Anspieltipp) oder Martina Topley-Bird. Im bewährten Trademark-Sprechgesang arbeitet sich der Bristol-Export durch die treffsicher arrangierte Vielfalt thematisch zurück zu seinen Wurzeln, seiner Familie und beschäftigt sich gar mit dem Tod (auf dem abschließenden When We Die), wozu auch das tiefdunkel ausgefallene Artwork zu passen scheint. Zu Selbstzitaten befragt, meinte Mr. Thaws im Vorfeld: “Ich muss nichts mehr beweisen." Dafür ist mit Ununiform bereits das dritte Album nacheinander allerdings bemerkenswert gut gelungen. |
TIPP & LIVE
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Several Definitions - Reborn After the Road
Stil Vor Talent / Rough Trade
Erneut die Schweiz. Von dort stammt auch Jeremy Vieira, der Mann hinter dem Moniker Several Definitions. Dessen Debutalbum, mit dem der Bursche vom Cover stolz wie Bolle abmarschiert (Artwork: Peter Feiler), ist dieser Tage im Hause Koletzki, bei Stil vor Talent erschienen. Vorausgegangen waren EPs auf jüngeren Labels wie Knee Deep in Sound oder Selador. Auf Reborn After the Road wird "Berliner Stil" gepflegt, mit melodischen Vocals ausgekleideter Techno, in dem auch mal von den Riesenschultern gerutschte breitflächige Synthie-Sequenzen früher Ahnen wie Jean Michel Jarre oder Tangerine Dream gedeihen. Zwei weibliche Gäste am Mikro, die spanische Sängerin Goldsun und Kollegin LaMeduza, sorgen für Abwechslung - und unsere Anspieltipps: Trust & Learn to Feel (Tracks 4/16 & 6/17). Zwei Nummern mehr in dieser Liga und wir hätten einen ausgewachsenen TIPP... |
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Kölsch - 1989
Kompakt / Rough Trade
1977, 1983... und nochmal sechs Jahre weiter. Der dänische DJ-Producer Rune Reilly Kölsch dreht die innere Uhr weiter und schließt mit einem in leuchtendes Orange gewandeten 1989 seine Jahreszahlen-Trilogie bei Kompakt ab. Vom Geburtsjahr über die Kindheitserinnerungen der Frühachtziger bis zur jetzt vorgelegten Adoleszenz verbindet RRK in seiner Techno-Klangwelt schlüssig Melodie, Emotion und autobiographische Elemente auf eine Weise, mit der offensichtlich auch seine Hörerschaft etwas anfangen kann. 1989, das sind Streicherflächen, Beats und die poppige Vocal-Nummer In Bottles. "Eine große unordentliche Zeit in meinem Leben" wird in Electrosounds umgesetzt. Kölsch wuchs in Christiania, der anarchischen Hippie-Kommune von Kopenhagen auf, verbrachte aber auch bei seinen Großeltern einige Sommer in Deutschland. Später reiste er sechs Jahre durch Europa - mittlerweile tourt er neben Ibiza auch durch Südamerika und Australien. |
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Moullinex - Hypersex
Discotexas / Indigo
"Work your sh... out." Nein, hier singt nicht der wiederauferstandene Prince. Fritz Helder (Azari & III) legt sich hier als Gastsänger für den portugiesischen Produzenten Luis Clara Gomes aka Moullinex ins Zeug. Letzterer bildet in seiner Heimat die Speerspitze des Disco-Revivals, mit Remixen für Røyksopp, Cut Copy oder Two Door Cinema Club sowie den beiden eigenen Alben Flora (von 2012) und Elsewhere (von 2015) auf der Habenseite. Auf Hypersexy lässt Gomes die Vocoder von der Leine und die Bässe pumpen. Obwohl der Mann auch selbst singen kann, sind hier neben Helder des weiteren Georgia Anne Muldrow (u.a. Flying Lotus), Iwona Skwarek (Rebeka), Best Youth, Da Chick, UhAhUh, Tee Flowers oder Neo-Soul-Lady Marta Ren aus Porto am Mikro zugange. Eighties, Tropicalia-Spurenelemente und funky Beats in the house. www.moullinex.com |
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Melanie de Biasio - Lilies
PIAS - Le Label / Rough Trade
Auch Melanie de Biasios neues Album ist mittlerweile in der Redaktion eingetroffen. Zuächst einmal ist Lilies brillant verpackt, in ein leicht überformatiges, stabiles Cardboard incl. 4c-Hochglanz-Booklet, außen grau, innen knallrot - ebenso wie das Cover designt von de Biasio selbst & Co-Produzent Pascal Paulus. Die belgische Jazz-Electro-Grenzgängerin überlässt auf diesem intimen Werk nichts dem Zufall, jedes Fingerschnipsen, jedes Hauchen, jeder Akzent ihres mitunter leicht verschlafen wirkenden Gesanges, jeder Background-Chor, jeder Piano-Tupfer scheint minutiös vorgeplant. Ohne dass all das steril klingen würde. Im letzten Track And My Heart Goes on klingt de Biasio gar nach Laurie Anderson. Cinesoundz No Deal Remixed-Rezension Im November stehen drei Live-Auftritte in Deutschland ins Haus: Aus Zürich (09.11.) kommend am 11.11. in der Münchner St. Matthäus Kirche, ferner am 13.11. in Berlin, am 14.11. in Köln sowie am 17.11. beim Überjazz-Festival in Hamburg. |
LIVE-TIPP |
Oscar and the Wolf - Infinity
PIAS / Rough Trade
Oscar and the Wolfs neues Album Infinity liegt der Redaktion leider noch nicht vor. Watch this space.
Ab Ende November stehen zwei Auftritte in Deutschland an: am 30. in der Kölner Kantine sowie am 01.12. im Berliner Heimathafen. |
LIVE
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DJ Vadim & Blackstone - Double Sided
Bbe / Indigo
Da haben sich zwei gefunden. Nach ihrem Gastauftritt auf Vadims Dubcatcher Album - 2016 mit Dubcatcher II fortgesetzt - wurde die Zusammenarbeit des russischen DJ-Producers (nicht zu verwechseln mit Eurodance-Landsmann DJ Vadim Adamov) mit der kalifornischen Sängerin & Songwriterin Katrina Blackstone stetig enger. Man tourt mittlerweile seit einigen Jahren zusammen und präsentiert nun auch gemeinsam das neue Album Double Sided, das von einer ersten Single eingeleitet wurde. Überraschenderweise ist dieses luftige Lost Without You aber nicht auf dem Longplayer gelandet. Offenbar gab es an tragfähigem Material keinen Mangel? Dabei gehen die meisten Tracks mit den immergleichen Vokal-Phrasierungen stark in Richtung Mainstream, siehe die uninspirierte Version des Dawn Penn-Klassikers No No No. Viel zu viel -Stromlinienform & Schema F leider. Unser Anspieltipp: Luv 2 Luv. https://de-de.fb.com/katrina.blackstone * www.djvadim.com |
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Kid francescoli - play me again
Yotanka Productions / Broken Silence
Drei Alben hat das französisch-amerikanische Indie-Elektro-Pop-Duo Kid Francescoli, also Mathieu Hocine und Julia Minkin, unter dem hiesigen Radar hindurch abgeliefert. Auf dem etwa zwei Jahre lang vorbereiteten Play Me Again fällt nach dem Uptempo-Opener sofort The Player auf - Track Nummer 3. Auch das nachfolgende, nicht ganz jugendfrei betextete Bad Girls bleibt hängen. Das Duo fand sich in New York, der folgende musikalische Ideen-Austausch war stärker als die transatlantische Distanz und führte schließlich zum gemeinsamen Baby Kid F. Das jüngste Resultat ihrer Fernbeziehung wurde von Simon Henner (u.a. French 79) produziert. Bezüglich Live-Eindrücken muss man sich rechtsrheinisch noch gedulden - im November ist das Duo ausgiebig in Frankreich unterwegs. Bis auf weiteres heißt es also: play me again... www.kidfrancescoli.com |
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FM belfast - island Broadcast
World Champion Records
Arni Hlodversson & Loa Hjalmtysdottir sind der harte (Songwriter-)Kern des isländischen Electropop-Kollektivs FM Belfast. Ergänzt von Arni V und Orvar Smarason (letzterer auch bei MuM), sowie von Live-Aushilfen können in der Heimat leicht auch mal über 20 Musiker(innen) auf der Bühne stehen. Nun veröffentlicht man Anfang November bereits den fünften Longplayer, hat sich aber erst in letzter Zeit durch fleißiges Touren auf dem Kontinent einen höheren Bekanntheitsgrad erspielt. Auf Island Broadcast ist das Kreativ-Pulver aber im Wesentlichen schon mit dem einprägsamen, video-ergänzten Opener All My Power verschossen, auch wenn noch eine knappe Handvoll vertretbarer Genre-Tracks nach Mash-up-Prinzip folgen. All My Power-Video. Play Tracks 1,2,6,7. Vom 01.12. bis 08.12. sind FM Belfast auf Deutschland-Tour, zum Abschluss im Nürnberger Z-Bau. |
LIVE-TIPP
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