REVIEWS & LIVETIPPS ELECTRO 05-2019
Kankyo Ongaku - Japanese Ambient, Environmental & New Age Music 1980-90
Light in the Attic / Cargo
Instore- & Exhibition-Ambient aus Japan - begleitet von etwas Format-Wirrwarr: Im Download nur 10 Titel, auf der (hier zugrundeliegenden) Doppel-CD derer schon 23, beim Triple-Vinyl schießt der Sammler dann mit 25 Tracks auch rein zahlenmäßig den Vogel ab (optisch ja sowieso). Ein feines, von Kompilator Spencer Doran sehr sorgfältig zusammengestelltes Package der Archivare von Light in the Attic aus Seattle. |
TIPP |
Light In The Attic hübscht weiter mit erlesenen Japan-Releases den Dachboden auf - und setzt seine New Age Exkursionen (nach I Am the Center & The Microcosm) fort. Kankyo Ongaku ist Japanese Ambient, Environmental & New Age Music der Jahre von 1980 bis 1990 gewidmet - unter dem japanischen Begriff werden Klänge kategorisiert, die ähnlich der Architektur Umwelt & Raum ausfüllen und gestalten, ja - designen. Im Westen bereits bekannte Größen wie Haruomi Hosono (YMO, Interior(s)) oder Filmkomponist Joe Hisaishi waren auch auf diesem Feld tätig und sind hier folgerichtig vertreten, weitere wichtige Akteure wie Hiroshi Yoshimura, Satoshi Ashikawa oder Hideki Matsutake kommen hinzu. Mit Shiho Yabuki wird immerhin auch eine Musikerin des männlich dominierten Genres im überformatigen Hardcover-Booklet gewürdigt. Angeregt von Saties verschrobenem Minimalismus, Brian Enos Ambient-Konzepten und den Fortschritten bei der elektronischen Klangerzeugung experimentierten seit den späten 1970ern vor allem in Tokyo diverse Musiker mit Soundscape-Design und Architektur-Akustik. Ihre Musik wurde in öffentlichen & privaten Räumen eingesetzt, wo sie mit den Atmos & Geräuschen des Alltags verschmolzen. https://lightintheattic.net |
Cinematic Orchestra - To Believe
Ninja Tune / Rough Trade
Grafik-Konzept: Foto-Künstler Brian `B +´ Cross, Album-Artwork: The Designers Republic - Ian Anderson/Typesomething Foundry. Am 17. Mai beginnt die zugehörige Tour mit einigen Terminen in Polen, am 23. ist dann das Berliner Astra, einen Tag später die Kölner Music Hall Live-Schauplatz für das Cinematic Orchestra mit dem neuen Werk To Believe. |
TIPP&LIVE
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Soll man es glauben - das runde Dutzend war voll. Immerhin 12 Jahre hatte Jason Swinscoes The Cinematic Orchestra kein `normales´ Studioalbum mehr veröffentlicht: seit Ma Fleur von 2007. Seitdem hatten allerdings Live-Aktivitäten, der Filmscore für Crimson Wing - Mystery of the Flamingos oder das cinephile Orchesterprojekt In Motion Part 1 für die spezielle Dosis der Fusion aus Jazz, Soundtrack-Affinität und elektronischen Mitteln gesorgt, die das einflußreiche Ensemble perfektioniert hat und die Fans seit der Neuvertonung des Avantgarde-Klassikers The Man with the Movie Camera (2003) nicht missen mögen. Für das neue, die hohen Erwartungen nicht enttäuschende Album To Believe haben Swinscoe und sein langjähriger musikalischer Partner Dominic Smith als Produzenten & Arrangeure einmal mehr diverse künstlerische Beiträge zu einem schlüssigen Ganzen verarbeitet, etwa die von Roots Manuva (2), Heidi Vogel (7), Gray Reverend (Bonobo, 6), Moses Sumney (1) oder Tawiah (Mark Ronson, 4). Die Streicherarrangements für das Metropole Orchestra stammen vom renommierten Miguel Atwood-Ferguson (Flying Lotus, Hiatus Kaiyote), der Mix von Tom Elmhirst (David Bowie, Adele). Nuff said - Play all tracks. www.cinematicorchestra.com |
Highasakite - Uranium Heart
Propeller Recordings / Rough Trade
Am 16.4. sollten Highasakite im Münchner Feierwerk auftreten, doch der Auftritt wurde abgesagt. Sommers auf ausgedehnter Tour - durch Norwegen. |
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Von Kritikern als norwegische Antwort auf Florence & The Machine bezeichnet: Highasakite, das norwegische Indie-Electropop-Quintett um die Gründungsmitglieder, Sängerin Helene Havik & Drummer Trond Bersu aus Trondheim. Bis zum zweiten Album Silent Treatment (2014) ist dieser Eindruck nachvollziehbar, ab dem 2016 veröffentlichten Camp Echo wurde der Bandsound deutlich elektronischer. Auch auf dem aktuellen, mittlerweile vierten Longplayer Uranium Heart |
Tomat Petrella - Kepler
!K7 / Indigo
Besser spät als nie. Im Herbst 2018 hinter den Schreibtisch gerutscht und jetzt im Zuge des Büroumzugs wieder aufgetaucht: Kepler, das dritte Album des italienischen Elektronik-Duos Tomat Petrella. Multiinstrumentalist & Sound-Designer Davide Tomat aus Turin und Jazz-Posaunist Gianluca Petrella aus dem Dunstkreis von Enrico Rava offenbaren in ihren acht experimentellen, nach außerhalb unseres Sonnensystems gelegenen Exoplaneten benannten Stücken Einflüsse wie Jean-Michel Jarre, Vangelis oder Ryuichi Sakamoto (Proxima Centauri B). Petrellas mal reine, mal verfremdete Posaunenimprovisationen hallen über sphärischen Synthieklängen und wechseln mit technoiden Rhythmus-Pattern - insgesamt eher Avantgarde-Happening als Club-Event. Tomat Petrella-Webpräsenz * Trappist 1 E-Video |
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NUDE by Adriatique
Afterlife / Alive
Zwei Züricher DJs namens Adrian S., noch dazu mit gleichen musikalischen Vorlieben - da war es wohl Fügung und nur eine Frage der Zeit, bis sich die beiden zum gemeinsamen Projekt Adriatique verbinden sollten. Das Metier von A & A: Tech-House & Detroit-Sounds gekoppelt, auch mal verlangsamt & mit sphärischen Melodien, überwiegend instrumental. Nur zweimal (wenn die verfremdeten Stimmsamples des Titeltracks nicht zählen) gibt es hier Gäste am Gesangs-Mikro: Delhia de France & Jono McCleery - und damit willkommene Abwechslung im stimmigen, auf Albumlänge aber sonst doch etwas unbeseelt daherkommenden Sound von Nude. Achtung, ein Hidden Track an Pos.13.www.nudebyadriatique.com Play Tracks 1-3,5,6,12,13. |
LIVE |
ladytron - ladytron
!K7 / Indigo
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Nach einer Best-of 2011 und dem im Jahr darauf folgenden, durchwachsenen fünften Studioalbum Gravity The Seducer war eine lange Zeit Stille an der Releasefront für Ladytron. Drei Singles koppelte das bereits 1999 gegründete Liverpooler Elektropop-Ensemble bislang aus dem neuen, selbstbetitelten Comeback-Longplayer aus. Und das Wiederhören macht erst einmal durchaus Freude - insbesondere zu Beginn trifft analoger 80er-Synthie-Sound auf eingängige Popmelodien und die damit einhergehend so gut funktionierende, leicht melancholische Note in den ätherischen Pop-Vocals unter der Führung von Sängerin Helen Marnie. Nach vier Tracks gehen dem Quartett allerdings die Ideen aus und das Ganze ist dann nicht mehr so zwingend. Getourt werden soll auch wieder - check their website. |
Gesaffelstein - Hyperion
Columbia / Sony
Sechs Jahre nach Aleph legt der französische DJ-Producer Mike Levy aka Gesaffelstein mit Hyperion sein zweites Solo-Werk vor - ohne in der erklecklichen Zwischenzeit untätig gewesen zu sein. Davon künden viele Remixe (etwa für Lana del Rey, Phoenix oder Justice) und Jobs als Produzent (u.a. für Kanye West). War für Levys Arbeiten bisher eine gewisse melancholische Düsternis kennzeichnend, geht der Mann jetzt zumindest bei den Vokaltracks einen stilistisch anderen Weg. In Tempo & Lautstärke zurückgenommen, sind poppige Exkurse möglich - mit prominenten Gästen wie Pharrell Williams (das video-unterstützte Blast Off landet irgendwo zwischen Alan Parsons und Modern Talking) oder The Weeknd (das im Januar bereits als Single vorausgeschickte Lost In The Fire). Ebenso Beiträge von Haim, Bronwyn Griffin (Electric Youth) oder Levys Landsmann The Hacker. Instrumental wird dann zwischendurch auch noch etwas für den Techno-Fan geboten. https://airbonnieli.com
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DJ Kicks: Robert Hood / Leon Vynehall
Moshi Moshi / Rough Trade
Invisible Minds, das aktuelle Projekt des Londoner Produzenten & Songwriters Tim Green, startete mit der eingängigen, im Dezember 2017 bereits ins Netz gestellten Debütsingle Yo Mae Leh, die seitdem schon eine halbe Million Streams generierte und auf dem nun fertigen Album Make up your own Stories als Opener fungiert. Green hat hier keinen weiteren Hit in petto, aber noch paar weitere tragfähige, elektronisch geprägte Album-Tracks entwickelt - und mit Hilfe von Kolleg*inn*en wie Howard Hobbs, Haley Hutchinson, Sarah Sheldrake oder The Slow Revolt eingespielt. Nach Greens eigenen Aussage kamen dabei experimentell-elektronische Rhythmen, versetzt mit Art-Pop nach der Art seiner Idole Peter Gabriel oder Björk heraus. Invisible Minds-Webpräsenz * Play Tracks 1-4,6,9. |
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The Green Man & Kingz - Changes / 22 Years - the collab sessions
beide: Basswerk / Groove Attack
1 Auf die 22. Das Kölner Drum & Bass-Label Basswerk begeht das Schnapszahl-Jubiläum mit zwei Releases. Die erste: Heiner Kruse und Kingsley Obeng a.k.a The Green Man & Kingz sind quasi Basswerker der ersten Stunde und waren schon auf der international erfolgreichen Basswerk Sessions Vol. 1-Compilation von 1998 vertreten. Kingz wurde in der Folge Resident MC der Basswerk Sessions im Kölner Gebäude 9. Nach einer längeren Pause fanden die beiden erst 2016 wieder musikalisch zusammen, und erzielten mit dem Comeback The Moment is Now! einen Achtungserfolg beim Campusradio & in der Kölner Szene. Das neue, vom Kulturamt Köln geförderte Album Changes enthält neben dem schnellen Trademark-D&B unter Kingz´ Rap-Kaskaden auch getragenere Stücke und bietet in beiden Tempos auch Melodien & popnahe Strukturen wie bei For Those Wavin´ The Flag oder Feels Like Home. Play Tracks 2,6,8. |
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2 Jubiläums-Goodie, die zweite: mit der am 22.02. veröffentlichten Compilation The Green Man presents: 22 Years of Basswerk / The Collab Sessions bringt Labelchef Heiner Kruse den Longplayer zu den vorab veröffenlichten Singles Juice (von The Green Man & Digital) und Top of the World von Skarra Mucci heraus (hier beide nacheinander als Track 4 & 5 zu hören). Das musikalische Spektrum der Kopplung erstreckt sich als Label-Werkschau von den zu erwartenden Drum & Bass-Spielarten über balladesken Elektro-Pop, Afrobeat- & Ragga-Sequenzen bis hin zu Industrial-Anklängen und bietet genreübergreifende Kooperationen mit dem Kammerchor des Kölner Männer-Gesang-Vereins, der georgischen Opernsängerin Maria Kublashvili oder dem Kölner Kompakt-Kollegen Gregor Schwellenbach. Play 2,5,6. www.basswerk.de/basswerk/START/START.html |
the chemical brothers - no geography
Virgin - EMI / Universal
GEWINN-SPIEL |
Am 12.4. erschien das neue Album der UK-Big Beat-Routiniers The Chemical Brothers, No Geography - inklusive des schmissigen, per Video vorausgeschickten Uptempo-Smashs Gotta Keep On, der ganz wesentlich auf einem Hook aus Peter Browns 1978er Disco-Klassiker Dance With Me (mit Betty Wrights `vocal support´) basiert. Auch wenn - mangels einer ähnlichen Steilvorlage) nicht jeder einzelne Track auf der Langrille von Tom Rowlands & Ed Simons derart zündet - No Geography hat auf der Insel doch beachtliche Kritiken eingefahren. |
DJ Kicks: Robert Hood / Leon Vynehall
beide: !K7 / Indigo
66 und kein bißchen leise. Es kickt mal wieder. Auf der Schnapszahl-. Ausgabe der Compilation-Dauerbrenner-Serie bedient Robert Hood die Regler, neben Mike Banks und Jeff Mills Underground Resistance-Member und Minimal-Techno-Wegbereiter aus Detroit. Seit Mitte der 90er, also genau der Zeit, als auch die DJ Kicks-Reihe gestartet wurde, veröffentlicht Hood auf seinem eigenen Label M-Plant strammes, reduziertes Techno-Futter - bis heute. 22 Tracks finden sich hier, meist aus den letzten Jahren und interessanterweise hauptsächlich, bis auf Hood selbst (alleine 8 mal am Start, davon mit vier exklusiven Stücken) von europäischen Produzenten, etwa Truncate, Slam oder Clouds. Unsere Tasse Tee ist das gleichförmige, repetitiv pumpende Instrumental-Geplucker nicht, Genrefans aber werden 72 Minuten lang bedient. www.dj-kicks.com |
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Der für die folgende Nummer 67 verantwortliche Leon Vynehall ist als neuestes Mitglied der DJ Kicks-Familie vergleichsweise ein Frischling - erst 2018 brachte sein Debüt auf Ninja Tune dem britschen DJ-Producer den Durchbruch. Dafür bringt Vynehalls eklektischer Ansatz und das Interesse für ganz unterschiedliche, mehr oder weniger elektronisch geprägte Musik ein heterogeneres, aber auch unterhaltsameres Set mit sich. Unter den 26 Tracks der Kopplung findet sich zweimal Vynehall-eigenes exklusives Material sowie Neues von Ploy, Peach oder Pavilion. Aber auch gut Abgehangenes von angeschrägten Helden, wie ein Haruomi Hosono-Track aus der Frühphase des YMO-Gründungsmitglieds von 1973 oder die Coop von Enfant Terrible Genesis P. Orridge & Soft Cell-Soundtüftler Dave Ball aus dem Decoder-Soundtrack von 1984. Post-Punk-, Hip-Hop- oder House finden sich hier, der Flow wird im Durcheinander allerdings öfters der Neugier geopfert. Der !K7-Zirkus zieht weiter. Next in line, beide noch für die erste Jahreshälfte 2019 angesetzt: Robert Halo & Maggy Gou. www.dj-kicks.com |
25 compost records
V.A. - Compost Records / Groove Attack
U.a. mit von der Partie: Beanfield, A Forest Mighty Black, Tomasz Guiddo, Marsmobil, Fauna Flash, Trüby Trio, Web Web oder C.O.W. 牛)... Erste Feierlichkeiten... zunächst am 11. Mai im Münchner CHARLIE - Michael Reinboth, Thomas Herb & Kalabrese an den Decks. Michael Reinboth in the mix * Thomas Herb in the mix * |
VINYLLIVE |
Last but not least - Michael Reinboths verdienter Münchner Indie-Elektro-Außenposten Compost Records begeht heuer das 25-jährige Firmenjubiläum. Aus diesem Anlass veröffentlicht das zur Crème im House-, Future Jazz- und Downbeat-Segment zählende Label (u.a. mit der legendären Compilationserie Future Sounds Of Jazz, den fünf Glücklich-Cds oder dem mit Cinesoundz erarbeiteten Ennio Morricone-Remixes-Doppelpack auf der Habenseite) Ende Mai ein handnumeriertes, opulentes Box-Set, zu dem Dutzende Produzenten, DJs, Labelmacher und sonstige Wegbegleiter Quotes & Widmungen beitrugen. Zum 20-jährigen Jubiläum gab es ein umfangreiches Buch - zum 25. wurden jetzt Compost-Lieblingstunes von besonders geschätzten Künstlern, Newcomern sowie den üblichen verdächtigen alten Hasen, neu interpretiert. Auf den zehn streng limitierten 12inch-Vinyls finden sich auch vergriffene Label-Klassiker sowie exklusive Tracks. Mehr zur Compost-Historie in den von Michael Reinboth selbst verfassten Linernotes, die das Package nebst einem Downloadcode (komplettes Tracklisting + Bonus Tracks), Compost-Logo-Anstecker, Jute-Tasche, Stickern & zwei Mixtapes von Reinboth sowie Thomas Herb komplettieren. |
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