Sound of Surprise - Dub chasing Kraftwerk - feat. Echo Beach
DUBblestandART sozusagen: Helmut Philipps poliert seine 22´er Dub-Konferenz auf 10-inch-Coffeetable-Format, Kraftwerk hat immer noch die elektronische Pop-Musik erfunden und beim Tribute sitzt Echo Beach an den Reglern. |
DUB - the sound of surpriseHelmut Philipps - Edition Olms
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"More facts, more interviews, more sources, more dub...and 350 illustrations." Helmut Philipps´ Standardwerk endlich als 4c-Bilderbuch - die ergänzte englische Übersetzung in 10-inch Coffeetable-Größe. Schon die Dub-Konferenz, Philipps´ deutschssprachiger Vorläufer, wurde in Folge als „Bestes Buch des Jahres“ von der Riddim-Leserschaft ausgezeichnet. Hardcover, 256 Seiten, übersetzt von Reggaeville-Autorin Ursula `Munchy´ Münch. * www.edition-olms.com * The Sound of Surprise - Der (Unter-)Titel der dergestalt gepimpten Neu-Ausgabe stammt aus einem 1976 erschienenen Artikel von im Melody Maker-Autor Richard Williams. Inklusive Interviewliste, Namens- & Album-Index, plus Quellenverzeichnis. www.youtube.com/watch?v=-msyA0vKdAI&t=12s Dub Museum - 2023´er Rundgang mit Mastermind Helmut Philipps aka H.P. Setter Gegenwärtig ist der Produzent, Tontechniker, Fachjournalist & Sammler (nach über 40 Konferenz-Lesungen) u.a. mit der Vorbereitung einer weiteren aufwendigen Ausstellung in Bersenbrück (parallel zum Reggae Jam Festival 2025) beschäftigt. ♦ Watch this space. |
TIPP |
Über Helmut Philipps verdienstvolle Dub-Konferenz von 2022 war an dieser Stelle bereits zu lesen - Thema & Genre bedürfen keiner gesonderten Vorstellung mehr. Doch auch die im Herbst 2024 bei der Edition Olms erschienene, aktualisierte & erweiterte englische Ausgabe muss unbedingt separat gewürdigt werden. Denn Dub – The Sound of Surprise hat nun alles, was dem vergleichsweise akademisch anmutenden deutschsprachigen Paperback fehlte: vornehmlich rund 350 farbige Abbildungen - insbesondere Vinylcover - weiter Fotos von Studios, Sound Systems (nicht nur aus Jamaica -wie das der Basskateers aus Jena, Germany - s.o.) und einigen der interviewten Akteure. Zusätzlich gibt es zwei in der deutschen Ausgabe noch nicht enthaltene Kapitel - 1.: `Style´ Scott: Drumming The Dub, ein 2012 in Earl Chinna Smiths Yard in Kingston geführtes Interview mit dem Ex-Roots Radics & Dub Syndicate-Drummer († 2014, einem der vielen zu beklagenden Opfer von Gewaltverbrechen in Jamaika) Und 2.: Dubbin´ in America: Roots, Rock & Artificial Intelligence, dem US-Äquivalent zum UK-Kapitel 21. Die Genre-Hommage - ´nuff said. Dubwise - unbedingte Empfehlung. |

king size Dub 24
Eine der Danksagungen aus Philipps´ Sound of Surprise gilt auch Echo Beach-Head Nicolai Beverungen, aus der Germaica-Szene nicht wegzudenken. Vom bassgetränkten Elbstrand kommen seit 1995 (nicht sklavisch in jedem Jahr, aber doch in schöner Regelmäßigkeit) unter anderem die King Size Dub-Compilations - für alle, die sich einen Überblick über die aktuellen Genre-Highlights, zumeist aus dem Label-Umfeld, verschaffen möchten. In der Reihe eingestreut auch Specials über bestimmte Regionen (Dub In Germany), Labels (ON-U Sound) oder einzelne Dubkünstler - meist in einiger Genre-Bandbreite. Die Pariser Kombi Max Guiget & Guillaume Metenier aka Blundetto & Soul Sugar (von letzterem wird gleich weiter unten noch einmal die Rede sein) mit dem feinen Remake eines Grace Jones-Albumtracks ihres legendären Slave to the Rhythm, abgelöst von einem weiteren ruhigeren aDUBta-Piece, erstellt im Austausch zwischen München & Studio Utting am Ammersee, bevor Dub Syndicate feat. Junior Reid die Temposchraube wieder anziehen. |
TIPP |
Dubblestandart lassen in ihrem zweiten hier enthaltenen Track, dem schwer basslastigen God Is A Man, gar das Thema von Mussorgskijs Bilder(n) einer Ausstellung anklingen und dann nimmt sich der umtriebige La Brass Banda-Drummer Cpt. Yossarian (u.a. Bob Marley in Dub) einer Fela Kuti-Nummer an. Und so geht es weiter - erklärtermaßen 90% exklusive Titel für die Referenz-Serie - mit feinem Händchen gepickt vom Dubinator Beverungen himself. Ferner Auftritte von Illbilly Hitec, Oliver Frost und der dänischen Band Total Hip Replacement. Da ist man schon gespannt auf die nächste (vielleicht ja noch in 2025 hineinpassende?) Folge. |
kraft Dub Werk - kid loco meets soul sugar
Echo Beach / Indigo
Dann Radioactivity (hier das Original zum Vergleich, ebenfalls recht linientreu, das nocheinmal verdeutlicht, wo sich weiland auch Landsmann Jean-Michel Jarre in den Seventies wesentliche Inspirationen holte, der beim folgenden Antenna (vom gleichen Album, sozusagen im gleichen Abwasch) noch deutlicher anklingt. Und das beatlastigere, einst von Afrika Bambaataa & Arthur Baker für ihren Planet Rock hergenommene Trans Europe Express, gefolgt von den nun dubwise schunkelnden Robotern (wie TEE, nebst Antenna & Autobahn mit einem zweitem Dubmix am Start, wo jeweils noch etwas mehr Echo ´n Soundgimmicks gewagt werden). Bleiben noch die zwei Kraftwerk-Tracks mit den wohl betörendsten Melodielinien, Neonlights (ebenfalls noch von Man-Machine) und der die Isolation der Webwelt antizipierende Computerwelt-Übertrack Computerliebe. Beide Originale werden vom Dub-Marschbefehl an die kompetenten französischen Tastenwerker glücklicherweise nicht beschädigt, aber auch nicht erreicht. Doch die respektvolle Begegnung war´s allemal wert. Was wohl noch am Echo Wave-Beach bzgl. Dub-Treatment auf Halde liegt? Kraftwerk, die zweite?Wandert der Blick vielleicht nochmal anderweitig rheinwärts (Can), über den Kanal (Gang of Four) oder den Atlantik (Talking Heads)? Oder gar ins Tal der Dämmerung? Hörspiele wären ein weites Spielfeld. "Das ist nur ein Echo..ein Echo..ein Echo...". ♦ https://echobeach.de Dub-Versionen hier nicht enthaltener Tracks: Prince Fatty - The Model * SanFranDiskoDub - Computerworld * Home Computer Dub Mix ungarisch |
TIPP |
Der oben schon genannte Guillaume Metenier aka Soul Sugar nämlich ist Teil des für die neue Echo Beach-Kraftwerk-Hommage auserkorenen Gespanns mit Trip-Hop Routinier Kid Loco (der bereits für die King Size Dub-Ausgabe ´23 Hand an The Model gelegt hatte). Um die Musik von Ralf Hütter, Florian Schneider (und ihren jeweiligen `Honorarkräften´) mit einem adäquaten Dub-Set auf Album-Länge zu würdigen, ist der Blick ins von Düsseldorf nicht mehr ferne Frankreich zwingend, hatten sich Kraftwerk für Remixe ihres Katalogs ja schon verschiedentlich selbst etwa an House-DJ-Grande Francois Kevorkian gewandt - hier dessen Radioactivity-12-inch Mix. Das Radioaktivitäts-Symbol ist nun auch erste Echo Beach-Wahl für das Covermotiv von Kraft Dub Werk, der acht Stücke (vier davon in 2 Versionen) enthaltenen Dub-Versuchsanordnung für die legendären "Erfinder der elektronischen Pop-Musik" (siehe dazu weiter unten: Wir sind die Roboter). Prieur & Metenier aka Loco & Sugar mussten natürlich alle ausgewählten Tracks (`personal supervision and spirit injection´ von Nick the Reverend) from scratch, mit eigenem Analog-Synthi-Equipment neu aufnehmen, um nicht wegen Verwendung von Originalsamples in Gefahr einer jahrzehntelangen Prozesslawine zu geraten. Das Tasten-Duo geht dabei chronologisch vor und nimmt sich für ihr Tribute exemplarische Stücke aus sechs Kraftwerk-Alben vor. Das noch von Schneiders Flötenklängen geprägte Ruckzuck aus dem Frühwerk (einst Kennzeichen-D-TV-Intro) bildet den schlüssigen Auftakt, gefolgt von einem, sich andächtig recht nah am Original bewegend, aber mit gut 6 Minuten auskommenden Autobahn, inklusive ikonischem Motorstart & Vocoder. * Auch als Vinyl-LP * |
wir sind die roboter
Uwe Schütte - btb-Verlag
Kraftwerk und die Erfindung der elektronischen Pop-Musik | ||
Neues in Schriftform zum Dub-Objekt der Begierde gibt es ja passenderweise aktuell auch: Wir sind die Roboter. Der vielleicht zu wohlfeile Titel mag zu anfänglicher Skepsis verleiten, doch Dr. Uwe Schütte, mit Literatur-Background (& bis zum Brexit auch mit Job) an der University of East Anglia macht seine Sache ausgsprochen gut. Der tief ins Thema eingetauchte Autor will mit seinem Buch den Kraftwerk-Sekundärschriften-Kanon um keine wissenschaftliche Betrachtung oder Anekdotensammlung anreichern, sondern macht (nach Organisation der ersten akademischen Konferenz zum Phänomen K in Birmingham Anno 2015) "schlichtweg einen weiteren Versuch, Kraftwerk für mich selbst zu begreifen und meine An- & Einsichten mit anderen zu teilen." Der Werdegang der führenden Köpfe Ralf Hütter und Florian Schneider durch die Vierer-`Band´-Phase (mit Karl Bartos & Wolfgang Flür) zum Hütterschen museal-perfektionierten (aber immerhin noch bis heute aktiv den Globus tourenden) Solo-Katalogprojekt klingt immer wieder an, Schütte geht aber - bis auf das Anfangskapitel Düsseldorf - nicht chronologisch, sondern thematisch strukturiert vor, um das revolutionären Konzept einer elektronischen Popmusik nicht ver- sondern zu erklären. Unter Geschwindigkeit werden die Alben Autobahn, Trans Europa Express und auch das spät vollendete Tour de France (Soundtracks), unter dem Kapitel Ambivalenz und Retro-Futurismus vor allem die stringenten Konzeptwerke Radioaktivität und Computerwelt subsummiert, die Mensch-Maschinen-Musik als Kernstück separat behandelt, wie auch Live-Konzepte und Design, nachdem Schütte das nach schwierigem Enstehungsprozess weithin unterschätzte, immer noch klassische Techno Pop mit dem Mix-, Remix- & Expo-Spätwerk zusammen verhandelt. Im Ergebnis kristallisiert sich das programmatische Verschmelzen von Klang & Technologie, Grafikdesign und Performance, modernistischer Bauhaus-Ästhetik und rheinischer Industriekultur heraus, "um so der modernen Popmusik eine elektronische Richtung vorzugeben." Die aus anderer Feder in Musikpresse & Feuilleton schon umfassend erörterten, mannigfaltigen Kraftwerk-Einflüsse auf weite Bereiche der Popkultur werden nur wo nötig (etwa bei der Vermächtnis & Nachfolge´-Frage) gestreift, Anekdotisches wie die Conny-Plank-Buyout-Plastiktüte mit 5000 D-Mark bleibt die Ausnahme. Interessant das Anreißen vereinzelter feministisch-queerer Vorwürfe an das männlich dominierte Technik-Konzept - in Kombination mit der Auflistung durchaus unterhaltsamer (mehrheitlich) weiblicher Kraftwerk-Epigonen wie Ladytron, Client oder Pan Machine im UK und Craft Wife aus Japan (s.r.)*. Mit dem Begriff einer "industriellen Volksmusik" aus deutschen Landen werden wir nicht so ganz warm, unstreitig aber ist die Relevanz dieses Soundtracks zum digitalen Zeitalter und die Aktualität in der eben kickgestarteten Ära der Künstlichen Intelligenz, die auch den pessimistischen Ausblick auf eine "Zukunftsmusik" prägt. Kleinere Lektorats-Stockfehler bei Nummerierung oder Seitenüberschriften, aber absolut lesenswert. |
TIPP
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* Bonustrack mit Steilvorlagen für eine großzügigere Optik im Innenteil ♥ Autor Uwe Schütte liest am 22.01. in Düsseldorf (!) aus seinem Buch. |
© texts: sr - cinesoundz - 12/24 * 01-25 / © pics: Edition Olms / Echo Beach / btb Verlag |