reviews 6-08 jazz

* soundtrack * filmmusic * pop/rock * catalog * jazz * electro * world * audiobook *

Cassandra Wilson - Loverly
Blue Note / EMI

"Nur" ein Standardalbum diesmal von Cassandra Wilson, nachdem die Grenzgänge von "Thunderbird" aus dem Jahr 2006 in so guter Erinnerung waren. Die Jazzdiva hat sich in bewusst zurückhaltenden Arrangements einige seit langem favorisierte Lieblingsstücke vorgeknüpft, darunter einiges aus Filmen und Musicals wie ein leicht verschlepptes "Wouldn´t It Be Loverly" aus My Fair Lady, "Black Orpheus" mit klagender Gitarre von Marvin Sewell oder "A Sleepng Bee" aus Capote/Arlens "House of Flowers". In "Gone With the Wind" oder "Caravan" übernimmt die Percussion von Lekan Babalola aus Nigeria die Führung, von Wilson als wandelndes Rhythmuslexikon gepriesen. Aufgenommen in einem improvisierten Studio ihrer Heimatstadt Jackson am Mississippi, lebt das von Wilson auch (nach eigener Aussage "demokratisch" produzierte Album vom Zusammenspiel dieser drei mit dem Pianisten Jason Moran. Das Kollektiv steuert auch eine Eigenkomposition bei : das groovige "Arere".  

listen & order


Sophie Milman - Make Someone Happy
Linus / Zyx
Melody Gardot - Worrisome
ucj / Universal

Zwei junge Damen unterwegs auf Norah Jones-Terrain : Die 24-jährige Sophie Milman kommt aus Russland und lebt in Kanada. Ihr Album macht derzeit das Publikum und auch etliche Kritiker happy. Die hier in der Mehrzahl enthaltenen verhaucht dargebotenen Jazzstandards, klingen nicht abgedroschen, mit souligen Spurenelemente und etwas Swing wird für Abwechslung im sanften Wohlklang gesorgt. Auch wenn der instrumentale Background meist recht brav ausfällt und sich Sophie Milman zwar erfolgreich an Französisches, "Fever" und Kermit the Frogs "It´s not easy being green", aber noch nicht an eigene Kompositionen wagt - dies wäre wohl eine Aufgabe für das zweite Album. Aus dem Rahmen fällt das getragene, hebräisch gesungene Eli Eli ( Walk to Caesarea) am Ende der CD.

Auf Melody Gardot können sich derzeit viele im Feuilleton einigen. Erscheinung und Geschichte der nach einem Verkehrs-Unfall auf eine dunkle Brille und Krückstock angewiesenen 23-jährigen mit der samtenen Stimme, die öfters mit Norah Jones oder Madeleine Peyroux verglichen wird, beflügeln die Fantasie der Kritiker. Die in New Jersey/USA geborene Singer/Songwriterin hebt sich in der Tat ab - Melody Gardot ist tatsächlich kein Künstlername und schon der Albumtitel deutet eine Portion Blues in ihren jazzigen Balladen an. Aus der Musiktherapie nach ihrem schweren Unfall vor 4 Jahren resultierte die Intensivierung von Melodys musikalischen Aktivitäten, die sie vorher eher hobbymässig betrieben hatte. Therapie geglückt - Patient derzeit auf Tour - erklärtermaßen auch, um die exorbitanten Krankenhauskosten einzuspielen. Wenn Melody den ersten zwei Konzerten in Deutschland bald weitere folgen lässt, sollte das in absehbarer Zeit gelingen.
 

listen & order


listen & order


Caroline Kiesewetter - Ich Packe Meinen Koffer
Content / Edel
„Warum soll ich Jazz-Standards auf Englisch singen, wenn es schon so viele wunderschöne deutsche Bearbeitungen gibt …?“ dachte sich das Musical- und TV-erprobte Nordlicht Caroline Kiesewetter, nachdem etwas Stöbern im Schallplattenkeller des Vaters Hartmut unter anderem eine von Nana Gualdi gesungene Version des Mancini-Klassikers ’Moon River’ in der Bearbeitung des Rolf Kühn Orchesters zu Tage gefördert hatte. "Diese deutsche Fassung mit dem Titel "Für immer" hatte mein Vater in den 60er Jahren produziert und ich dachte mir, da muss man was draus machen.“
Weitere Recherche resultierte in einem Appettit machenden Tracklisting quer durch Jazz, Filmmusik und Populäres, von Mireille Matthieus "Ein Blick von Dir" (Bacharachs "Look of Love"), Manfred Krugs noch gar nicht so altem "Das Lied mit einem Ton" (Jobims "One Note Samba") oder Udo Lindenbergs "Ich Lieb Dich Überhaupt Nicht Mehr" bis zu - jawoll: "Mensch"..Das ist ok gesungen und im Ergebnis großteils vergnüglich - eine sympathische Idee - der Cover-Sammler dankt.

 

listen & order

Lee Konitz & Minsarah - Deep Lee
enja / Soulfood
Altsaxophonist Lee Konitz ist eine der lebenden Legenden des Jazz. Der mittlerweile über 80-jährige Mitstreiter von Miles Davis, Charles Mingus, Bill Evans und vielen anderen hat sich für diese Aufnahme mit dem Trio Minsarah (hebräisch für "prisma") zusammengetan. Der Deutsche Florian Weber (p), der Amerikaner Jeff Denson (b) und der Israeli Ziv Ravitz (dr) erielten 2006 schon den Preis der deutschen Schallplattenkritik für ihr Debütalbum. Sie harmonieren glänzend mit dem Altmeister, der seine jungen Begleiter im Gegenzug in den höchsten Tönen lobt. An zwei Tagen im September 2007 waren die Stücke des Albums in Brooklyn aufgenommen und Konitz jettete weiter zur einer 12-tägigen Brasilientournee. Ein atmosphärischer Glücksfall von Altersunruhe. www.enjarecords.com www.minsarah.com
 

listen & order

Droppin´ Science - F. à Léo
Various Artists - Fuorivia / EMI France / Bonsai / Harmonia Mundi TIP

Italienischer Jazz auf einem französischen Label ? Der Grund ist Léo Ferré : Sänger, Dichter, Komponist, der während seiner 46 Jahre andauernden Karriere über vierzig Platten aufnahm - einer der bedeutenden Poeten des französischen Nachkriegs-Chanson , in einer Reihe mit Jacques Brel oder Georges Brassens. Einige seiner Chansons haben der Pianist Cipelli & Co. hier ausgewählt und in einen neuen Zusammenhang mit ihrer Musik gestellt. Gianmaria Testa singt Stücke wie "Les poètes" und "Monsieur William", während sich das hochkarätige Ensemble (mit Paolo Fresu , Philippe Garcia und Attilio Zanchi) zwischendurch immer wieder auf stilistisch unterschiedliche, von Ferrés Text-Vorlagen und Melodien inspirierte Exkurse begibt. Lohnend.

 

listen & order


Sapporo Meets Janosch
Phazz-a-delic / Edel TIP

Eine ungewöhnliche Gemeinschaftsarbeit: der seit 1971 vergriffene Illustrationsband "Flieg Vogel Flieg" von Janosch (in Form eines aufwendigen Digipak-Booklets), verbunden mit den elektronischen Sprach-Colagen von Christian.Eckerts Bandprojekt Sapporo (Musique Noir). Eckert ist aufgewachsen in einer prominenten Frankfurter APO-WG und verarbeitet hier Kindheitserinnerungen. Das von Sprachfetzen und modernem Jazz geprägte, gelungene Klang-Dokument wirft einen Blick auf die 68er-Vergangenheit aber auch die Gegenwart. Eines von Janoschs erklärten Lieblingsbüchern wird so noch einmal gewürdigt, im Ergebnis eine der besseren 68-er Hommagen. Und was Jazz eigentlich mit einem Kinderbuch zu tun hat, kann man auch im liebevoll aufbereiteten Booklet erfahren...

Maximilian Geller Quartet - Amore E Morte
Universax / Just Records Babelsberg


Maximilian Geller und sein Quintett mit einer erneuten Brücke zwischen Jazzmusik und klassischer Oper. Wer die anlässlich des Mozart-Jahres 2006 (noch als Quartett) entwickelte CD „Lacrimosa Mozart 06“ oder das nachfolgende „Opera in Jazz“ mochte, wird auch hier zugreifen. Gellers Schwester, Brigitte Geller singt auch auf "Amore E Morte" wieder, diesmal italienisches, meist neapolitanisches Liedgut von Bellini, Albinoni oder Rossini, das zum Teil schon über 200 Jahre auf dem Buckel hat. "O Sole Mio" ist zwar nicht dabei, aber ein bekannter Titel wie "Torna A Surriento" von Ernesto de Curtis dürfte auch bei Komplett-Laien für Aha-Erlebnisse sorgen. Crossover mit breitem Potential.
 

listen & order





listen & order


Frederick Köster Orchester - When You Know
CMO Jazz / Edel


Ausnahmsweise an dieser Stelle eine Live-Aufnahme. In seinem Orchster hat der Kölner Professor für Trompete Frederik Köster die Elite der jungen deutschen Jazzszene versammelt – Musiker, die wie ihr Bandleader auf dem Weg nach ganz oben sind. Die Tracks auf der schon 2006 im Kölner Stadtgarten aufgenommenen CD stammen, ausgenommen „Streets of Philadelphia“ - aus Kösters Feder. Professor (!) Kösters reichen Arrangements merkt man die Erfahrung aus seiner Arbeit mit nationalen und internationalen Jazzgrößen wie Phil Woods, Albert Mangelsdorff, Ack van Rooyen, Biréli Lagrene, Randy Brecker, Lalo Schiffrin und mit den führenden Big Bands der Szene, wie mit der WDR Big Band Köln oder Peter Herbolzheimers Rhythm Combination & Brass an. Auch bei Film- u. Fernsehproduktionen ist Köster kein Unbekannter. Empfehlenswert.
www.frederikkoester.de
 

listen & order
Previous Issue: 4- 08
* soundtrack * filmmusic * pop/rock * catalog * jazz * electro * world * audiobook *