REVIEWS JAZZ 04/05-2017

 


 

jazz 04 17 Legnini

China Moses - Nightintales

MPS / Edel

China Moses, die in Paris lebende Tochter von Dee Dee Bridgewater, ist schon zwei Jahrzehnte als Jazzsängerin aktiv, scheint sich aber jetzt erst so richtig freizuschwimmen. Bisher für ihr Dinah Washington-Tributealbum und die enge Zusammenarbeit mit dem französischen Pianisten Raphael Lemonnier bekannt, präsentiert sich Moses mit Nightintales noch kompletter und deutlich eigenständiger. Das für das wiederbelebte Traditionslabel MPS mit Co-Produzent und -Songwriter Anthony Marshall (u. a. bei Nelly Furtado, Craig David) aufgenommene Album bewegt sich souverän zwischen klassischem und modernem Jazz, mit hin & wieder durch Orgel oder Fender Rhodes, Streicher oder Bläser ergänzter Triobesetzung. Funk-, Soul-, Blues- & Gospelanleihen lockern das Ganze auf. Durch ihren kürzlichen Auftritt auf großer Bühne bei den Ingolstädter Jazztagen und die Livestream-Übertragungen des BR von dort dürfte China Moses Publikum hinzugewonnen haben - bald bieten sich Vergleichsmöglichkeiten: Vom 13. Mai bis 03. Juni einige Konzerte in Deutschland, im intimeren Rahmen am 17. Mai in der Münchner Unterfahrt. http://chinamoses.com

 LIVE 
 

jazz 04017 chinaMoses

Express Brass Band - Pluto Kein Planet

Trikont / Indigo

Pluto Kein Planet - was solls. Das Münchner Bläser-Kollektiv Express Brass Band zieht unbeeindruckt seine Bahn, eher inspiriert vom allegorischen Kosmos des Sun Ra Arkestra. Der etwa 25-köpfige Trupp ist spiel- aber nicht gerade veröffentlichungsfreudig - seit Gründung 1999 erschienen bisher nur zwei Alben, das letzte allerdings gerade erst 2014. Die EBB-Kreise scheinen sich also zu beschleunigen. Die freien Passagen hängen an Jazz-, Soul-, Gnawa- und Ethio-Strukturen, auch andere orientalische Einflüsse bis nach Afghanistan sind zu hören. Kein Wunder, es spielen Musiker wie Brahem Chahoube (perc) und die syrischen Flüchtlinge Abathar Kmash (oud) & Ehab Abou Fakhir (vla) mit. In schöner Embryo-Tradition, möchte man meinen, und tatsächlich - auch deren wiedergenesener Mastermind Christian Burchard ist mit einem einhändigen Synthie-Solo vertreten. Ab 24.04. diverse Gigs in München, u.a. am 24.04. im Café der Kammerspiele, am 20.05. im Giesinger Bahnhof oder am 27.05. in der Milla - check out: www.expressbrassband.de

 LIVE 
 

jazz 04 17 express brass band

Eric Legnini - Waxx Up

Anteprima / Broken Silence

Ein üblicher Verdächtiger. I want you back, der von Michelle Willis gesungene Opener, gibt die groovende Marschrichtung vor, das folgende Run With It mit Charles X am Mikro könnte von Jamiroquai (prä-2017) sein. Der belgische Pianist Eric Legnini mit seinem Trio an dieser Stelle immer wieder zu Gast, ist auf Waxx Up wieder deutlicher auf den Spuren von Größen wie Herbie Hancock und Stevie Wonder unterwegs, nachdem er zuletzt mit dem Ensemble The Afro Jazz Beat eher Fela Kuti gehuldigt hatte. Mit dem abschließenden Lagos 75 gibt es dazu noch einen Nachklapp, ansonsten funky swingende Fender Rhodes-Grooves, ebenso im Pop- & Soul- wie im Jazz-Kontext. Die mehrfach wechselnden Vokalisten (weiterhin Anaelle Potdevin, Hugh Coltman als Little Stevie W. und die israelisch-französische Sängerin Yael Naim) lassen keine Langeweile aufkommen. Am lockersten scheint Legnini aber bei Instrumentals. Derzeit nur in Frankreich live. www.ericlegnini.com/en

 
 

jazz 04 17 Legnini

Dominic Miller - Silent Light

ECM / Universal

Wer es nicht wusste, könnte bei Titel Nummer acht, Fields of Gold, darauf kommen: Dominic Miller ist Gitarrist bei Sting (der seinen jahrzehntelang treuen Weggefährten im Booklet entsprechend belobigt). Auch für Peter Gabriel, Phil Collins und Paul Simon war der gefragte Session- und Tourmusiker öfter tätig. Silent Light nennt er sein erstes Soloalbum bei ECM, das drei Jahre nach Ad Hoc erscheint. Produziert von Labelchef Manfred Eicher ist Miller hier minimalistisch unterwegs, ohne Overdubs und lediglich auf vier Tracks begleitet vom Perkussionsten Miles Bould. Keltisches, Französisches und Brasilianisches (ein Baden Powell-Tribute) klingt an, auf Chaos Theory spielt Miller, der selbst Bach, Satie, Villa-Lobos, aber ebenso Bert Jansch und Chanson als Einflüsse nennt, auch die zweite Gitarre und den Bass.  Drei Konzerte wird es in Deutschland geben: am 16. April im Kölner Stadtgarten, am 28. April im Berliner A-Trane und am 29. April im Sendesaal Bremen - letzteres im Rahmen der ECM-Clubnight von jazzahead! Weitere Live-Gigs zuerst hier: http://dominicmiller.com

 LIVE

 

jazz 04017 dominic miller

Miramode Orchestra - Tumbler

Agogo / Indigo

Drei Bläser und vierköpfige Rhythmussektion. Erklärtermaßen zwischen den Koordinaten Jazz, Elektronik und Groove ist das ungewöhnlich instrumentierte siebenköpfige Miramode Orchestra unterwegs. Deren Album Tumbler startet mit dem groovig-eingängigen Titeltrack vielversprechend, um auf Albumlänge hier und da zu schwächeln. Die jazzigen Sieben sind allesamt Männer und Instrumentalisten - für den Job am Mikro werden Gäste wie Inèz Schäfer oder Dan Freeman eingeladen. Auch die im Video zu Tumbler "lost between the nighttime and the break of day" durch Berlin irrende Mara von Ferne ist als Sängerin offiziell kein fester Bestandteil des Ensembles. Play Tracks 1, 4-6. Am 22.04. live in Dresden, am 05.05. in Halle. Check out: https://de-de.facebook.com/miramodeorchestra * Liveclip

 LIVE 
 

pop 04 17 miramode orchestra

Pat Appleton - A Higher Desire

Edel Germany


Pat Appleton, bekanntermaßen die markanteste Stimme beim Heidelberger De-Phazz-Projekt, versucht es solo (nach Mittendrin) wieder auf englisch. Für das dritte eigene Album A Higher Desire war die Vorgabe: Jazz! Nicht von ungefähr, immerhin erhielt PA schon zwei Jazz-Awards der Deutschen Phono-Akademie - für die Zusammenarbeit mit den Nighthawks und Jazzkantine. In der Tat liegt der Wahlberlinerin mit den deutsch-liberianischen Wurzeln jazziges Terrain besonders. Mit ihrem Berliner Quintett hatte sie im Vorfeld der Aufnahmen ein neues Programm mit 10 englischsprachigen Titeln entwickelt, das im September 2016 vom RBB in der Reihe The Voice in Concert vorgestellt wurde. Die Musik stammt meist von Pianist Sebastian Weiß, die sich um Krisen als Künstler im Internet-Zeitalter drehenden Texte von Appleton selbst. Ab 21.04. fünf Konzerte in Deutschland, dann vereinzelt weitere Gigs im Juni und August. www.pat-appleton.com Play Tracks 1, 3.

 LIVE 
 
 

jazz 04 17 PatAppleton

Jools Holland - Piano

Eastwest / Warner

Der alte Squeeze-Haudegen Jools Holland ist im UK vor allem als Gastgeber seiner musikalischen Late Night-Show Later With... bekannt. Auf seinem neuen, schlicht Piano betitelten Album bemüht sich der Tastenmann, gute Laune zu verbreiten und klaut, pardon, zitiert ein bisschen hier und da entlang des Weges. Klassik-Passagen, Soundeffekte, Fieldwork-Aufnahmen, Ragtime oder Boogie Woogie mit Dance Beat, hier ist einiges aufgeboten - nebenbei auch Brian Eno als Star-Gast, der ausgerechnet auf dem Cheesy-Listening-Stück Last Date, (als Fan von Floyd Cramer) beteiligt ist. Acht Eigenkompositionen und 10 Fremdtitel von Jazz-Größen wie Sidney Bechet, Mary Lou Williams oder Erroll Garner, bei Grand Hotel schrieb kein Geringerer als Sting mit.
Ab Mai fleißig auf Tour, aber b.a.w. nur im UK. www.joolsholland.com

jazz 04 17 jools holland

Thomas Siffling - Flow 

Jazznarts / In-Akustik

Alles im Flow. Wie ein "spielendes Kind, im glückseligen Zustand des Bei-sich-Seins" möchte sich Jazznarts-Labelchef Thomas Siffling fließend in der eigenen Kunst bewegen. Nach 15 Jahren Trio-Erfahrung tritt Siffling hier erstmals mit neu formierter Quintett-Mannschaft (u.a. Alex Gunia) an, irgendwann gesellt sich seine Trompete zu den elektronisch geprägten, mal elegischen, mal rhythmischen Soundbeds. Mit Flow startet eine eSeries-Reihe des Labels, in der weitere Kombinationen von Jazz und Elektronik erscheinen sollen. Vereinzelte Live-Gigs, zunächst am 06.05. in Sinzheim. Weitere Konzerte: www.thomassiffling.com www.jazznarts.com Play Tracks 1-3.

 LIVE 
 

jazz 04 17 siffling flow

BlAEr - Out of Silence

Morpheus / Broken Silence

BLAER, das 2012 gegründete Quintett um die Berner Pianistin & Komponistin Maja Nydegger kombiniert zugänglichen Instrumental-Jazz und Pop-Muster. Mit Out of Silence setzen Nydegger & Co. auf repetitive Piano-Pattern, ergänzt von Kontrabass, Bassklarinette, Saxophon und Schlagzeug. Im Ergebnis etwas, das sich stark nach gern als nordisch gelabeltem Popjazz a la e.s.t. - Erben wie Emil Brandquist oder Martin Tingvall anhört. In der Tat zog Nydegger 2012 ein halbes Jahr nach Dänemark, um dort die Musik für BLAERs erstes Album zu schreiben und wiederholte dieses Arbeitsexil 2016, mit den Kompositionen für Out of Silence als Ergebnis. Play Tracks 1- 3. Vom 06. - 13.04. sieben Konzerte am Stück in Deutschland, danach vereinzelt in der Schweiz. www.blaer.ch 

 LIVE 
 

jazz 04 17 blaerCover

Rohey - A Million Things

Jazzland / Edel

Oslo-Groove. Das norwegische Quartett um Frontfrau Rohey Taalah navigiert quer durch die Genres: Funk, Soul, Jazz - und auch mit poppigen Klängen weiß die versierte Sängerin umzugehen. Keyboarder Ivan Blomqvist ist für 70er Retroelemente zuständig, während Bassist Kristian B. Jacobsen und Drummer Henrik Lødøen das rhythmische Fundament legen. Roheys abwechslungsreich geratenes Debütalbum A Million Things wurde am 31.März auf Bugge Wesseltofts Label Jazzland Recordings veröffentlicht, wo sie als `Soul-Band für das Jahr 2017´ vermarktet wird. Ob Ballade oder Break - auf die Live-Umsetzung der Eigenkompositionen darf man gespannt sein. http://artribute.de/musik/rohe D-Konzerte Ende April, u.a. am 28.04. in der Münchner Unterfahrt.http://artribute.de/musik/rohey

 LIVE 

jazz 04 17 rohey

Tom Schilling & The Jazz Kids - Vilnius

Embassy of Music / Warner
Tom Schilling ist wie allgemein bekannt Schauspieler. So ganz hat man ihm kürzlich den Stasi-Romeo-Agenten in Der Gleiche Himmel nicht abgenommen - und mit seinem Part als Frontmann der Jazz Kids ist es ein bisschen ähnlich. Immer spielt Schilling gegen sein Bubi-Image an. Tom Schilling ist nicht: Sänger, auch wenn er es auf Vilnius versucht und ambitioniert Terrain beackert, das von Element of Crime und Nick Cave erschöpfend erschlossen wurde, auch die Knef dürfte ein Vorbild gewesen sein. Tom Schilling ist schon eher: Songwriter, der sich bei seinen Heroen das eine oder andere abschaut. Neun - knapp zur Hälfte als solche erkennbare - Eigenkompositionen haben es auf das Album geschafft - nebst Bettina Wegners Kinder (Sind so kleine Hände). Die seit Oh Boy immerhin mit dem Deutschen Filmpreis für die beste Filmmusik ausgezeichneten Jazz Kids begleiten TS lediglich. Mit Produzent Moses Schneider (Fehlfarben, AnnenMayKantereit) in den Hansa Studios aufgenommen, wie Annett Louisan, Duett-Partnerin bei Ja oder Nein, keine schlechte Wahl. Abschließend noch ein Coup: das Cover-Artwork - normalerweise unbezahlbar, stammt es doch von keinem Geringeren als Gerhard Richter, dem Schilling mutig einen Brief geschrieben hat. Tour im Mai. Check out: https://de-de.facebook.com/TomSchillingAndTheJazzKids
 LIVE 

jazz 04 17 TomSchilling

Christoph Pepe Auer - Songs I like - germany edition

O-Tone / Edel Kultur

Manche werden den österreichischen Multi-Instrumentalisten Pepe Auer als Living Room-Duopartner von Manu Delago kennen. In Austria ist Auer dem Publikum auch als (Sax- & Klarinetten-)Solist der Jazz Big Band Graz ein Begriff. Sein Songs I Like mischt Eigenkompositionen und verfremdete Neuarrangements von 90er Jahre-Tracks von Nirvana bis Prince. Das Ausloten des Klangspektrums der Bassklarinette von holzig-warm bis hin zu (seltenen) schrillen Spitzen passiert in Sampleform. Diese Dubs werden mit elektronischen Beats versetzt, weitere Klangfarben liefern etwa Drehleier, Akkordeon und Cello. Jazz ist hier nur eine von mehreren Komponenten, darunter auch Weltmusik und Elektronik. Für die neue Germany Edition kommt die frisch produzierte Single Communication hinzu. Konzerte in Österreich vom 12.05.- 04.06. check out: www.pepeauer.com

LIVE
 

jazz 04 17 ch pepAuerGerm

© cinesoundz 2017