Reviews 6-7-10 Pop/Rock

* soundtrack * filmmusic * pop/rock * catalog * jazz * electro * world * football special *

 LCD Soundsystem - This Is Happening
 
 PIAS - Rough Trade TIPP!
 
 
 
"We won´t be your babies anymore..." Für James Murphy, Chef des LCD Soundsystem, soll im hohen Alter von 40 erstmal Schluss sein mit Hits, Albenroutine und Live-Gigs. Dieses Werk noch und dann Ruhe an der Veröffentlichungsfront, so ist es beschlossen und verkündet. Die Journaille musste dabei gar nicht erst nicht milde gestimmt werden. Auch das aktuelle, mit deutlichen Bowie- ("All I Want"),Talking Heads-("Dance Yaself Clean", "Pow Pow") und OMD-("I Can Change")-Referenzen aufwartende Album wird fast ausnahmslos positiv aufgenommen - nach musikalischem Altenteil klingt auch "This Is Happening", trotz dem leicht verquasten "Somebody´s Calling Me" nicht gerade. Bleibt abzuwarten, ob es der New Yorker nun tatsächlich auf der Höhe seines Schaffens mit dem dritten Alben-Streich gut sein lässt oder mit welchen (Filmmusik?)-Projekten man ihn doch hinterm DFA-Ofen hervorlocken kann. Einige Festivals spielt er erstmal noch...
 

 
 
 Morcheeba - Blood Like Lemonade
 
 PIAS - Rough Trade  
 

Was ist von Downtempo oder Trip Hop noch zu erwarten? Morcheeba jedenfalls melden sich gerade mit "Blood Like Lemonade", dem siebenten Album zurück. Seit 1996 sind zwar keine revolutionären Änderungen im Sound der Band vorgefallen, aber Sängerin Skyes vertraute Stimme wird mit kleinen Arrangement-Variationen wie afrikanischen Rhythmen, Folk- und Blues-Anklängen oder der Verwendung einer Sitar unterstützt. Was für Abwechslung sorgen soll. Gleichwohl fehlt diesem gefälligen Flow ein wirklich gutes Songwriting: Etwas hervorgehoben allein der Titeltrack. - für ein album zuwenig. Die Erstauflage der CD erscheint in einem aufwendigen Digipak. www.morcheeba.co.uk/ Play Track 3.
 

 
 
 We Are Scientists - Barbara
 
 PIAS - Rough Trade LIVE
 
 

Mit dem schrägen Humor ihrer beiden Vorgängeralben eroberte der nach New York zugezogene Doppel-Zweier We Are Scientists ihr Publikum und die Indiedisco-Tanzflächen im Sturm. Mit ihrem dritten Album "Barbara" kehren die Wissenschaftler nun wieder zum Trio aufgestockt durch den ehemaligen Razorlight-Drummer Andy Burrows zurück zu ihren Rock-Wurzeln. Das Genre-Hit-Schreiben haben die Primary Members & Ex-College-Kumpel Keith & Chris offenbar dennoch nicht verlernt, wie ein paar der in der vorderen Albenhälfte versammelten, meist kurzen Uptempo-Tracks beweisen. Später ist es nicht mehr ganz so abendfüllend.
Play Tracks 1-3, 8. www.myspace.com/wearescientists
Live bei den Hurricane & Southside-Festivals.
 

 
 
 
 The Divine Comedy - Bang Goes The Knighthood  
 PIAS - Rough Trade  
 

Truly british. "Maybe is this recession a blessing in disguise". Neil Hannon geht stellvertretend für seine Landsleute schonmal baden. Aber mit Schirm, Charme & Melone sozusagen. Stets mit Stil. 20 Jahre ist es auch schon her, daß uns der Ire mit dem Debüt seiner Divine Comedy beehrte. Auf "Bang Goes The Knighthood" paaren sich Streichorchester, Cabaret- & Vaudeville-Feeling und retroverliebter, überkandidelter Pop wieder munter - für Brit-Vintage-Connoisseure ein Fest, auch wenn es nicht an "Absent Friends" heranreicht. Angeführt wird der verspielt-verspulte Reigen von der charmanten Single "At The Indie Disko". Auch ein hübsches Booklet gibt es, mit allen Texten wie dem ganz oben zitierten "Complete Banker" und im Stil der "Avengers" gestalteten Innenseiten. Play Tracks 2, 3, 5, 7.
www.myspace.com/thedivinecomedy
 


 
 
 The Futureheads - The Chaos  
 Nul Recordings  
 

Melodiös und dynamisch kommen die Wave-Punkrocker der Futureheads auf ihrem vierten Album daher. 11 kraftvolle DIY-3-Minuten-Tracks aus Sunderland, die etwas härter als bisher gewohnt ausfallen, vielleicht auch, weil das Album von einem gewissen Youth (yes, Killing Joke u.a.) produziert wurde. Bisher live im Vorprogramm der Pixies und Foo Fighters positiv aufgefallen, dürften die Futureheads in diesem Sommer ihre Gefolgschaft vergrössern, zumal auch das Radio im UK von ihrer Single "Hearbeat Song" bereits angetan ist.

www.myspace.com/thefutureheads
 
 
 
 Marsmobil - (Why Don´t You Take) The Other Side
 
 Compost - Groove Attack  
 

Mit "Patience", einem starken Opener, der als über 8-minütige Reprise das Album auch beschließen darf, startet das dritte Album von Marsmobil, der Band des Münchner (langjährigen Passport-) Multiinstrumentalisten Roberto di Gioia. Überdeutliche Einflüsse der Beach Boys, frühe Pink Floyd-Psychedelik und Sunshine-Pop, sowie in Spurenelementen Jazz, Indie-Rock und Soul werden verarbeitet. Produziert von den Kollegen Peter Kruder und Christian Prommer und von Cameos à la Wigald Boning und The Illusionist (Max Herre & Samon Kawamura) veredelt. Der Endverbraucher kommt, anders, als Rezensenten außerdem in den Genuß eines 32-seitigen Booklets. Play Tracks 1-4, 10, 16.
www.marsmobil.net/ www.myspace.com/marsmobil
 

 
 
 Teenage Fanclub - Shadows
 
 Merge Records - Rough Trade
 
 

Das Warten der treuen Fangemeinde wird mit "Shadows" belohnt. Und möglicherweise weckt der melodische, recht folkige Sound der schottischen Veteranen ja auch bei dem einen oder anderen neuen Bekannten Intereresse - wenn er denn Geduld mitbringt. Denn mehr als einen Hördurchgang brauchen diese Clubberer schon. Die 12 hier enthaltenen neuen Songs sind im Gegensatz zum reduziert gehaltenen Vorgänger zumindest abwechslungsreicher arrangiert - Uptempo Songs wechseln sich dabei mit entspanntem Pop ab. Hin und wieder auch zu entspannt, manchmal austauschbar - aber alles Geschmacksache. Derzeit tourt die Band im UK, später sicher auch wieder in D. Auch als Vinyl-LP erhältlich.
www.teenagefanclub.com/
 

 
 
 Jet Tricks - All One World
Paintbox - Bright Gold And Red
Noblesse Oblige - Malady LIVE!
 
 Legère Recordings - Wild Chance - Repo Records / Alive  
 

Gut ein Jahr nach dem Debüt "Remote Control" haben Paul Elliot und Jamie Lawrence weiter an ihren Songwriting- und Arrangement-Skills gearbeitet - und das genreübergreifend: "All One Word" überzeugt vor allem durch das stimmige Nebeneinander von Folk und Soul bei feinen Einzelleistungen wie Marcus Malones Funk-Verve oder Andrea Brittons Vocals, der Hammond-Orgel von Stephen Lord Large oder der Gitarre von Dan Smith (Noisettes). Elliott & Lawrence glänzen im ersten Teil der CD, um dann etwas nachzulassen. Unangemessen karg leider die Infos der Vorab-CD, eine vollausgestattete Version hätte schon die Zuordnung der einzelnen Beiträge erleichtert. Play Tracks 1-4, 8, 10. www.myspace.com/jettricks

Schwenk in Richtung Art Pop, Abteilung Skandinavien. Paintbox waren kürzlich im Vorprogramm von Peter Gabriels Gitarristen David Rhodes in Deutschland live zu erleben. Grund genug, noch einmal auf zu Unrecht etwas untergegangene Album "Bright Gold and Red" von Ende 2008 hinzuweisen, dem bald ein weiteres folgen soll. Aus einem Seitenprojekt der Prog-Band Isildurs Bane hervorgegangen, liegt die Stärke des schwedischen Trios Fredrik Johansson, Magnus Helgesson und Linnea Olsson in den eingängigen, von Olsson einfühlsam intonierten Balladen.
Play Tracks 1-5, 8.
www.myspace.com/paintboxpaintbox

Thailands Vorzeige-Filmemacher Apichatpong Weerasethakul nimmt nun also auch Einfluß auf die - kunstinteressierte- Wave-Popszene. Das bisher zugänglichste Werk von Valerie Renay & Sebastian Lee Philipps (dem deutlich schwächeren Sänger) ist nach AWs Film "Tropical Malady" benannt, was für schwelende Leidenschaft und Versuchung stehen soll. Romantik-Pop an der Grenze zum Kitsch, angedunkelter Akustik-Wave-Sound mit intellektuellen Verweisen auf auf die Literatur des Schriftstellers Rene Depestre und die Feldarbeiten des Anthropologen E.E. Evans-Pritchard über Voodoozauber. Mit dem im bandeigenen Studio in Berlin geschriebenen und aufgenommenen dritten Album haben Noblesse Oblige wohl mit dem ihre Nische gefunden. Play Tracks 2,3,4, 10.
Live ab 11.6. in Halle, Stuttgart und Berlin.

 



 
 
 Little Axe - Bought For A Dollar Sold For A Dime
 
 Real World / Indigo
 
 

Bei solchen Deals kann man schonmal den Blues bekommen. Genre-Haudegen Skip McDonald hat sich wieder einmal mit Bassist Doug Wimbish und Drummer Keith Le Blanc für eine weitere Little Axe-Scheibe zusammengetan. Mit Produzent Adrian Sherwood und Sänger Bernard Fowler kamen alte (Tackhead-)bekannte für das fünfte Album des losen Blues-Kollektivs im Big Room der Real World Studios in der englischen Countryside zusammen. Gleichwohl sind die Studioeffekte gegenüber früheren Alben dezenter ausgefallen, die Axt legt hier eher wieder in Session-Atmosphäre schwarze Roots frei - es gibt mehr Gospel als Dub. McDoanld dazu: “I understand the blues better now that I’m older. But doing this album has made me feel young again." www.little-axe.com/



Carole King & James Taylor - Live at the Troubadour
Hear Music - Concord / Universal

Entgegen der Regel, dass an dieser Stelle eigentlich keine Live-Alben stattfinden, sei doch auf diese grundsolide Vorstellung zweier altgedienter Songwriter-Größen hingewiesen. James Taylor war bereits im Jahr 1970 gemeinsam mit Carole King aufgetreten, als beide noch ganz am Beginn ihrer legendären Karrieren standen. Nun - 36 Jahre später versammeln die beiden an gleicher Stelle - zum 50ten des Clubs - nicht nur die Originalmitglieder ihrer alten Band The Section (Danny Kortchmar, Leland Sklar und Russell Kunkel), sondern präsentieren sich auch mit entspannten Versionen diverser Hits in respektabler Form. Und weil das wirklich historisch anmutet, gibt es die DVD mit dem Auftritt hier gleich im Doppelpack dazu.
 







 
 
 
Villa Nah - Origin
 
 Keys of Life / Groove Attack
 
 

Aus Finnland kommt das von Jori Hulkkonen produzierte Duo Villa Nah mit seinem strikt synthetischen Retro-Pop zu uns. Der 80er-Elektro-Charme von Blancmange und OMD ist ja unlängst noch zu ganz anderen Popschaffenden gedrungen (siehe Faithless). Auch frühe Depeche Mode oder die Thompson Twins schwingen im stark verhallten Sound von Juho Paalosmaa und Tomi Hyyppä des öfteren mit - das ist auf Albenlänge nicht gerade originell, wirkt manchmal arg reißbrettartig, dürfte aber auch Anno 2010 noch genügend Hörer interessieren.
Play Tracks 2-4, 9, 10.
www.myspace.com/villanah www.villanah.com



Tru Thoughts Funk
Various Artists - Tru Thoughts - Groove Attack

Funky Appetizer-Compilation des Tru Thoughts-Labels mit ihren Helden Quantic (Soul Orchestra), Lizzy Parks, The Bamboos (hier kürzlich zuvorderst gewürdigt), Alice Russell, Natural Self, The Broken Keys, Kylie Auldist und wie sie alle heißen. Jedem Einsteiger empfohlen - und ein hübsches Cover hat die Scheibe auch. Nur schade, dass es keine LP davon gibt, die hätte noch mehr hergemacht.

www.tru-thoughts.co.uk


 





 
 
 CocoRosie - Grey Oceans LIVE-TIPP!
Avi Buffalo - Avi Buffalo VINYL-TIPP!
Darwin Deez - Darwin Deez TIPP!
 
 Souterrain Transmissions / Rough Trade - Sub Pop / Cargo - Lucky Numer / Rough Trade
 
 

CocoRosie floaten wieder mal auf ihren ganz eigenen Wellen, in diesmal erstaunlich melodischen "Grey Oceans". Diverse Björk-soundalike-Passagen, opernhaftes Tirilieren, Sprechgesang, Tristezza, Vogelgezwitscher, Spieluhrklänge, viele süße kleine Schrägheiten und Kunst!-Anspruch. Die Casady-Sisters unterwegs wie einst im
Nippon der 80s Miharu Koshi-wer kennt sie noch? Textübersetzungen verkneifen wir uns aber im cocorosieland.com
Nach dem Festival von Montreux stehen übrigens auch einige Live-Daten in Deutschland an.
Jung-Twen Avigdor Zahner-Isenberg aka Avi (Buffalo) und drei jugendliche Mitstreiter(innen) mit einem
hochgelobten, stimmig produzierten und verpackten Debüt. MGMT-ähnliche Vocals über Folk- und Westcoastistrumentarium sowie fast progrockig ausgeweiteten Songstrukturen. Stimmig produziert & verpackt.
Das Cover stammt von Avis Co-Produzent Devin O´Brien. Er selbst und Sängerin Rebecca Coleman steuern
weitere Bilder zum attraktiven Digipak bei. http://avibuffalomusic.com
Darwin Deez aus North Carolina ist schon seit einiger Zeit Teil der "Cafe Sidewalk"-Anti-Folk-Szene im East Village
und spielte schon mit Regina Spektor oder Adam Green. Seit seine Single "Constellations" (auch der Album-Opener)
im UK-Radio lief, waren so einige auf seinen ersten Longplayer gespannt. Zu Recht: frischer, in Gesang und
Produktion naturbelassen-angeschrägter Indiepop und vor allem gute Songs. Auch der Blick auf die DD-Coverfrisur
oder den einen oder anderen Text wird nicht so schnell langweilig. Play Tracks 1-4, 6,8,9. www.darwindeez.com
   

 

Din A Testbild - Programm 6
Torpedo Boyz - The Return of the Ausländers
3eme Sexe - Je T´aime Si Vous Voulez
Bureau B / Indigo - Lounge Records / Fx Records - Allscore / Indigo

Und zum Abschluss vermischte Werke aus deutschen Landen: Din A Testbild, in den 80s einst Teil der Berliner "Geniale Dilettanten"-Szene um die Neubauten. Seit Mitte dieses Jahrzehnts hat Bandgründer Mark Eins das Projekt wiederbelebt, mit den Teilzeitmitgliedern Ralf Zimmermann, Nutty Norman und Axel Brand. Für die irgendwo zwischen Krautrock und Haupstadt-Elektro siedelnde, aktuelle Industrial-Groove-Collage "Programm 6" hat auch PVC-Kollege Gerrit Meijers etwas Schmutzgitarre beigesteuert. Für Mark Eins die "akustische Kulisse für das 3. Jahrtausend". www.myspace.com/dinatestbildmusic
Torpedo Boyz-Neues, ebenfalls aus Berlin, verantwortet vom Halb-Japaner Kenstatic/Space Kelly. Hier geben sich nicht unclever zusammenkopierte Chemical Bros-Beats, funky Soundideen, Nihongo-Rap und Technopop ein Stelldichein. Selbstironischer Höhepunkt: "das flotte "Ich bin Ausländer (Leider Zum Glück)". Weiterhin erwähnenswert: die Kraftwerk Hommage/Verarsche "Maschinenwelt". www.torpedo-boyz.com/
3éme Sexe ist das aktuelle Projekt von Musiker, Komponist und Produzent Justin Schoening. Seit 2006 wechseln die Besetzungen, nun soll mit Christelle Paris (Vocals/Recitation) und Lola Renault (Additional Guitars) und ihren Pseudonymen Kontinuität einkehren. Gesungen wird auf Deutsch, Französisch & Englisch. Regisseurin der (Myspace)-Videoclips ist Christina Palmegaard, ansonsten für Lars von Triers Zentropa im Einsatz. Im Vintage-Style produziert von Pornorama-Produzent Thomas Bon De Gaard in dessen Kopenhagener Funkwerk Studio: 60s Beat, Lo-Fi-Pop, Retro-TV-Serien-Feeling, bissel Elektro & French Yeah Yeah. Meist gar nicht schlecht. Und Lee Hazlewood lässt auch mal grüßen. www.myspace.com/3emsexe
 
 
 
   

 
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