REVIEWS POP 06-2016
abc - the lexicon of love ii / rick astley - 50
EMI / Universal * Bmg Rights Management / Warner
TIPP
eric clapton / i still do / bob dylan - fallen angels
Pölydor / Universal * Columbia / Sony
Niemand wird von Eric Clapton etwas anderes erwartet haben als das entspannt-bluesige Spätwerk, das er mit dem 23. Studioalbum I Still Do abgeliefert hat. Erneut arbeitet Clapton hier mit Produzent Glyn Jones zusammen, unter dessen Ägide schon der Album-Klassiker Slowhand Anno 1977 entstand. Mit Can't Let You Do It und Somebody's Knockin' sind erneut zwei JJ Cale-Kompositionen, die Clapton bekanntermaßen besonders liegen, mit dabei - schneller als auf diesen Midtempotracks wird es hier nicht. Für Verwirrung unter Fans sorgte zwischenzeitlich George Harrisons Pseudonym Angelo Mysterioso (beim Track I Will Be There) - doch der verstorbene Beatle war hier wohl doch nicht direkt beteiligt. Anders als die Mitstreiter Paul Carrack, Dave Bronze, Andy Fairweather Low oder Simon Climie - letztere beide schrieben mit dem Meister gemeinsam auch den Track Spiral. ´Blaumann´-Cover Artwork von Peter Blake und mit I Dreamed I Saw St. Augustine auch ein Stück von - Bob Dylan. Gegen dessen nunmehr 37 Studioalben nehmen sich Claptons 23 regelrecht bescheiden aus, dabei ist Dylan mit 75 nur ganze vier Jahre älter. Wie Eric packt Bob genau 12 Songs auf sein von Jack Frost produziertes Follow-Up zum Sinatra-Tribute Shadows In The Night - erneut allesamt quasi unkapputtbare Klassiker des `Great American Songbook´. Die Komponisten Johnny Mercer & Hoagy Carmichael, Harold Arlen, Sammy Cahn, Isham Jones & Gus Kahn oder Johnny Richards & Carolyn Leigh verschweigt das spartanische Booklet, für Dylans sparsam agierende Begleitband reicht es gerade noch. Wenn man sich mit Dylans oft näselnder, unsauber intonierender Gesangsmanier (er war schon schlimmer unterwegs) abgefunden hat, birgt das Album durchaus berührende Momente, gewissermaßen als stilistische Antithese zu `Ol´ Blue Eyes. Und Dylan ist kein Mann der Vergangenheit - Wer zwei Tickets für die laufende US-Tour kauft, erhält das Album - als CD - on top. Sign of the times... |
Live Dates US Tour |
charles bradley - changes / Robert Coyne & jaki liebezeit - i still have this dream
Dunham - Daptone Records / Groove Attack * Meyer Records / Rough Trade LIVE-TIPP
Dem dritten Album des 'Screaming Eagle Of Soul', erneut mit Produzent und Co-Songwriter Thomas Brenneck eingespielt, wurde von Publikum & Kritik ein warmer Empfang bereitet. Der 67-Jährige aus Brooklyn, lange Jahre als James Brown-Impersonator unterwegs, spielt hier eher mit diesem Teil seiner Vergangenheit, als sich von ihr zu distanzieren - auch wenn statt dem Opener God Bless America mit Changes ausgerechnet ein Black Sabbath-Track als Titel für das Album herhalten musste. Mit Musikern aus Daptone-Gruppen wie der Menahan Street Band, der Budos Band, den Dap-Kings und Bradleys aktuellen Tour-Ensemble (s.u.) Extraordinaires sowie diversen Backgroundsängerinnen wie den Sha La Das, den Gospel Queens oder Saun & Starr profitiert Bradley zudem von hochkarätiger Unterstützung für sein Soul- und Gospel-Package.
2 Die Zusammenarbeit des britischen Alternative-Folk-Songwriters Robert Coyne mit Can-Schlagzeuger Jaki Liebezeit geht mit dem Nachfolger zu The Obscure Department & Golden Arc in die driite Runde. Roberts verstorbener Vater Kevin Coyne hatte seinen Sprößling schon als Kind mit Musik von Can und Jaki Liebezeit `gefüttert´ - vielleicht rührt die Symbiose des ungleichen Gespanns ja daher. Jedenfalls bildet Liebzeits stilistisch spezielles Metronom-Getrommel die Basis, auf der sich Coynes möglichst einfach instrumentierte Songs entfalten können. In diesem stimmigen, aber kargen Umfeld sorgen nur gelegentlich Aglaja Camphausens Cello & Stimme für Farbtupfer. |
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ina forsman / andy frasco and the u.n. - happy bastards
beide: Ruf Records / In-Akustik
Leidenschaftlich, gefährlich. Mit Raubtierblick schaut Ina Forsman vom Cover ihres aktuellen, in Texas aufgenommenen selbstbetitelten Albums. Mal brünett, mal rothaarig, mal wasserstoffblond, den rechten Arm bis zum Handgelenk voller Tattoos - die Inszenierung der junge Finnin fällt auf im Zirkel der globalen Blues-Gemeinde. Dabei keine Nebensache: diese Stimme, mit der Forsman im Rahmen des Blues Caravan in diesem Jahr Bühnen weltweit live aufmischt. Mit mehr stilistischer Breite als zuvor im ´Ausbildungsbetrieb´ von Bandleader Helge Tallquist - eigenen Songs, jeder Menge Soul und sogar einer Reggae-Nummer im Solo-Album-Gepäck - könnte die junge Blueslady bald in die Fußstapfen einer Amy Winehouse treten - die rein musikalischen wohlgemerkt. 2 Where Blues crosses over... noch mehr Stoff aus dem Hause Ruf Records: Der kalifornische Bandleader Andy Frasco steht bei seinen Live-Shows bis in die Haarspitzen unter Strom - derzeit ist er mit seinem kosmopolitischen Ensemble The U.N. auf Tour in den USA, auch um das aktuelle, von Rick Parker (Lord Huron, Blacl Motorcycle Club) und John Avila (Oingo Boingo) mit 70´s-Flair produzierte Album Happy Bastards zu promoten - und den vorauseilenden Ruf einer verlässlichen Partyband zu festigen. "Wenn ich am Ende der Shows 90% der Leute lächeln sehe, weiß ich , dass ich meinen Job gut gemacht habe" meint Frasco. Blues-Rock ist die Basis der unterhaltsamen Truppe, zuweilen mit Northern Soul, Funk und einem Schuss Reggae-Beat angereichert. Play Track 3 Doin´It & Track 6 Here´s To Letting You Down. |
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richard ashcroft - these people / james - girl at the end of the world
Righteous Phonographic Association -Cooking Vinyl / Indigo TIPP! * Bmg Rights Management / Rough Trade
Für sein viertes, auf seinem eigenen neuen Label erschienenen Studio-Solo-Album "These People" arbeitet Ex-The Verve-Frontmann Richard Ashcroft nach zehn Jahren Veröffentlichungspause wieder mit Chris Potter & Arrangeur Will Malone zusammen, dessen Trademark-Streicher hier mehrfach breitwandig zum Einsatz kommen. Am ehesten in Richtung Bittersweet Symphony geht es bei der ersten Single This Is How It Feels (die zweite ist die Uptempo-Nummer Hold On). Track Nr.3, They Don´t Owe Me könnte auch von Mike ´Waterboy´ Scott stammen. Weiter punkten der mit Electro-Anleihen versetzte dramatische Uptempo-Opener, Everybody Needs Somebody To Hurt ("Caught in the middle of life is just a riddle full of bad dreams") oder das vocoder-garnierte Ain´t The Future So Bright, während ausgerechnet der Titeltrack vergleichsweise blass bleibt. Insgesamt starkes Comeback - im UK auf Platz 3. Ashcroft singt beseelt. Mittlerweile sogar über 30 Jahre im Geschäft: die englischen Nineties-Indie-Rocker von James - gegenwärtig zurück mit ihrem 14. Studio-Album. Gleich der Wall of Sound-Uptempo-Opener Bitch will mit aufdringlich und bis zum Anschlag komprimierten Bläserfanfaren, Synthies, schneidenden Vocals & Gitarren deutlich zu viel - hier wäre weniger mehr - und (u.a.Killers-)Produzent Max Dingel gefragt gewesen - auch ein Track wie Waking wäre zu retten gewesen. Girl At The End Of The World wird trotz der durchgängig aus dem Ruder gelaufenenen Überproduktion von der treuen Fangemeinde in Ehren gehalten werden - gleichwohl bleiben James ein UK-Phänomen, da hilft auch ein (Synthie-) Gastauftritt von Brian Eno (bei Track 3) nicht. Aus unserer unmaßgeblichen Sicht: Britpop der schwächeren Sorte. |
michael franti & spearhead - soulrocker
Concord / Universal
brisa roche - invisible 1 / the jooles - moving memories
Kwaidan (Indigo) * Waterfall Records (Broken Silence)
Sie will sich einfach nicht festlegen (lassen). Markenzeichen der zwischen den USA & Frankreich pendelnden Sängerin Brisa Roche scheint eine gewisse Unentschiedenheit zu sein, die sich auch durch das neue Album Invisible 1 zieht. Musikalisch werden mal lieblicher Pop, mal Elektro-, Girl Group- oder Folk-Anleihen ins Spiel gebracht, mal mit etwas Indie-Sex-Appeal, mal artsy, mal klingt Brisa wie Lana del Rey, mal wie Julee Cruise. Sowas kommt bei Kollaborationen beiderseits des Atlantik heraus - mit den Künstlerkollegen Blackjoy, Nouvelle Vagues´ Marc Collin oder Thibaut Barbillon. Play: den Opener Lit Accent, das an Les Rita Mitsouko erinnernde Groupie (Track 5) oder Disco (Track 7), bei dem der Tom Tom Club Pate gestanden haben könnte. Das ist mal großartig auf den Punkt, mal lässt es den Hörer eher ratlos zurück - na, mit Brisa wird es zumindest nicht langweilig. Im Mai haben die seit 2011 aktiven The Jooles aus Berlin ihre Release-Tour absolviert, die sie durch deutsche Städte und bis nach London führte. Auf seinem Debütalbum bietet das Quartett um Sängerin Daria Wabnitz recht 13 muntere, oft retro-angehauchte Songs zwischen Beat und Pop, bei denen trotz aller Spielfreude insbesondere produktionstechnisch zuweilen noch Luft nach oben ist. Auf fünf Tracks setzt die Flöte von Gastmusiker Sebastian Borkowski Akzente. 'Moving Memories' erscheint als CD im vierteiligen Digifile-Format sowie als limitiertes Vinyl. Play Track 1 Rest Of Me & 3 Break Of Dawn. |
Ωracles - bedroom eyes / Oscar - cut and paste
Thiscarmingman / Cargo * Pias Coop - Wichita Recordings / Rough Trade
FESTIVAL-LIVETIPP
Psychedelischer Nachwuchs: Nach fleißigem internationalen Live-Engagement mit viel Vorschußlorbeeren bedacht, erschien Ende Mai das Ωracles-Debüt Bedroom Eyes, mit einer neblig-stimmigen Mischung aus Psychedelica, Shoegaze, Krautrock, frühen Pink Floyd- & deutschen Elektronik-Anklängen. Ihr See Emily Play trägt den Titel The Lethargy of Many und d.i.y.-aufgenommen wurde in der Klausur eines Bauernhof in Schleswig-Holstein (im Februar 2015 bereits). Fragil, introvertiert und ambitioniert - wie das der CD beiliegende Text- & Collagen-Fold-out-Poster - gibt sich das Quintett, in dem alle Mitglieder des Kollektivs auch Vocals beisteuern. Bester Track: Nr.11, Amoeba. Live-Termine Ωracles live am Samstag, 16.6. beim PULS Open Air! Auf dem ersten Track von Cut And Paste agiert der junge Londoner Oscar (Scheller) als Garagenausgabe von Human League-Sänger Phil Oakey, auf dem zweiten kommt vor dem Indie-Pop-Refrain ein off-beat ins Spiel. Der angesagte Newcomer mischt Pop-Appeal mit übersteuertem Gitarren-Noise und angestrengt tief wirkendem Gesang - das trägt eigentlich kein ganzes Album, aber um solche Petitessen hat sich der ewige Phillip Boa schließlich auch nicht geschert (vermutlich verliert Oscar früher die Lust am selbstproduzierten Output). Auch auf dem Debüt: ein Duett mit Folksternchen Marika Hackman (Only Friend). www.oscaroscar.co.uk Out Of The Woods Festival, Wiesen, (AT) & am Weitere Live-Termine in D ab Mitte Oktober. |
www.oraclesparadise.comFESTIVAL-LIVETIPP
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boxer rebellion - ocean by ocean / eagulls - ullages
Absentee Recordings * Pias UK - Partisan / beide: Rough Trade
FESTIVAL-LIVETIPPs
The Boxer Rebellion aus London mit "Ocean By Ocean" ihrem fünften Studioalbum, das erste seit dem unkommentierten Ausstieg ihres australischen Lead-Gitarristen Todd Howe. Die Stimme ihres amerikanischen Sängers Nathan Nicholsons ähnelt der von a-ha´s Morten Harket, insgesamt klingt es hier teils bedenklich nach Coldplay. Mehr Synthie als Gitarre, viel Glätte & jede Menge Melo-Pathos. www.theboxerrebellion.com Was nicht alles schon reicht, um im UK kurzzeitig als `the next big thing´gehandelt zu werden. Eigentlich als Punk-Quintett gestartet, sind die Eagulls aus dem oft unterschätzten Leeds schon mit dem zweiten, von Matt Peel produzierten Album Ullages (ein Anagramm des Bandnamens) bei einer Art The Cure-Tribute-Sound gelandet, was neben der Gitarrenarbeit vor allem dem leidend-pathetischen Gesang von George Mitchell geschuldet ist, der eben verdammt nach Robert Smith klingt. Am 27.7. spielen Eagulls live in der Schweiz - auf der Seebühne der Züricher Rote Fabrik. |
Introducing karl blau
PIAS Coop - Bella Union / Rough Trade
Sein Produzent Tucker Martine spricht von Sänger & Multiinstrumentalist Karl Blau als ´hook merchant´. In der Tat hat der ehemalige Austernzüchter Blau aus Anacortes, Washington ein Händchen (und eine spezielles Timbre in seiner Stimme) für die Veredelung fremden Songmaterials. Das stammt hier meist von Größen wie Townes Van Zandt, Link Wray oder Barry & Robin Gibb - sogar deren x-fach gedudeltem To Love Somebody gewinnt KB etwas ab Heraus kommt sonst meist Country der subtilen Sorte, mit Folk- & Pop-Anleihen - with a little help from Jim James (My Morning Jacket), Laura Veirs oder Steve Moore (Earth), die Indie-Hero Blau - nebst Tucker Martine - auf dem ungewohnten Terrain unterstützen . Play Tracks 1 - 4,10. http://karlblau.com |