REVIEWS WORLD 09-2016
Leyla McCalla - A Day for the Hunter, A Day for the Prey
PIAS - Jazz Village / Rough Trade
"This album is dedicated to the human spirit, ever in search of freedom, love, safe harbor and a sense of home" Nicht dass es nicht schon mit dem seelenvollen Opener & Titeltrack aus der Feder dieser haitianisch-stämmigen Bayou-Prinzessin und ihrem Blick vom Cello ins Weite um einen geschehen wäre. Leyla McCalla spielt außerdem Tenorbanjo & Gitarre, singt auf englisch, französisch sowie in Haiti-Creol und mischt auf dem vorliegenden Album Einflüsse aus der karibischen Heimat ihrer Eltern, aus Ghana (wo sie einen Teil ihrer Jugend verbrachte), US-Folklore und Cajun. Seit 2010 in New Orleans ansässig, interessierte sich sich zunehmend für die Verbindungen zwischen Louisiana und Haiti, beider Terrains volkstümliche Musik sowie panafrikanisches Bewusstsein. Music from (at least) two worlds - with a conscience. Chapeau. http://leylamccalla.com Nur die USA & Frankreich bekommen Leyla McCalla derzeit live zu sehen. Am 11.11. immerhin (genau) ein Konzert im schweizerischen Fribourg. |
TIPP |
Alfredo Rodriguez - Tocororo
Mack Avenue / In-Akustik
Quincy Jones als Co-Produzent, was für eine Empfehlung! Der 1985 in Havanna geborene Pianist Alfredo Rodríguez, Sohn von Sänger & Komponist Alfredo „Alfredito“ Rodríguez hat sein neues Album nach dem Tocororo, dem Nationalvogel Kubas benannt, der in Gefangenschaft nicht lange überlebt. Ob live mit Herbie Hancock oder Wayne Shorter auf der Bühne oder im Aufnahmestudio, Rodriguez´ überbordende Musikalität steht außer Zweifel. Nach dem Einstieg mit einer übers Piano hüpfenden & in dann in einen kurzen Rock Ausbruch verfallenden Chan Chan-Version, Fusion mit tollem Gesangsarrangement (Yemayá) & dem langsamen, von Richard Bonas Lead-Gesang & Chor veredelten Raices(Roots), folgen etwa noch Flamenco-Gesang von Antonio Lizana und weitere illustre Gäste wie das französisch-kubanische Vokal-Duo Ibeyi (Lisa-Kaindé & Naomi Díaz) der französisch-libanesische Trompeter Ibrahim Maalouf oder die südindische Sängeri Ganavya mit denen Rodriguez in einen stets spannenden Dialog tritt. Riesen wie Bach oder Piazolla erweist der junge Jazz-Piano-Wilde nebenbei auch noch seine Reverenz. Aktuelle Empfehlung. |
TIPP |
Christine Salem - Larg Pa Lo Kor / Iyeoka - Gold
Blue Fanal / Broken Silence * Underground Sun / Edel
1 Musik von der Insel La Réunion im Indischen Ozean. Die 44-jährige Christine Salem, wichtigste Protagonistin der heimischen Maloya-Folklore, veröffentlicht als sechstes Studioalbum ein Album mit Blues-Einflüssen, produziert mit dem französischen Gitarristen Sébastian Martel. Die nach Gehör (Gitarre und die Doppeltrommel Roulèr) spielende Künstlerin möchte die Traditionen ihrer Heimat bewahren & pflegen. Die Texte der großteils in Kreol und der Spielart Langaz verfassten 13 Stücke aber sind zwar im Booklet abgedruckt, allerdings ohne Übersetzung, womit ihr Inhalt den Kreol-Sprachigen in der Hörerschaft vorbehalten bleibt. 2 Die in den USA geborene Tochter nigerianischer Eltern hatte mit Say Yes ein recht stimmiges Albumdebüt vorgelegt. Mit Gold geht es nun noch einen Schritt weiter in kommerzielle Gefilde. Möglichst singalong soll es sein, ob als R&B-Ballade oder mit etwas uninspiriert wirkenden Reggae- oder Uptempo-Beats unterlegt. Der erste erwähnenswerte Track ist aber erst das an Nr. 4 platzierte Black Coffee - Afrobeat meets Disco. Der zweite dann an 7: das verhaltene Every Second Every Hour - dann ist das Album in der Spur & groovt bis zur Nr.10, Sinnerman (Ursprünglich ein von Nina Simone gesungenes Spiritual), dem folgenden Spoken Word-Track Sweet Song und dem ruhigen Wait For It. Das Mainstream-Machwerk Hurricane ganz am Schluß funktioniert nur in einer Hinsicht: als echter Rausschmeißer.Durchwachsener Eindruck. https://iyeoka.com Am 6.8. live bei den Afrikatagen Wien. |
LIVE
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Systema Solar - Rumbo A Tierra / Sociedade Recreativa
Flowfish * Jarring Effects / beide: Broken Silence
1 Latin Electro Fusion aus Kolumbien. Beim Wassermusik-Festival im Berliner HdKW startete das Systema Solar Kollektiv seine Europa-Sommer-Tournee incl. einiger weiterer Auftritte auf deutschem Terrain. Seit Mitte Juli ist auch das aktuelle, dritte Album bei uns erhältlich, das ein schönes Beispiel für die kolumbianische Pikos-Variante des jamaikanischen Soundsystems liefert. Das Artwork des Albums stammt übrigens von William Gutierrez, einem der bekanntesten Genre-Künstler Kolumbiens - mit ähnlichen Motiven bemalt, tragen die Pikos-Lautsprecherwagen heisse elektrifizierte Sounds im Norden Kolumbien bis in entlegene Dörfer. Visuals gehören beim in der Subkultur verwurzelten Systema Solar stets mit zur tanzbewegten Performance. Rumbo A Tierra kann die zwar nicht ersetzen, aber die Pause bis zur nächsten Tour ganz passabel verkürzen. 2 |
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Afro-Haitian Experimental Orchestra - A-H-E-O
Glitterbeat / Indigo
Wie abhängig die Afrobeat-Legende Tony Allen von der Tagesform ist, davon konnten sich Münchner Fans im Sommer des letzten Jahres im Bayrischen Hof überzeugen.Ein Jahr später erscheint auf Glitterbeat ein neues Projekt des Drum-Wizards, das Debüt des von Tony Allen zusammengestellten Afro-Haitian Experimental Orchestra (AHEO). Sänger, Wissenschaftler & Voodoo-Priester(!) Erol Josué gründete das Ensemble im Rahmen eines vom Französischen Institut ermöglichten Allen-Besuchs in Haiti: Er rekrutierte verschiedene Instrumentalisten aus etablierten Bands wie Sanba Zao’s, Lakou Mizik, Yisrael Band oder Racine Mapou. In erklärtermaßen "chaotischen", stundenlangen Jam-Sessions entwickelte das frisch gebackene All-Star-Team mit Allen die vorliegenden acht Titel - das Grundgerüst für AHEO. Zur Chant-Single Bade Zile gibt es auch ein Video. |
Richard Bona - Mandekan Cubano Heritage
Qwest / Membran
Das weltweit vieldekorierte, ebenfalls bei Quincy Jones´Management unter Vertrag stehende Kameruner Multitalent Richard Bona hat seine Heimat bereits 1967 verlassen und lebt heute abwechselnd in Paris & New York. Der Sänger & Jazz-Bassist hat genreübergreifend bereits mit Paul Simon, Manu Dibango, Stevie Wonder, Salif Keita, Chick Corea, Harry Belafonte, Kazumi Watanabe oder Pat Metheny gespielt, sich sowohl mit Blues oder indischer Musik beschäftigt. Auf seinem aktuellen Album experimentieren Bona & sein karibisches Ensemble Mandekan Cubano ausführlich mit afrokubanischer Musik (siehe Bonas aktueller Beitrag bei Alfredo Rodriguez). seinen afrikanischen Einflüssen bleibt der Songschreiber & Produzent natürlich auch auf Heritage treu. |
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henri texier - sky dancers
Label Bleu - Broken Silence
Ein Jazz-Themenalbum - der renommierte französische Bassist & Ensemble-Leader Henri Texier unternimmt mit Sky Dancers eine musikalische Traumreise in das indianische Amerika des 19. Jahrhunderts. Seit seiner Kindheit vom Mythos Indianer fasziniert, widmet sich der Europäer hier verschiedenen großen Stämmen (Mic Mac, Dakota, Mapuche, Hopi, Navajo oder Comanche) und im Titel speziell den indianischen Arbeitern, die in den USA im 19. Jahrhundert furchtlos über die Wolkenkratzer-Stahlträger balancierten und so insbesondere New Yorks legendäre Skyline aufbauten. Texier baut dabei keine Folklore-Motive ein, sondern schlägt mit seiner Band einen offenen erzählerischen Bogen, auf den sich Phantasiebegabte einlassen können. www.maitemusic.com/Henri-Texier |
sunna gunnlaugs - cielito lindo
sunny/sky / Galileo MC
Ay, ay, ay, ay, canta y no llores...ein ungewöhnlicher Einstieg für ein Album mit nordischem Jazz, aber der Einstieg mit dem bekannten mexikanischen Volkslied (als Instrumental) gelingt auf dem dritten Album der isländischen Pianistin Sunna Gunnlaugs mit ihren Mitstreitern Þorgrímur Jónsson und
Scott McLemore scheinbar mühelos - später wird auch noch Gershwins Summertime gegeben. Unterkühlt geht es hier also keinesfalls zu, aber auf die Klarheit im Arrangement und die bekannten zupackenden Tempowechsel müssen Fans des Trios auch bei den restlichen neun Stücken nicht verzichten. www.sunnagunlaugs.com |
yemi alade - mama africa
Effyzie Music Group / Groove Attack
The Diary of an African Woman - In den Tagebuchaufzeichnungen der nigerianischen Afro-Pop/R&B-Künstlerin Yemi Eberechi Alade, vielbeschäftigt als Songwriterin, Komponistin & Schauspielerin, dürfte sich viel um die neuesten Afro-Beauty- & Modetrends, Holly- & Nollywood-Entertainment, US-amerikanischen R&B & jamaikanische Ragga-Producer-Styles drehen. Als Oberflächlichkeit sollte man dem Yoruba-Ibo die Plastik-Beats auf Mama Africa und seine Girl Group- & Talentwettbewerb-Vergangenheit nicht auslegen: die erfolgreiche junge Dame hat nicht nur die nigerianischen Grammys moderiert und ist schon mit Mary J. Blige aufgetreten, sie engagiert sich auch als Botschafterin für die UNESCO. |
Cuban Rare Groove / Peru Rare Groove
beide: Various Artists - World Music Network / Harmonia Mundi
1 That irresistible Peruvian flavour...Die vorliegende Rough Guide-Kopplung taucht ein in das Goldene Zeitalter der Plattenindustrie und des Rare Groove im Andenstaat Peru. Das Kompilatorenteam Pablo E Iglesias/Peace & Rhythm enthält dem Interessierten leider die Jahreszahlen ihrer mutmaßlich aus den 60s/70s stammenden Ausgrabungen vor, dagegen gibt es aber Labelangaben & Produktnummern der Alben & Singles für ambitionierte Digger - die Namen, bis auf Johnny Arce´s reichlich gecovertes Macondo vielleicht, sind nur bei Auskennern ein Begriff. Salsa und Cumbia-Spielformen dominieren, ergänzt von jazzigen Passagen. Die Vielfalt der peruanischen Musiklandschaft mit Einflüssen insbesondere aus Kuba & Kolumbien, neben Westimporten von Rock bis Disco, wird angedeutet. Zum Vertiefen: Peru Maravilloso & Peru Bravo. 2 Das kubanische Äquivalent der Serie vom gleichen Selecter-Team widmet sich dem karibischen Musik-Schmelztiegel schlechthin - hier auch mit Jahresangaben zu den einzelnen Titeln. Post-revolutionäre Tanzmusik seit den 60s (bis 2016!) in einer großen Stilbandbreite von Funk, Boogaloo, Rock, Jazz & Disco und zwar von kubanischen Exilanten - aus der Diaspora von Florida bis Europa. Mit von der Partie: Francisco Fellove, Pantaleon Perez Prado, Willy Chirino oder Miamis Spam Allstars mit einem ganz neuen, bisher unveröffentlichten Track! |