DRACULA 2021 Special
Graue November- & Dezember-Tage mit dem klassischen Vampir:
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"Bela Lugosi´s dead - undead -undead." |
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Staying alive. Bekanntermaßen nicht totzukriegen: Dracula - der einzig wahre Graf und GröVaZ - größter Vampir aller Zeiten, reüssiert auch während Corona. Kaum überraschend, gibt es doch in der Kulturgeschichte mannigfaltige Berührungen zwischen Vampir und Virus, ist ersterer doch figurgewordene Pandemie in Stokers Briefe-Roman mit dem grausig-winterlichem Finale, das auch viele neuere Adaptionen nur allzugern aufgreifen (s.u.) Bis wir den Viren den Garaus bereitet haben (oder sie uns), noch eine Handvoll Tipps für gepflegtes Blutsauger-Gruseln im November 2021. |
Dracula - Grosse Kommentierte Ausgabe
Bram Stoker / S.Fischer - TOR Verlag
Leslie S. Klingers ultimative kommentierte Ausgabe - im Original von 2008, seit 2019 bei Fischer/Tor auf deutsch. Vorwort von Neil Gaiman. Tanz der Vampire - in the tub with Sharon. Das fantastische Filmposter zu Polanskis furiosem Grusical von 1967 auf einer von 648 Seiten. Etwas ausführlicher (wenn auch bei weitem nicht erschöpfend) sind Les Klingers Stichproben, was Dracula auf Bühne und Leinwand angeht: Viele Details zur Fülle verschiedener Bühnenbearbeitungen - wichtig nicht nur, weil die späteren Film-Grafen Bela Lugosi oder Frank Langella (der 1979 in John Badhams Kino-Version zur Scoremusik von John Williams einen formidablen romantischen Vampir gab) eben zuvor auf Bühnenbrettern brilliert hatten. Hierbei richtet Klinger den Blick nicht nur auf angelsächsisches Repertoire, es findet sich sogar das Filmbuch zur verschollenen ersten Celluloid-Adaption überhaupt, dem ungarischen Drakula halála / Draculas Tod von 1921 (das tschechische Musical Dracula von 1997 allerdings nicht). Nach immerhin 16 Film-Seiten folgt der nicht einmal augenzwinkernde Versuch, aus frühesten bis neueren Quellen Draculas Stammbaum zu destilieren, unter losen Bezügen zu weiteren Buch- und Filmwerken des Genres. Nach kurzen Hinweisen auf den (International) Count Dracula Fan Club dankt der Autor diversen Helfern. Auch der interessierte Leser dankt - nun bis Jahresende gut beschäftigt. |
TIPP |
Das letzte Mitglied des Drachenordens "Dracul", Vlad III. Tepes, Graf Orlok, Nosferatu, Graf Dracula, Fürst der Walachei. Namen, die den einen, überragend populären Vampir kleiden, den Bram Stoker (1847-1912) in seinem zwar in der viktorianischen Epoche verwurzelten, doch offenbar zeitlosen Roman in Briefform 1897 erschuf. Die opulente, von Herausgeber Leslie S. Klinger editierte Ausgabe, die sich in der deutschen Übersetzung inklusive umfangreicher Kommentare, Bibliographie & Anhänge auf stolze 650 Seiten summiert, wartet mit einer geradezu überbordenden Fülle von Anmerkungen auf, die verschiedenste Zugänge zum Original ermöglicht. Nach den ursprünglichen 27 Kapiteln, durch die Anmerkungen auf ein Vielfaches ihrer Länge gebracht (rund 500 Seiten), folgt die posthum veröffentlichte Kurzgeschichte Draculas Gast, dann Appendizes zur Datierung & Chronologie sowie Klingers Aufsätze zum literarischen Nachleben des Grafen. Hier gönnt sich der Sherlock-Holmes-Fachmann beispielsweise einen Exkurs zu Verbindungen zwischen dem Meisterdetektiv und seinem untoten Zeitgenossen (der in Kim Newmans Anno Dracula etwa gar zum Prinzgemahl von Königin Victoria avanciert!). Während Comics hier nur kurz gestreift werden, analysiert Klinger hernach Dracula in der akademischen Welt, etwa freudianische oder marxistische Lesarten des Textes, Jahrzehnte nach seiner Veröffentlichung. Weitere Draculiana-Fundsachen aus d. Dracula auf Bühne & Leinwand-Part. |
dracula - BBC Miniseries
BBC - Polyband
Schnell hatte die sich rasant entwickelnde Filmindustrie des Mythos von den blutsaugenden Untoten angenommen - bereits im Stummfilm (Dreyers Vampyr, Murnaus Nosferatu), bald auch im Tonfilm, erst black & white (Bela Lugosi) ab den Fifties in Hammer-Farbe (Christopher Lee). Nach über 100 Jahren untoter Filmgeschichte - bilden Bewegtbild-Vampire ein eigenes Genre von erheblicher Bandbreite, allein bei den Parodien: Es gibt Leslie Nielsen vs Mel Books, Soul Brother Blacula, die Vampyros Lesbos und natürlich Graf Zahl. In jüngster Zeit kamen unterschiedlich zwingende Blutsauger-Stoffe fürs Heimkino wie The Strain, Vampire Virus, Night Teeth oder Blood Red Sky hinzu. |
"Warum sind Sterbliche immer so überrascht, wenn der Tod kommt?" Frischzellenkur für den alten `sucker´ - der Dämon als eloquenter Dandy. 1 Der erste Teil läuft sich nach zähem Beginn (Harkers Reise nach Transsylvanien & Gefangenschaft auf Burg Dracula) mit ersten Dialog-Spitzen warm: H:"Sie sind ein Monster." D:"Sie dagegen Anwalt. Niemand ist vollkommen. Ich hätte Mozart verschonen sollen." oder H:"Ich bin tot!" A:"Aber allem Anschein nach noch kein Vampir - man muss die Dinge von ihrer positiven Seite betrachten." Es bleibt aber nicht bei reiner Ironie. Die absurde Verwandlungsszene vom Wolf zum Mann, vor dem Gittertor des Klosters fesselt mit verbalem Schlagabtausch zwischen Dracula & Agatha van Helsing ("Ihr allerschlimmster Alptaum, eine Frau mit Bildung & Kruzifix.") vor versammelter, Holzpflock-bewaffneter Nonnenschaft. Auch sonst werden (oft ironisch) klassische Ingredenzien wie versengende Sonnenstrahlen, Zähnefletschen, Knoblauch und Kreuz, eingestreut - auch im kunstvollen Vorspann: penetrantes Fliegensummen, explodierende Blutplättchen, Wasser rot färbender Lebenssaft. |
TIPP |
2 Der mittlere Part spielt dann, im Dialog während einer Partie Schach zwischen Dracula & Agatha rekapituliert, auf engem Raum im Schiffsbauch und an Deck der extra für diese Folge nachgebauten Demeter. Die Überfahrt von Rumänien nach England als tödlicher Abzählreim auf See - der Graf beginnt als elegant-bedrohlicher Tischherr einer alten Bekannten und beendet die Schiffsfahrt als gewissenhafter Verfechter ausgewogener Ernährung. "Ich habe diese Reise sehr genossen - auch meine Begleiter..." 3 Nachdem der Vampir dann 123 Jahre in einem Sarg auf dem Meeresgrund verbracht hat, bis er von Tauchern ans Festland gebracht wird, gerät Dracula an Agatha-Nachfahrin Zoe Helsing (ebenfalls Dolly Wells), Leiterin der gegen den Krebs anforschenden Jonathan-Harker-Stiftung (sic) in längliches Fahrwasser. Immerhin erleben wir vielleicht das erste Mal, dass eine Dracula-Figur Blut nicht saugt, sondern spuckt. Zuletzt abfallende Werte, dennoch bereichert dieses Triple den Genre-Kanon. A: "Wie fühlen Sie sich? D: "Nicht totzukriegen." |
DRACULA - Graphic novel
Bram Stoker / Splitter
bram stoker´s dracula - Filmcomic
Roy Thomas - Mike Mignola / Panini
1992. Francis Ford Coppola directs Bram Stoker´s Dracula. |
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Die Story des gänzlich in Briefen & Berichten erzählten, immens einflußreichen Vampir-Romans von Bram Stoker von 1897 ist weithin bekannt: Im gleichen Jahr reist der Makler-Angestellte Jonathan Harker in die Karpaten, um den begüterten Kunden Graf Dracula auf dessen Schloss zu treffen. Der Vampir erkennt in Harkers Verlobter Mina eine Reinkarnation seiner großen Liebe - er lässt Harker zurück und eilt per Schiff nach London. Dort ist es an Prof. Abraham van Helsing & Co., den Untoten zu bekämpfen. Francis Ford Coppolas künstlerisch ambitionierter Dracula-Spielfilm von 1992 mit Gary Oldman, Anthony Hopkins, Winona Ryder, Keanu Reeves, Sadie Frost, Tom Waits, Monica Belluci u.a. gilt - bis auf die zentrale Liebesgeschichte – als bislang werktreueste Celluloid-Umsetzung von Stokers Vampirroman. Und Mike Mignola (u.a. Hellboy) war als Illustrator & Storyboard-Artist Teil der Produktion. Schon bald erschienen unterschiedliche Versionen seiner sich strikt an die Szenen-Abfolge des Films haltenden Comicversion, 1993 auch hierzulande. 2018 wurde das Werk in den USA wieder aufgelegt - die im Format leicht verkleinerte deutsche Ausgabe gibt es nun bei Panini. Auch die Texte von Marvel-Fachkraft Roy Thomas (u.a. Star Wars) orientieren sich an James V. Harts Filmskript für Coppola. Soweit die facts... Der Autor dieser Zeilen schätzt die Big Screen-Inszenierung Coppolas ganz enorm, kann sich den flächigen Lobeshymnen zu Mignolas Comic-Adaption hingegen nicht umfänglich anschließen. Zu knallbunt die Farben (Mark Chiarello), zu grob die Tuscheschicht von John Nyberg, gerade im Vergleich zu Georges Bess (auf einer der unnummerierten Seiten gleicht die mit sich ringende Mina mehr einer KISS-Live-in Concert-Maske). Am transparentesten fallen die von beidem noch unbehelligten Bleistift-Zeichnungen Mignolas aus: im hier erstmalig veröffentlichten, lohnenden Anhang. www.paninicomics.de * Außerdem im Verlag: in 70´s-Heftchen-Optik: Die Gruft von Dracula - gesammelt. |
snow, glass, apples
Neil Gaiman - Doran / Splitter
Dabei orientierte sich Doran an legendären Größen des britischen Jugendstils, den jeweils bereits in jungen Jahren verstorbenen Aubrey Beardsley und Harry Clarke. Letzterer reüssierte vor allem als Glasmaler. Gleich seine erste Arbeit als Buchillustrator schmückte Anno 1916 eine Märchensammlung von Hans Christian Andersen - ein Kreis schließt sich. |
TIPP |
Es war einmal...eine schöne Königin, die fürchtete ihre Stieftochter sehr. Das junge Mädchen hatte pechschwarze Haare, Haut so weiß wie Schnee - und unter ihren blutroten Lippen spitze, spitze gelbe Zähne... Ganz zu recht mit dem Eisner Award 2020 und dem Bram Stoker Award 2019 ausgezeichnet: Neil Gaimans Adaption des klassischen Schneewittchen - Märchenstoffes. Der britische The Sandman-Autor, Mitglied der Science Fiction and Fantasy Hall of Fame, wechselt die Erzählperspektive - hier ist es die Königin & Stiefmutter, die ihre Sicht mit den Lesern teilt - bis zum bitteren Ende. Interessanterweise greift Gaiman dort nicht auf die (teils noch grausamer ausgestalteten Urversionen à la Sneewittchen zurück, sondern verwendet unvermittelt Elemente aus Hänsel und Gretel. Eingebunden bleiben weitere im Stoff angelegte, ebensowenig jugendfreie Phänomene, die durch die stark stilisierte Darstellung aber verdaulicher werden: idealisierte Erotik, teils mit nekrophilen Untertönen, dazu benachbart: Vampirismus und angedeuteter Kannibalismus. So ganz ohne waren Volksmärchen selten... Auch in der grafischen Umsetzung sticht Snow, Glass & Apples hervor: Die amerikanische Illustratorin Colleen Doran, die ihre Arbeitsweise im zehnseitigen Anhang ausfürlich erläutert, kleidet Gaimans Erzählung in prachtvolle, wandbildgleiche Jugendstil-Fresken voll überbordender Ornamente. Panels sind allerdings in der Minderheit - öfter fließen die Einzelbilder auf den schwarzen Seiten vielmehr kunstvoll erzählend ineinander. Eine Schneewittchen-Version, bei der zartbesaitetetn Leser(inne)n durchaus das Blut in den Adern gefrieren könnte... Ein brillant schillerndes, grausiges Gothik-Märchen für gefestigte Charaktere mit Sinn für (britischen) Jugendstil & Art Nouveau. |
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