REVIEWS REGGAE 07-2019

 

 

world reg 08 19 red gold

 Max Romeo - Words From The Brave

Charmax Music - Strong Foundation / Baco Records

world reg 08 19 max romeo

Nimmt mit 74 kein Blatt vor den Mund - Max Romeo ist zurück - gesanglich und textlich voll auf der Höhe. Und warnt on the eve of destructionThe World is on Fire. Auch wenn die Atmosphäre des Videos im Baco - Studio von Bordeaux nur eingeschränkt karibisch anmutet - das Tonträger-Ergebnis überzeugt, etwa das Duett mit dem talentierten Nesthäkchen Azizzi Romeo. Bleibt zu hoffen, dass sich an die für Oktober angekündigte Frankreich-Tour auch Konzertdaten diesseits des Rheins anschließen werden.

www.bacorecords.fr - Play all tracks - nicht ein Ausfall. Dig this!

 TIPP
 

Nach Pablo Moses feiert eine weitere Roots-Legende ein hochwillkommenes Comeback. Und wie auch bei den Kollegen des Inna de Yard-Kollektivs spielte ein französisches Team von Genreenthusiasten Geburtshelfer für die vorliegenden Words from the Brave des für seinen von Lee Perry produzierten Upsetter-Meilenstein War Ina Babylon gerühmten Maxwell Livingston Smith aka Max Romeo. Seit Rocksteady-Tagen im Geschäft, dabei während der Roots-Hochphase der 70er immer wieder auch explizit (das ´68 von der BBC gebannte Wet Dream) und gesellschaftskritisch unterwegs, lässt sich der 74-jährige  von Roots Heritage, seiner 2016er Tourband aus vornehmlich französischen Musikern begleiten, während die Gesangsspuren im Red Ark Studio, St. Catherine, Jamaika aufgenommen wurden. Die haben es in sich: Romeo liest dem reichen Westen die Leviten in Sachen Leben auf der Straße: Have You Ever Hit Rock Bottom: "people who talk don´t know cause people who know don´t talk." Oder in Sachen Vergänglichkeit: "heaven is only 6 feet under and we´ll all gonna make it there". Bestechend einfach und authentisch - original roots wisdom.

Lee `Scratch´ Perry - Rainford

On-U-Sound / Rough Trade

world reg 08 19 lee perry

Lee Rainford Hugh Perry zwischen Regenwald & Outer Space. Gleich zu Beginn beamt der Super Ape und Negus-Archangel Perry die karibischen Cricket-Baumfrösche auf den Mond. "From the roots asylum, this is mental zodiac. Are you ready for your black magic?" Vielleicht lauscht man hier gar dem Finale der Perry´schen Odyssee, mit dieser Autobiography Of The Upsetter, in der der 83-jährige Eckdaten seiner langen Karriere rekapituliert.
www.fbook.com/perryscratch 

TIPP

Als Rainford Hugh wurde Dub-Wizard `Scratch´ Perry 1936 auf einer jamaikanischen Plantage geboren - und auch das `Lee´ war ein Rufname - letzteren verdankte der im Jahr 1936 geborene Upsetter seiner geringen Körpergröße, wie man aus dem Booklet des neuen Albums des greisen Freigeists erfährt. Perry meldet sich mit Aufnahmen aus London, Sao Paulo & Negril zurück - beziehungsweise tut dies ein Team um seinen langjährigen Vertrauten & On-U-Sound-Produzenten Adrian Sherwood, der Perrys exzentrischen Baba-talk in terrestrische Frequenzen channelt. Unter den neun neuen Studio-Tracks sticht das tropische Makumba Rock mit effektivem Geheul und einer treibenden Basslinie von Sugarhill- & Little Axe-Legende Doug Wimbish heraus, bevor Perry das entschleunigte African Starship als genreübergreifende Reminiszenz an Space-Tripper wie Sun Ra und George Clinton besteigt, ferner das federnde, mit Background Vocals der Sherwood-Töchter Denise & Emily unterlegte Kill Them Dreams Money Worshippers.

Inna de Yard - Soul of Jamaica

Various Artists - Chapter Two Records - Wagram / Indigo

world reggae 6 19 inna de yard

Das tropische Comic-Album-Artwork stammt von Nicolas `Kouakou´ Mamet.

Inna de Yard - Soul of Jamaica (VorgängerAlbum) 2017

https://innadeyardmusic.com/en

TIPP
 

Mit dem Kinostart der  Soul of Jamaica-Doku Ende Juni gab es zusätzliche Aufmerksamkeit für das zweite Inna de Yard-Album. Auch wenn der ursprüngliche Initiator der so informellen wie regelmäßigen Yardie-Musiker-Treffen, Earl `Chinna´ Smith, offensichtlich weiter nicht zur Verfügung steht - mit den vier Live-Sängern Ken Boothe (*1948), Winston McAnuff (*1957), Kiddus I (*1944) und Cedric Myton (*1947) steht geballte Roots-Historie am Mikro. Für das in Stony Hill, Jamaika, aufgenommene Album kommen noch Horace Andy, das Vokal-Veteranen-Trio The Viceroys sowie Jah 9 & Judy Mowatt (of I-Threes-fame), hinzu. Schon das beseelte Falsett des früheren The Congoes-Frontmannes Myton bei seinem Evergreen Row Fisherman - hier das Video - ist das Eintrittsgeld wert. Leider tickt auch bei diesem jamaikanischen (von Frankreich aus kuratierten) Äquivalent zum kubanischen Buena Vista Social Club die Uhr: seit den Aufnahmen zum Album-Vorgänger sind schon zwei der Beteiligten verstorben: Posaunist Nambo Robinson & Wesley `Viceroy´ Tinglin.

red gold green & Blue

Various Artists - Trojan Jamaica - BMG Rights Management / Warner

world reg 08 19 red gold

Die Vereinigung der afrikanischen Diaspora. Blues meets Reggae - ein All-Star-Cast interpretiert gut abgehangene Blues-Klassiker neu. Feat. Sly Dunbar & Robbie Shakespeare (letzterer hier auch als Sänger!), Big Youth, Toots & The Maytals, Mykal Rose (Black Uhuru), Peter Toshs Sohn Andrew, Freddie McGregor, `Tony´ Chin, Ernest Ranglin u.a. Produzent: Martin Glover aka Youth (Killing Joke). Ein spannendes und im Ergebnis geglücktes Unterfangen, auch wenn letztendlich nicht alle Titel halten, was die beteiligten Namen versprechen.

 

Und noch ein spektakuläres, transatlantisches Projekt mit Inna de Yard-Beteiligung: Kiddus I singt das Red Gold Green & Blue beschließende Sun is Shining, nicht etwa den gleichnamigen Bob Marley-Titel, sondern eine Komposition des Chicago-Blues-Slide-Gitarristen Elmore James. Ohne (Rhythm &) Blues kein Reggae. Die Idee der Begegnung von Jamaica und Mississippi-Delta hatte Ringo Starrs Sohn (& Oasis oder The Who-Teilzeit-Drummer) Zak Starkey, durchgezogen wurde das Ganze mit Starkeys Partnerin, der australischen Musikerin Sharna Sshh Liguz, Produzent Youth und vielen guten Trojan-Kontakten. Im neuen Flagship-Studio des ins Leben gerufenen Ablegerlabels Trojan Jamaica in Ocho Rios wurden nebst einer um die legendären Riddim Twins herumgebauten Mannschaft von Studiocracks namhafte Reggae-Stimmen auf weniger gespieltes Repertoire von Blues-Größen wie Robert Johnson, Muddy Waters, Willie Dixon oder Screamin´ Jay Hawkins losgelassen (dessen I put a spell on you dürfte hier der bekannteste Titel sein). Play Tracks 1,3,4,6,12.
www.trojanjamaica.com

 UB 40 - for the many

Absolute - Wienerworld / H´Art

world Reg 7 19 UB 40 1

Innovationen dürfte niemand erwartet haben. Die letzte Booklet-Doppelseite gehört folgerichtig dem Merchandising - UB 40 verwalten mit For The Many bestenfalls ihren Status als UK-Reggae-Weichspüler-Legende - immerhin diesmal mit überwiegend Eigenkompositionen. Als Gäste am Miko: Slinger, Gilly G oder Hunter Z. www.ub40global

 

 

Sechs Jahre liegt das letzte Album des altgedienten, wie nach 2008 durch diverse Umbildungen gegangenen UK-Reggae-Ensembles zurück. Seit den ruhmreichen Indie-Anfängen mit ihrem Debüt Signing Off von 1980 ging es kreativ im Grunde bergab mit UB 40, auch wenn durch diverse, im Trademarksound vereinheitliche Cover-Hits à la Red Red Wine und diverse Labour of Love-Aufgüsse zwischenzeitlich reichlich Geld in die Band-Kasse kam. Die Moneten indes wurden von der vielköpfigen Truppe auch schnell wieder durchgebracht - zuletzt machte die nach Weggang von Sänger Ali Campbell durchgeschüttelte Band eher durch Privatinsolvenzen, als durch gelungene Alben von sich reden. Aktuell sind immerhin die Brüder Robin- & Duncan Campbell (wieder) an Bord, nebst sieben weiteren Langzeit- oder Gründungsmitgliedern. Hängt man die Erwartungen nicht allzuhoch, ist das gleichmäßige Geschunkel des aktuellen Albums For the Many nicht wirklich eine Enttäuschung. Das sich im Booklet gutgelaunt präsentierende Nonett kupfert nach Schema F vor allem bei sich selbst.

Tiken Jah Facoly - Le Monde est Chaud

Barclay - Wrasse Rec / Harmonia Mundi

world Reg 7 19 TikenJah 1

Afrique d´abord! Tiken Jah Facoly als aufrechte Identifikationsfigur für einen ganzen Kontinent, die etwa den Kampf gegen Landflucht und die weibliche Genitalverstümmelung aktiv unterstützt - auch in der Booklet- & Cover-Gestaltung haben Anliegen des globalen Südens Vorrang.

Der Dernier Appel von 2014 hat es noch nicht gerichtet. Ebenso wie Max Romeo warnt  Tiken Jah Fakoly auch auf seinem neuen Album vor einer buchstäblich überhitzten Welt, unter deren Folgen vor allem der globale Süden und damit insbesondere Afrika und seine Diaspora zu leiden haben - Le Monde est chaud. Wie gewohnt kleidet der im malisch-/französischen Exil wirkende König des frankophonen Afro-Reggae seine expliziten Botschaften in eingängige, zunehmend von Kora, Djembé & Ngoni ergänzte Roots-Klänge. Gesungen wird teils französisch, teils in Sprachen der heimatlichen Elfenbeinküste. Textlich geht es einmal mehr um systembedingte soziale Ungerechtigkeiten, den Kampf gegen Kolonialismus & Kapitalismus, sowie die Migrationsproblematik. Auf seinem ersten Album seit vier Jahren lässt sich Fakoly u.a. von Gaël Faye, Erwan Seguillo, Kerredine Soltani und Soprano begleiten, TJF ist bis Jahresende auf ausgedehnter Frankreich(only)-Tour.

http://tikenjah.net 

Dennis Brown - Just Dennis / Deep down * Down Town Albums collection

beide: Doctor Bird - Cherry Red / Rough Trade

world Reg 7 19 Dennis Brown Just ChR

Ergänzt werden die beiden Originalalben auf der Doppel-CD durch eine Vielzahl Bonus-Tracks: Extended Versions & kundig Getoastetes von I Roy, Dillinger, Ranking Buckers oder Big Youth.

 

1 Doctor Bird, das (Britische) Insel-Label für minutiöse Reggae-Katalogpflege, macht sich nun auch um die Komplettierung des Oeuvres von Dennis Emmanuel Brown verdient. Der in Jamaika im Verhältnis zu Übersee stets um ein Vielfaches populärere Sänger landete in der Zusammenarbeit mit seinem Produzenten Winston `Niney´ Holness Mitte der Siebziger eine Reihe lokaler Charthits, die auf dem 1975er Album Just Dennis versammelt wurden, hier mit dem ein Jahr später veröffentlichten Deep Down erstmals auf CD. Von Bob Marley einst als `crown prince of Reggae´ geadelt, sollten sich diese Lorbeeren für Brown allerdings nicht materialisieren, Kokain & mediokrer Geschäftssinn verhinderten eine steilere Karriere des Mannes, der außerhalb der Insel oft allein auf seinen größten Hit Money in my Pocket (1979) reduziert wurde. Liner Notes im umfangreichen Booklet: Malcolm Gillett. www.cherryred.co.uk/label/doctor-bird

2 Im gleichen VÖ-Schwung werden vier UK-Rocksteady-Alben eines UK-Trojan Imprints auf zwei Cds zusammengefasst: The Down Town Albums Collection. Einstieg mit dem durch UB40 später bekanntermaßen gründlich weichgespülten Red Red Wine, hier in der Original-Ska-Version. Am Mikro Tony Tribe aka Robert Thompson aka Dandy. Heutzutage ist keiner der Namen, unter denen der Mann auftrat, noch ein household name - trotz einer Reihe von in Britannien zuzeiten populärer Ska- & Rocksteady-Titel. Dandy mischte aber nach seiner Gesangskarriere zunehmend mit dem eigenem Down Town-Label als Produzent im UK-Reggae-Biz mit, etwa an den Reglern solcher Titel wie dem hier als viertem Longplayer berücksichtigtem ersten Solo-Album von Posaunist Emmanuel `Rico´ Rodriguez, Blow Your Horn.

www.cherryred.co.uk/label/doctor-bird

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world Reg 7 19 Down Town ChR

julian marley - as i am

Ghetto Youths Intern / H´Art

world Reg 7 19 Julian Marley

Allein, außer im Video-versorgten, eingängigen Broken Sail, wo `JuJu´ sich als Schiffbrüchiger im karibischen Blau inszeniert oder dem Dub-Rausschmeißer mit Addis Pablo hinterlassen nur die wenigsten Songs dieses Grabbeltischs bleibenden Eindruck. Das meiste plätschert popnah & singalong vorbei, auch die Ausflüge in Soul-, Ska-, Doo-Wop- oder Balladen-Terrain verebben. Papa sticht natürlich noch heraus, in dieser Hommage kommt Julian seinem legendären Erzeuger musikalisch am nächsten. Play Tracks 1, 9,10,14,17.

 

Der 1975 in London geborene und in England aufgewachsene Julian ist nach Ziggy, Stephen und Damian der viertaktivste Marley-Sproß, wenn es um die Musik geht. Mit den beiden letzteren Brüdern verbindet Julian seit Jahren eine engere, regelmäßig mit Grammy-Nominierungen honorierte Partnerschaft und auch diesmal werden Stephen & Damian `Jr. Gong´ als Executive Producer geführt. Das, obwohl sich ihre musikalischen Credits im Detail diesmal in Grenzen halten: Julian `JuJu´ hat hier fast alle Tracks geschrieben & produziert. As I Am ist Julians fünftes Album (zählt man das frühe, vergriffene Uprising voll) und obwohl sich Marley-Junior-J gern als sanft-ausgleichender, gut vernetzter Roots-Rasta im Geiste des berühmten Vaters sehen möchte, schlagen aktuell Gastbeiträge von weniger zimperlichen Charakteren wie Beenie Man, Spragga Benz oder Sting-Kumpan Shaggy zu Buche. In der zehnjährigen VÖ-Pause haben sich 17 neue Songs angesammelt, die nun wohl für jeden entfernt Interessierten etwas bieten sollen.
www.julianmarley.com

Ucee - Bridges

Good Call Records / Recordjet

Ein ziemlicher Gemischtwarenladen, dieses sieben Jahre nach dem Vorgänger International Call abgelieferte Bridges von Ussama Soleman aka UCee aus Regensburg. Der Sänger mit den ägyptisch-tunesischen Wurzeln & Hip Hop-Background, bisher eher für Ragga- & Dancehall-Klänge bekannt, machte mit der müden Vorabsingle All Night auch genau dort weiter, versucht sich Anno 2019 allerdings außerdem an Reggaeton (weitere Video-Single: Mrs Clean) und kommt  der Germaica-Gemeinde auch mit mehr Urban-Produktions-Schnickschnack. Im Übrigen werden Reggae-Titel wie der Titelsong und das folgende Change Will Come gegeben, nebst dem Cover eines Supremes-Oldies (My World is empty (without you) im radiotauglichen Format. Dann scheint, trotz der souligen Bemühungen am Mikro und obwohl sich UCee weiter merklich an modernen jamaikanischen Allroundern wie Protojé orientiert, das Ideen-Pulver im Wesentlichen verschossen.

www.fbook.com/uceeofficial
 

world Reg 7 19 Ucee Bridges

 Play Tracks 2-4,7.

Raggabund - Alles auf Pump

Erste Welt Records / Soulfire Artists

Das Deutsch-Schweizerische Kollektiv Raggabund versammelt auf seinem vierten Studioalbum neben Reggae unterschiedlicher Gangart auch deutliche Cumbia-, Pop- & Punk-Einflüsse - Alles auf Pump. Aber natürlich p.c. ... Die mittlerweile gereiften Soundaktivisten Don Caramelo & Robert Mendoza nehmen politisch kaum ein Blatt vor den Mund, so im Opener Radikala oder im ausgekoppelten, ironisch schunkelnden Wunderbar. Weiter punkten Tracks wie das freundliche Instrumental Pump Lazer Dub oder das witzig intonierte Plakatwand. Da vergessen wir glatt mal die normalerweise in der Redaktion bestehende Abneigung gegen deutsch intonierte Blue Beats...
www.raggabund.de * Wunderbar-Video * Am 8.6. 2019 spielten Raggabund eine Benefizshow für die Non-Profit-Meeresschutz-Organisation Sea Shepherd !Festival-Gigs

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world reggae 6 19 raggabund

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