audiobook 10-11-2013

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 Willy Brandt - Wir sind keine Erwählten, wir sind Gewählte 
 Jürgen Roth - Kunstmann  
 
 
Weniger satirisch als bei seinen Arbeiten zu den CSU-Ikonen Strauß und Stoiber und weniger ironisch-distanziert als beim Reden-Kaleidoskop zu Helmut Schmidt geht Jürgen Roth hier zu Werke. Dem mitreißenden Redner und - etwa im Privaten - auch enigmatischen SPD-Granden nähert sich Roth mit merklichem Respekt an. Vor den Nazis ins norwegische Exil geflohen, wurde Brandt nach dem Krieg 1957 Regierender Bürgermeister Berlins und brandmarkte später die Mauer stets, u.a. als "aufgezwungene blutende Wunde". Zunächst in zwei Bundestagswahlkämpfen unterlegen und 1966 Außenminister einer Großen Koalition, wurde er 1969 Kanzler der Ostpolitik und trat nach Enttarnung des DDR-Spions Guillaume 1974 zurück. Anlässe für die Würdigung Brandts gibt es heuer genug: den 100. Geburtstag sowie das 150-Jahre Jubiläum der SPD. Auch die von Roth erst im August des Jahres verfassten "Bruchstücke zu Brandt" im Booklet sind lesenswert. Sparsames Geklimper zwischen den klanglich zuweilen arg heterogenen O-Tönen übrigens vom fränkischen Kabarettisten Matthias Egersdörfer. Anhand des aktuellen Wahl-Tohuwabohus kommt einem hier der Gedanke, wäre ja schön, wenn einige Brandt-Worte noch Geltung hätten, etwa "Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, sondern erst am Anfang."  

 
 
 Marisha Pessl - Die Amerikanische Nacht 
 Random House  
 
 
"Scott McGrath, ein Journalist, der zur Hölle fahren würde, um den Teufel zu interviewen...doch jetzt reichte eine Frau im Dunkeln, um mich zu verunsichern..." Solchen Stoff hätte man sich für die kürzliche Lesung im Rahmen eines eher misslungenen Kunst-Events mit Thema New York in der Münchner Rathaus-Galerie gewünscht. Marisha Pessls neuer Roman "Die amerikanische Nacht" spielt an Schauplätzen in Manhattan, Brooklyn und der Bronx und verwickelt den Investigativ-Reporter in einen Noir-Thriller, in dem die geheimnisvolle nächtliche Erscheinung und die Filme der besesenen Ikone Stanislaus Cordova (in dem mancher Züge eines gewissen Francis Ford C. erkennen mag) eine Rolle spielen. Die amerikanische und in der Folge auch die deutsche Presse überschlug sich schon in Lobpreisungen für den spannenden Mysterythriller, dessen 784 Seiten hier auf eine Lesung von immer noch 8 Cds eingekürzt wurden. Am Mikro: Sprecher Wolfram Koch und die Gäste (Regisseur) Uli Edel sowie Anna Thalbach. "Ein literarischer Pageturner. In diesem Herbst wird man vor allem über `Die Amerikanische Nacht´ reden." meint z. Bsp. Time Out New York. 

 
 
 Marcel Reich-Ranicki - Über Amerikaner 
 Random House  
 
 
Wem ging er nicht alles auf die Nerven in seinen besten Zeiten im "Literarischen Quartett" - nun, da Marcel Reich-Ranicki nicht mehr auf Erden weilt, vermissen ihn alle. In Zeiten, wo sich viele über Amerika und seine Einwohner wundern, sei als kleine Referenz auch an dieser Stelle an das Werk des großen, leidenschaftlichen, streitbaren Literaturkritikers mit einem Hinweis auf diese 2006 eingelesene Hörfassung des Essaybandes "Über Amerikaner" erinnert. Trotz bereits arg brüchiger Stimme - im einzigartigen MRR-Duktus gewohnt temperamentvoll vorgetragen, wirken die Aufsätze und Kritiken mit Lob & Tadel zu amerikanischen Schriftstellern wie Ernest Hemingway, John Updike, Philip Roth oder Arthur Miller noch eindrücklicher. Auch der Emigrant Vladimir Nabokov und die Autorinnen Mary McCarthy und Joyce Carol Oates würdigt Reich-Ranicki, dessen Liebe zeitlebens eben nicht nur deutscher Literatur galt.
 

 
 
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