Reviews Catalog 11-11

* soundtrack * crossover * pop/rock * catalog * jazz * electro * world * audiobook *

 FAC. Dance / A Man & A Machine 3
 
 Various Artists - Strut / Alive * Le Son Du Maquis / Broken Silence
 
 

Überfällige Factory-Retro-Doppel-CD mit 12inches und diversen Raritäten, abseits von "Blue Monday". Neben den übermächtigen Aushängeschildern der 1978 gegründeten Firma, Joy Division, New Order und Happy Mondays, gibt es hier auf 2 Cds einen Querschnitt durch Manchesters Postpunk-Szene. "24 Hour Party People" von Michael Winterbottom kann als flankierende Doku-Fiction gute Dienste leisten, tauchen doch Tony Wilson-Partner Alan Erasmus, Factory-Hausproduzent Martin Hannett oder Peter Saville auf, die ihren Teil zum Erfolg des Labels beitrugen. "Fac. Dance - Factory Records 1980-1987" wurde von DJ und Journalist Bill Brewster kenntnisreich zusammengestellt und blickt auf die Jahre vor Acid House und Rave. Allemal empfehlenswert für alle mit Factory-Stoff Aufgewachsenen. Als finished CD vermutlich auch schmuck in der Aufmachung - auch als schwarze Do-LP erhältlich! VINYL-TIPP!

Ganz ähnlich klingt es auf der dritten Ausgabe der verdienstvollen "A Man & A Machine"-Reihe, die insbesondere den stilbildenden britischen DIY-New Wave Künstlern vom Ende der 70er verdiente Aufmerksamkeit zukommen lässt. Das Namedropping spricht in diesem Fall Bände: Throbbing Gristle, Wire, Cabaret Voltaire, OMD, Suicide, Damon Edge, Chris & Cosey, die Flying Lizards oder Thomas Leer geben sich noch einmal die Ehre. Es wird aber auch auf den Kontinent geblickt, wo Acts wie Neu!, Moebius & Plank oder Michael Rother aus Deutschland sich inspirieren liessen (und ihrerseits Musiker-Kollegen und Publikum im UK beeindruckten). Yukihiro Takahashi schließlich hält die YMO-Fahne für den japanischen Elektropop hoch - was wieder ein ganz eigenes Thema für sich wäre... TIPP


Ray Lugo - Mi Watusi / Chicas!
Various Artists * Freestyle / Groove Attack * Vampisoul / Cargo

An Selbstbewusstsein mangelt es dem Herrn nicht: "Soy el rey del Boogaloo", lässt Ray Lugo den Hörer gleich zu Anfang wissen. Der ehemalige Beastie Boys Roadie, Toningenieur, Labelchef und Mastermind von Kokolo, einer der besten Afrobeat-Bands hat sich auf "Mi Watusi" der speziellen Latin & Soul-Fusion verschrieben, die New York, die Stadt, in der der Venezuelaner aufwuchs, Mitte der 60er hervorgebracht hat. Herb Alperts "A Taste of Honey" wird leicht angeschrägt, Klassiker von Willie Rosario, Ray Baretto oder Mongo Santamaria werden modern aufgepeppt, d.h. nicht brav nachgespielt, sondern frech um teils neue Texte & Refrains ergänzt. Das funktioniert - Ray Lugo & Co. überzeugen auf ganzer Linie. Weiterer Pluspunkt die kunstvolle Retroverpackung inklusive Coverartwork des Monats! www.myspace.com/raylugo
"Quiero un chico moderno..." Die Chicas kommen und lassen sich nichts (mehr) vormachen beim One, Two, Cha-Cha-Twist... Diese muntere Vampisoul-Compilation dokumentiert das neue Selbstverständnis spanischer (oder nach Spanien ausgewanderter) Sängerinnen in den Sixties anhand 24 gut geschüttelter Tracks quer durch YéYé, Latin, Rock´n Roll, Twist, Beat & Garage. Mit von der Partie sind dabei Senoritas wie Pili y Mili, Margarita Sierra, Los Stop, Sonia, Mirla, Laura Casale, Los 3 Sudamiericanos oder Lorella con Los Shakers! Insbesondere das katalanische Belter-Label lieferte Kompilator und Liner Notes-Autor Vicente Fabuel einen Treffer nach dem anderen. Schickes Digipak mit farbigem Booklet incl. der meisten Coverabbildungen. Baile, Amigo! www.vampisoul.com
 









DOPPEL-TIPP


 
 
Trojan Records Story
 
 Various Artists - Sanctuary / Universal
 
 
 
"Another Trojan-Box??", war selbst 2-Tone Bodysnatcher-Lady Rhoda Dakars (einst u.a. im Duett mit Terry Hall von den Specials) erster Kommentar, als sie gebeten wurde, die Intro-Liner Notes für die "Trojan Records Story" zu schreiben. Aber wer schmückt sich nicht gern mit ein bissl Mitarbeit an der Würdigung des Oeuvres des ´Little-Sister´-Labels von Island? Neben Blackwells in den 70ern mit Marley & Co. durchgestarteten und über die Insel Jahmeekya hinaus zu Ruhm & Dollarmillionen gelangtem Unternehmen war und ist Trojan das wohl bedeutendste Re-Issue- Reggaelabel. Bekannt von den schmucken, stets vom ikonischen Design-Geniestreich (einem mehr oder weniger antiken, kleinasiatischen Kampfhelm) versehenen 3er Digipak-Boxen geht es diesmal auch ohne rundes Jubiläum, (bis zum 50. wollte man wohl nicht warten, schließlich gibts dann vielleicht keine Cds mehr...) ins Hochformat mit entsprechend opulentem 4c-Booklet, extra produzierten Postcards und Aufkleber. 5 Cds ( nach UK-Hits, Artists, Producers, (Sub-)Labels und Rarities eingermaßen plausibel gruppiert) treiben Genrefans die Freudentränen in die Augen. Und wer sich für die wieder ins Leben gerufene Trojan Appreciation Society registriert, bekommt noch ein digitales "Album" on top. Vorbildlich und natürlich unser BOX-TIPP! 

 
 
 Nirvana - Nevermind Deluxe Edition 
 Geffen / Universal 
 

Nirvanas Grunge-Meilenstein anlässlich des - ja- 20-jährigen Release-Jubiläums in der akribisch administrierten X-fach Auswertung. Wer heute noch vom Alternative-Rock-Furor der Frühneunziger bewegt wird, kann sich hier (und der Hardcore-Fan umso mehr bei der ins Extrem getriebenen Super Deluxe Edition Box für knapp 80 Euronen incl. DVD und Hardcover-Foto-Buch) an dem remasterten Album, diversen B-Seiten und dreckig-energetischen Live-Aufnahmen, den in den Smart Studios von Butch Vig aufgenommenen Smart-Studio-Sessions, sogenannten ´Boombox´-Aufnahmen von Proben (interessant zum Verfolgen des Entstehungsprozesses), und zwei (ebenfalls) bisher unveröffentlichte BBC-Aufnahmen (derer insgesamt 14) delektieren. Und nicht vergessen, beim Durchhören von A-Z noch ein Kerzlein für Schrotflinten-Ikone KC (zu oft ohne Sunshine & Band) anzuzünden!

 


 
 
 Fania All Stars - Our Latin Thing 
 Various Artists - Fania - Strut / Alive  
 
 
Fania Records hat für das Salsa-Genre wohl einen ähnlichen Stellenwert wie er Def Jam im Hip Hop zukäme, so ähnlich meint das zumindest die eine Hälfte der Masters at Work, "Little" Louie Vega. In den 60s in New York von Jerry Masucci und Johnny Pacheco gegründet, bildeten bald Größen wie Celia Cruz, Tito Puente oder Ray Barretto die kommerzielle Basis für das Latin-Label, das nun seinen 40ten bei Strut mit einem dreiteiligen Set begeht. 2 CDs (oder auch LPs) bieten Liveaufnahmen der Fania Allstars (unter ihnen Labelchef Pacheco, Wilie Colon, Ray Barretto, Bobby Valentin oder Pete ´El Conde´Rodriguez. Auf der zugehörigen DVD befindet sich ein von Leon Gast aufwenig in Szene gesetzter Dokumentarfilm über das legendäre 1971er Konzert im Cheetah-Club www.fania.com VINYL-TIPP
 

 
 
 Early Rappers 
 Various Artists - Trikont / Indigo 
 
 
Eigentlich klar, woher Rap kam. War der atemlose Sprechgesang doch in den schwarzen Neighbourhoods der Staaten nichts vollkommen Neues (wie der selige Gil Scott Heron schon Ende der 70er festgestellt hatte) als der Sugar Hill Gang auch offiziell für die weiße Musikpresse der erste kommerzielle Rap-Hit gelang. Startschuss für ein bis heute populäres Genre. Harlem Nightclub-Conferencier Cab Calloway, rhythmische Predigten, Ghetto-Gesänge, Muhammad Alis atemberaubend getimte Angebereien, Soulpredigten a la Joe Tex, der beschleunigte Talking Blues eines Lightnin Slim wie der fantastisch swingende Monkey-Blues von Dave Bartholomew, Black Muslim Aktionismus der Last Poets - all das gab es schon - teilweise um Einiges früher - im reichverzweigten afroamerikanischen Music Tree. Auf dem einmal mehr von Jonathan Fischer zusammengestellten Sampler "Early Rappers" gibt es hierzu ein paar feine Beispiele - wie gewohnt im Booklet solide & zweisprachig kommentiert.
 

 
 
 Mike Oldfield - Incanatations Deluxe Editon 
 Mercury / Universal  
 
 
Nach "Tubular Bells", "Ommadawn" & "Hergest Ridge" wird endlich auch Mike Oldfields in weiten Teilen geradezu hypnotisches viertes Werk, das "Incantations"-Doppelalbum als erheblich mit Bonus-Material aufgestockte Deluxe Edition veröffentlicht. Das Package besteht aus 2 CDs (das Original- Album neu gemastert sowie eine weitere CD mit Raritäten wie einem neuen Maxi-Stereo-Mix der 79er (Disco)-Single "Guilty") und einer DVD (mit einem neuen 5.1 Surround Sound Mix selektierter Tracks - durch Oldfield persönlich). Ebenfalls auf dieser DVD sind eine Auswahl rarer Video-Aufnahmen der umjubelten Tour). Auswahl, das komplette Remastering, neue Liner Notes und das überarbeitete Artwork wurden ebenfalls von Mike Oldfield selbst betreut. In dieser Form, als sorgfältig aufbereitetes Mehrwert-Pakage könnte das Medium CD tatsächlich noch eine ganze Weile überleben. http://mikeoldfieldofficial.com/
 

 
 
 Reclam Musik Edition - All Time Best: Leonard Cohen / Lou Reed / Willie Nelson 
 Various Artists - Columbia * BMG Hamburg * Columbia / alle: Sony 
 
 
Die hier aufgeführten Titel sprechen in Repertoire & Aufmachung ja für sich, der Reclam-Musik-Offensive zweiter Teil:
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Pink Floyd - Dark Side of the Moon / Wish You Were Here / The Wall - remastered EMI

Die beiden Floyd-Klassiker "Dark Side.." & "Wish.." (aus der neuen 14er Box incl. Buch) gibt es seit Ende September
bzw ab Anfang November nicht nur in dieser (nach der oft kritisierten 90´s Überholung) transparenter geremasterten
Digipak-Version (ohne jede Bonustracks und leider mit sehr knapp auf die Papphüllen zugeschnittenen Booklets
im (Hipgnosis-)Stormstudios-Design), sowie den 2er-CD-"Experience"-Fassungen, sondern auch als opulentere,
mehrteilige "Immersion"-Versionen, für die der Fan auch tiefer in die Tasche langen soll. Die Top-Edition des
zweiteiigen Waters-Epos "The Wall" wird im Februar nächsten Jahres dazukommen. Eine (einzelne) Best of
-CD folgt im November, für diejenigen, die mit einem kleinen bißchen Pink Floyd auch zufrieden alt werden können.
 
 Underground Rockabilly 
 Various Artists - Chrome Dreams / In-Akustik  
 
 
Diese Chrome Dreams-Compilation präsentiert Rockabilly, der nie die Top 40 gesehen hat, aber viel von der Energie vermittelt, die immer wieder kleine Gruppen beinharter Genre-Fans nachwachsen lässt. "25 obscurities from the days of the craze" verspricht der Sampler und löst das auch umgehend ein - mit ausgewählten Beispielen oft nur regional spielender Hobby-Bands, deren lediglich in Kleinstauflagen vertriebene Singles heute auf Flohmärkten und Plattenbörsen kaum mehr zu finden sind. Alle 25 Tracks erscheinen hier erstmals auf CD. Tooter Boatman, Ray Pate & The Rhythm Rockets, Laverne Stovall, The Sabres oder Parker Cunningham - nie gehört? Macht gar nichts. Musikarchäologie der sympathischen Art, abseits des Mainstream, sich selbst genug und dabei durchaus unterhaltsam.
 
 
 
 Forbidden Planets I & II
 
 Various Artists - Chrome Dreams / In-Akustik 
 
 
Die erste Folge dieses Trips in die Pioniertaten früher Elektronik(-Tonerzeug)er versammelt zwar auf 2 Cds insgesamt 24 originale Klangbeispiele so unterschiedlicher kreativer Geister wie großer Namen der Neuen Musik wie Varese oder Ligeti, der Filmmusikkomponisten Miklos Rozsa oder Bernard Herrmann, von maßgeblichen Fluxus-Künstlern wie John Cage oder der akademischen Zwölfton-Legende Karlheinz Stockhausen aus den 40er und 50er Jahren, kommt aber bei der Ausstattung spartanisch bis nachlässig daher. Mehrere Interpreten sind falsch geschrieben und das lediglich vierseitige Booklet beschränkt sich auf die Angaben von Künstler, Name des Stückes und Entstehungsjahr, sowie eine Collage briefmarkengroßer Fotos auf der letzten Seite. Etwas mehr über die Vorreiter jenes Sounds, der später meist als „Elektronik“ bezeichnet wurde, und gerade in Deutschland Nährboden für spätere popnahe Legenden wie Kraftwerk, Can oder Tangerine Dream war, erfährt man erst beim aktuell nachgereichten zweiten Doppelalbum. In einem ausführlicheren Booklet ordnet Kompilator & Musikhistoriker Alan Clayson die diesmal sogar 32 Beispielemit Liner Notes und betitelten Fotos ein. Zu den Vorgenannten kommen neben Oscar Sala (Geräusche für Hitchcocks "Die Vögel") vor allem Insidern bekannte Namen wie Luigi & Antonio Russolo, Gottfried Koenig, Henry Jacobs und Joe Meek. Auf beiden Volumes sind der Architekt (Le Corbusier-Assistent) & Komponist Iannis Xenakis, sowie das Ehepaar Bebe & Louis Barron (bekannt für ihren innovativen E-Score für den hier titelgebenden Sci-Fi Klassiker "Forbidden Planet") vertreten. Ein Grundkurs der elektronischen Musik - empfehlenswert.
 


 
 
 Blank & Jones - So 80´s Vol. 6 / Mike Francis - Anthology / Hubert Kah - So 80´s 
 Various Artists - alle: Soundcolors / Soulfood 
 
 1 Ohne Frage ein Coup, die auch an dieser Stelle öfter gewürdigte Blank & Jones 80´er Maxi-Serien-Idee. Nachdem in diesem Rahmen 2011 eigene Artist Editionen für Ultravox, OMD, Kajagoogoo und Heaven 17 dazukamen, diesen Oktober also Vorhang auf für Compilation-Folge 6. Anhand derer Auswahl und die Label-Beitexte langsam stutzig machen sollten. Top-Atcs wie Frankie Goes To Hollywood, New Order, Blancmange oder ABC fein, Top-Maxi-Tracks wie Falcos "Junge Römer" ok, aber die Füller mehren sich, die Übergänge werden nicht besser und "Es gibt keine Regeln und keine Grenzen. Jeder Künstler und jeder Song, der einen in den 80ern irgendwie berührt hat, verdient seinen Platz in dieser Sammlung." Äh, hallo? Bitte Notbremse ziehen, bevor aus Kommerzgründen alles noch mit dem A... eingerissen wird. Schon erhebt der Cretu sein hässliches Haupt (s.u.)... Wahrlich nicht alles am Musikausstoß der 80er war tauglich für die Endlosschleife.
2 Dies gesagt, sei den beiden ihre, auf gleich 4 Cds gestreckte Liebeserklärung an den persönlichen Freund Mike Francis gegönnt. Geboren 1961 als Francesco Puccioni, katapultierte ihn sein größter Hit "Survivor" 1984 direkt an die Spitze der italienischen Charts, wenig später auch in Deutschland und England. U.a. schrieb Francis Amii Stewart den Top 10-Hit "Friends" und für sich weitere, seeehr ähnlich klingende (englisch gesungene) Soft-Tracks. Anfang der 90er Jahre folgten stilistisch ähnliche Alben auf italienisch. 2005 überredeten B&J ihr Jugendidol, für sie wieder ans Mikro zu treten ("Relax Edition Three", sowie das Comeback Album "Inspired" von 2007. 2009 verstarb der Künstler unerwartet. Blank & Jones präsentieren nun eine mit Francis´ Familie abgestimmte Retrospektive.
3 "Rosemarie", "(Ich seh´den) Sternenhimmel", "Engel nullsieben", "Einmal Nur mit Ee-ri-ka ou-oh-ou-oh"...bis hin zum von Cretu grausam verlängerten NDW-Spuk Hubert Kah muss zum Glück nicht jeder B´ & J´s Begeisterungswellen mitreiten.
 
 
 
  
 
 Previous Issue: 8/9 - 2011 © cinesoundz 2011

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