REVIEWS WORLD - REGGAE 06-2018
THE HARDER THEY COME VINYL REISSUE
Island / Universal
Shooting Star Jimmy Cliff in slicker Gangsterpose - you can get it... dicke Empfehlung für das vorliegende, feine 180g-Klappcover-Vinyl-Reissue. Life Video Clip * www.jimmycliff.com * Trailer * Perry Henzell im Interview * |
TIPP |
Draw your brakes. Mit dem normalen `street buzz´ rund um den Bus-Bahnhof in Downtown Kingston beginnt The Harder They Come zu lässigen karibischen Offbeat-Klängen. Als erster Track unter die Opening Sequence gelegt werden sollte ursprünglich nicht You Can Get It If You Really Want, sondern A Hard Road To Travel, zunächst auch als Filmtitel vorgesehen und musikalisch keineswegs eine schwache Nummer. Die es dennoch letztendlich nicht auf den Tonträger schaffte, da der 24-jährige Shooting Star (seltener passte diese Floskel besser) und Haupt-Songschreiber Jimmy Cliff mit immer neuen großartigen Aufnahmen nachlegte - wie mit dem Titeltrack The Harder They Come. Aus den ausfürlichen Track by Track-Liner Notes des 2006 verstorbenen weißen jamaikanischen Regisseurs Perry Henzell auf der beidseitig bedruckten Innenhülle erfährt man auch, welchen Stellenwert die später weltweit erfolgreiche Musik im Film einnahm. "Falling in love with the music, then make the miraculous discovery that the lyrics say what needs to be said much better than you could yourself, and finally...the scene jumps off the screen in the mixing room...one of the greatest rewards of making movies...The Gods were on our side - the music was fitting without having to edit the picture at all!" All Time Classic Shanty Town-Sound mit Desmond Dekker, The Maytals, The Melodians, Scotty & Byron Lee´s Slickers. www.thehardertheycome.com |
BOB ANDY & MARCIA GRIFFITHS - YOUNG GIFTED & BLACK / PIED PIPER
Doctor Bird - Cherry Red/ Rough Trade
Bonustrack: Der knackige, interessante Vergleiche ermöglichende Jamaican Mix ihres UK-Hits Young Gifted and Black: Bob and Marcia. Trojan, Doctor Bird & Cherry Red machen es möglich - Doppel-Re-Release mit neuen Liner Notes von Harry Hacks im reich bebilderten 16-Seiten 4c-Booklet. |
TIPP |
Jung, begabt und schwarz... Aus Nina Simones im Vortrag akademisch-jazzig- getrageneren Hymne der Political Correctness, Young Gifted and Black, machten die bis dato in diversen Studio One-Projekten, mal im Duo, mal jede(r) für sich, vielversprechend musizierenden Sternchen Bob Andy and Marcia Griffiths Anno 1970 eine muntere, frühe Reggae-Crossover-Nummer. Produzent Harry J. (Johnson) unterlegte die Zweispur-Gesang- & Rhythmus-Tracks in London mit einem Streicherarrangement (von Johnny Arthey) und kreirte damit auAnhieb einen Top 5-Hit im UK. In der Folge nahmen der frühere Paragons-Mastermind Andy und die später bei den I-Threes reüssierende Sängerin Griffiths 11 weitere Tracks für ihr Solo-Debüt auf (To keep the customers satisfied, brachte es einer von ihnen auf den Punkt). Nur ein Jahr später folgte ein zweiter Longplayer, mit dem stilistisch allzusehr die gleiche Masche reitenden Pied Piper als Zugnummer, der immerhin noch die Nr. 11 in den britischen Charts erreichte. |
THE UPSETTERS - RETURN OF DJANGO / EASTWOOD RIDES AGAIN
Doctor Bird - Cherry Red/ Rough Trade
Farbiger Spaghetti-Western-& Schimmelreiter im Einsatz für den Upsetter. |
TIPP |
Und noch ein Quasi-Pflichtkauf aus dem Hause Doctor Bird. Nur ein Jahr früher veröffentlicht und ebenfalls inklusive einer Nummer 5 in den UK-Charts (mit Return of Django) - die vorliegende erstmalige Wiederveröffentlichung der beiden frühen Dub-Klassiker aus den Jahren 1969 und 1970 - auf einer CD. Die Mischpult-Tricks & Konsolen-Sperenzchen des verrückten Cleverles Lee Perry (ebenfalls in `Jamaica´s very own Motown´, also Studio One in die Lehre gegangen) machen die hier zusammengefassten, mit wechselndem Upsetters-Studiopersonal eingespielten Return of Django & Eastwood Rides Again zu bestem Anschauungsmaterial für Experimentierfreude und allmählich erweiterte technische Möglichkeiten zu Beginn der eine Dekade dauernden Blütezeit des Dub. Liner Notes im 16-Seiten-4c-Booklet von Lee Perry-Spezialist David Katz. |
DACTAH CHANDO - GLOBAL CITYZEN
Achinech - Soulfire / Galileo Music Communication
Vor kurzem im Rahmen seiner ausgedehnten Deutschland-Tour u.a. beim Münchner Klangfest mit einer - verregneten - Aufwärm-Appearance für den Gig im Backstage vier Tage später: Der Reggae-Botschafter von den Kanaren, Dactah Chando, mit seinem mittlerweile sechsten Album. Global Cityzen (auf Achinech Productions, Teneriffa) wurde mit Head Engineer Umberto Echo und Gentlemans aktueller Liveband The Evolution eingespielt, es bestehen also enge Verbindungen nach Germaica. Auf solider Roots Riddim-Basis werden hier neun gefällige, insgesamt aber harmlose, um nicht zu sagen: zahnlose Reggaetunes (plus 2 Echo-Dubmix-Versionen als Dreingabe) angeboten, denn im Gesangsvortrag des Dactah Ch. vernimmt man doch immer wieder ein hörbares Lispeln - schwer gewöhnungsbedürftig. Nur ein spanisch gesungener Track - der Rest in englisch - textlich wird immer wieder ins Genre-Phrasenschwein eingezahlt. Noch bis Ende August (Afrika-Tage Wien) live mit vereinzelten Gigs im deutschsprachigen Raum. Play Track 7, Friend. http://dactahchando.com |
LIVE |
TOTAL HIP REPLACEMENT - WONDER WHY
DC Norden - Nordsø Records - Monkey Music
Gruseliger Name - Total Hip Replacement. Doch die Brüder Victor West Hosbond (voc, trb), Carl West Hosbond (git) und ihre Mitstreiter, Keyboarderin Andrea Maagaard Arndaal nebst Rhythmus-Duo Philip Akrofi (b) und Alexander A.-S. Dutschke (dr) sind keine Jung-Mediziner-Kneipenmannschaft. Das dänische Quintett mischt seinem lebendigen `Blue eyed´- Reggae, der auf ihrem Longplayer Wonder Why öfter nach Vorbildern wie den neuseeländischen Black Seeds klingt, noch Afrobeat, Funk & Soul, etwas Jazz und gelegentlich dezente Elektronik bei und gönnt sich auch eine ordentliche Bläsersektion. Aufgenommen in Aarhus (in den dortigen Aaby Road Studios, deren Besitzer offenbar Sinn für Humor hat) - und von Nordsø Records auch als Vinyl aufgelegt - in dänischer Qualitäts- Pressung aus Kopenhagen. Die CD-Digipak-Fassung dagegen ist eher schmucklos geraten. Nordic Reggae - vielleicht demnächst auch mal live in unseren Breiten? Play Tracks 1,2, 10. http://totalhipreplacement.dk |
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THE NUTTY BOYS - GOT YOUR DANCING SHOES?
Hfb Records - Soulfire / Galileo Music Communication
Mit einer kleinen Madness-Referenz im Bandnamen sind The Nutty Boys unterwegs - seit gerade einmal zwei Jahren. Mit Ska als Haupt-Ingredienz, also ist Tanzen hier explizit erwünscht. Got Your Dancing Shoes? fragen die Freiburger denn auch auf ihrem ersten Longplayer. Bei den mit dem Gesang von Gast-Vokalistin Anja Lehmann versehenen Nummern mal deutsch (Man könnte mal), mal englisch (Coconut) wird zweimal auf langsameren Reggae zurückgegriffen, aber auch im Ska-Modus (Alter Chill) überzeugen diese Tracks, zumindest als Konserve, in Text & Vortrag nicht wirklich. Serviert werden auch mal eine Schweinerock-Gitarre (Zero Hero) und dosierte jazzige Elemente - Jazz for Skankers eben, wie der Opener klarstellt und das Outro The Bartender bekräftigt. Wenn Standards wie A Night In Tunisia und Harlem Nocturne two-tonifiziert werden, scheinen diese Nutty Boys am ehesten bei sich zu sein. Live zu überprüfen bei diversen Konzertterminen im Sommer, check out: http://nuttyboys.de |
LIVE |
COMMON KINGS - LOST IN PARADISE / TRIBAL SEEDS - ROOTS PARTY
Island Empire Records / Ingrooves * Tribal Seeds Music / Broken Silence
Die im sonnigen Kalifornien angesiedelten Reggae-Ensembles spielen ja des öfteren eine glattere, mit Pop- und Soul angereicherte Genre-Variation. Im Falle der Common Kings, die sich im März diesen Jahres erstmals auf Europa-Tournee begaben und in diesem Rahmen auch drei Gigs in Deutschland absolvierten, ist das R´ n B´-Element besonders stark ausgeprägt. Da wundert es weniger, dass die Band aus San Diego unter anderem schon im Vorprogramm von Justin Timberlake gelandet ist. Frontmann & Mastermind Jr. Kings Stimme klingt stellenweise zudem ähnlich wie die von Bruno Mars, was den Mainstream-Eindruck nocheinmal verstärkt. Wer sich da zu Hause fühlt, mag zugreifen. Roots- oder gar Ecken & Kanten sucht man auf dem selbstproduzierten Lost In Paradise eher vergeblich. Digipak (Design: Keoni Block - Hereaux) incl. Faltposter. https://commonkings.com Die ebenfalls in San Diego residierenden Kollegen der Tribal Seeds pflegen auch einen geschmeidigen Sound, sind allerdings noch wesentlich rootsnäher unterwegs. Dreieinhalb Jahre nach ihrem letzten Studioalbum Representing stockte man die im letzten Dezember veröffentlichte EP Roots Party, die bereits drei Dubversionen enthielt, für den nun im Juni vorgelegten neuen (aber gleichnamigen) Longplayer um sechs ordentliche Bonustracks auf. Die seit 2005 emsig in den USA tourende Formation um die Brüder & Produzenten Steven und Tony-Ray "Maad T-Ray" Jacobo (Produzent) wird komplettiert von Victor Navarro (Bass), Ryan Gonzo (Gitarre, Gesang), Luis Castillo (Tasten, Bass, Gitarre, Gesang), Daniel Lopilato (Tasten) und Jamey "Zeb" Dekofsky (Schlagzeug). Für die Single Gunsmoke teilen sich der etatmäßige Gitarrist & Sänger Steven und Gaststar Protoje die Vocals. Die Bob Marley-Referenzen hingegen werden auf Track 5, dem bläserverstärkten Rude Girl am deutlichsten. Den redaktionsinternen Reggae from San Diego-Contest entscheiden Jacobo & Co. recht deutlich für sich, die Roots Party kann steigen... Play Tracks 2-6. |
TIPP |
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BLUNDETTO - SLOW DANCE / MELLOW MOOD - LARGE
Heavenly Sweetness / Broken Silence * La Tempesta Dub / Soulfood
"Slo dance with your woman, slo dance with your man..." Entschleunigte karibische Rub-a-dub-Klänge liefert der früher für Soundexperimente zwischen Funk, Reggae & Electronica bekannte Franzose Max Guiguet aka Blundetto. Auf seinem aktuellen Album ist der Titel Programm: Slow Dance, im Opener bittet der New Yorker Jahdan Blakkamore die Pärchen zum Engtanz. Als langjähriger Musikredakteur beim französischen Radio Nova gut vernetzt, sind Genre-Größen wie Ken Boothe und Cornell Campbell nebst Little Harry Guiguets Ruf ans Mikro gefolgt, andere `guest vocals´ stammen hier von unbekannten (Kid Charlmane), Insidern bekannten (Damé´s Sängerin Belkis FDB) oder auch flächig bekannteren französischen Fachkräften (Biga Ranx). Eine reine 70s & 80s-Retro-Platte wollte Guiguet aber nicht abliefern, wie gelegentliche Autotune- & Synthieklänge sowie die seltsam unentschlossene Cover- & Package-Gestaltung incl. Fold-out Poster(Teuga & Gabi/Laurent Belando/Résonne Design) in Erinnerung rufen. Blundetto selbst spricht von `Cloud Reggae´. Label hin oder her, ob engumschlungen oder unterm Kopfhörer: mit der Zeit setzt sich die Melange fest. Play Tracks 2,3,6,8,10,12. www.fb.com/blundettomusic |
TIPP |
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Und auch Mellow Mood aus Italien punkten entgegen anfänglicher Skepsis auf Large an der einen oder anderen Stelle mit melodischen, rootsbasierten Klängen. Im sich entspannt anschleichenden Sound of a War etwa werden dabei gleichwohl auch schmerzliche Wahrheiten vermittelt - über den globalen Kriegszustand, in dem sich die Welt in wechselnden Anteilen & Härtegraden auch 2018 wieder befindet. Alle Texte sind im Booklet abgedruckt. Im April war das Ensemble um die musizierenden Zwillinge Jacopo & Lorenzo Garzia (beide: voc, git) auch im europäischen Ausland live unterwegs (allerdings bisher nicht im deutschsprachigen Raum), um das vorliegende, selbst arrangierte, von Paolo Baldini gemischte & produzierte Album vorzustellen, das in der zweiten Hälfte etwas nachlässt. Cover-, Booklet- & Digipak-Design schließlich stammen vom jungen US-Album-Künstler Dewey Saunders (u.a. Stones Throw). Play Tracks 1-6, 11. |
I-OCTANE - LOVE & LIFE
Conquer The Globe / IDC
Mit Bounty Killer oder Tarrus Riley schon kommerziell erfolgreich, seit 10 Jahren in Jamaika im Geschäft, anfangs durchaus mit rootsnahem Material und Rasta-Lyrics, hat der 1984 in Sandy Bay geborene Byiome Muir aka I-Octane mittlerweile aber einen anderen musikalischen Pfad eingeschlagen. Auf dem Autotune-verseuchten Love & Life ist Reggae nur noch eine von mehreren Ingredenzien, an den Rand gedrängt von R´n B´-, Dancehall-, Hip Hop- & Charts-Pop-Elementen. Das muss auf der Insel kein Nachteil sein, im Gegenteil. Gut vernetzt ist Octane offensichtlich weiterhin, hier zählen u.a. Shaggy, J Boog, DeMarco, Romain Virgo oder Ginjah zu den Gästen, denen I-O jeweils auch großzügig Raum lässt. Und für die 17+2 Songs sind allein 15 Produzenten (incl. Octane selbst) genannt, doch die Marschrichtung schien allen klar. Love & Life klingt wie aus einem Guss, aber auch entsprechend gleichförmig. Play Tracks 3. Webpräsenz |
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SHANTI POWA - TIL´ INSANITY
Shanti Powa Records - Soulfire / Galileo MC
Seit 7 Jahren beisammen, 5 Jahre davon auf Tour, summa summarum 180 Konzerte in den letzten drei Jahren. Das 12-köpfige Orchester Shanti Powa tourt scheinbar unermüdlich durch Europas Festivallandschaft, quasi bis der Arzt kommt: Til´ Insanity. Rock, Balkan-Klänge, Blues, Funk, Ska und eben vor allem Reggae sind die Ingredenzien bei diesem Dutzend Musikverrückter, die auch an ihre politisch korrekten Texte hohe Ansprüche stellen (alle 12 sind im Fold-out-Booklet wiedergegeben). Auch im Juni, Juli & August diverse Livedaten im deutschsprachigen Raum, u.a. am 02.08. beim Free & Easy im Münchner Backstage. Bezeichend für den Zusammenhalt der Musiker um Frontmann & Gründer Bertrand Risé, dass alle Stücke des neuen, auf dem bandeigenen Label veröffentlichten Albums vom Kollektiv selbst geschrieben, arrangiert und produziert wurden, incl. der beiden Singles Let Me See & Giving a Fuck. Allerdings, das Mix-Händchen des Münchners Umberto Echo war schon noch gefragt. Play Tracks 4, 10. http://shantipowa.com |
LIVE |
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