REVIEWS JAZZ 06/07-2017

 


Preisfrage: In welcher deutschen Stadt wurde das selbstbetitelte Debütalbum von Dock in Absolute aufgenommen? Mail subito an:

 

1slideful JAZZ

Wir verlosen 1x Dock In Absolute - info @ cinesoundz.de

 Bill Frisell * Thomas Morgan - Small Town

ECM / Universal

Nach dem von Jazz-Puristen weniger geschätzten Filmmusik-Album When You Wish Upon A Star gibt es auch auf der neuen Live-Scheibe von Meistergitarrist Bill Frisell eine Coverversion aus einem James Bond-Streifen: Goldfinger beschließt Small Town als achter Track. Vorher gibt es das intime Zusammenspiel Frisells mit dem jüngeren kalifornischen Kontrabassisten Thomas Morgan (u.a. Tomasz Stanko) aus dem März 2016 im New Yorker Village Vanguard zu hören. "He never plays anything that isn´t a response to what I play, anticipating me in the moment." Die beiden ruhigen Charaktere kennen sich aus der letzten Session des Ende 2011 verstorbenen Schlagzeugers Paul Motian, zu dessen Ehren sie den Opener "It Should´ve Happened A Long Time Ago" spielen. "It is magical to me, and moving", erinnert sich der Gitarrist. "The spirit of Paul seemed to hover over us." Beim Montreux Jazz Festival ist er zu hören, aber in Deutschland sind b.a.w. keine Auftritte anberaumt.

 

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http://billfrisell.com

Dan Tepfer Trio - Eleven Cages

Sunnyside / Delta

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www.dantepfer.com

 
 

Und noch einmal Bassist Thomas Morgan als zuverlässiger Begleiter - hier im Trio mit dem New Yorker Bandleader & Pianisten Dan Tepfer und Schlagzeug-Kollege Nate Wood. Der klassisch ausgebildete Tepfer ist für seine Zusammenarbeit mit dem Saxophonisten Lee Konitz bekannt und erhielt weltweit viel Lob für seine Goldberg-Variationen aus dem Jahr 2011. Eleven Cages enthält nun neben Eigenkompositionen und viel Raum für Improvisation eine klassische Gershwin-Ballade aus Porgy & BessI Loves You, Porgy und auch einen R´& B-Charts-Hit (Beyoncés Single Ladies) als Jazz-Trio-Version. Schließlich philosophiert Tepfer im Booklet (als studierter Astrophysiker) noch über Käfige & Freiheit und schlägt eine Brücke zu den ausgewählten Titeln - ein eigenwilliges Konzeptalbum mit einer Menge Anknüpfungspunkte.

Arto Lindsay - Cuidado Madame 

Ponderosa / Edel

Seit Jahren geistert Arto Lindsay durch diese Rubrik, als Mitstreiter interessanter Allround-Künstler wie Jun Miyake, Brian Eno, Marc Ribot, Ryuichi Sakamoto, John Lurie oder John Zorn. Cuidado Madame ist der erste Longplayer des Tropicalismo-Liebhabers seit Salt - immerhin von 2004. Das Album ist nach dem gleichnamigen brasilianischen Film von Julio Bressane aus den 70ern benannt, und ensprechend Brazil-gefärbt: Trance-artige Candomblé-Ritual-Rhythmen, gespielt auf conga-artigen Atabaque-Trommeln brachte Lindsay aus seiner zweiten Heimat mit. Texte und Musik wurden dann in seinem Studio in Brooklyn ergänzt und fertiggestellt. `Scary Arto`-Noise-Ausbrüche halten sich im Rahmen, doch angeschrägt muss es bei Arto hin & wieder einfach sein. Eigenwillige Videos zu Seu Pai & Uncrossed & Ilha Dos Prazeres. Nach Japan-Daten und einem Konzert in Italien spielt Arto Lindsay am 20.07. im Nachtclub des Hotel Bayerischer Hof sowie beim Wassermusik-Festival im Berliner Haus der Kulturen der Welt. http://artolindsay.com 

LIVE 
 

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Noch mehr Brazil-Impressionen - mit Latin Grammy- und Echo-Jazz-Preisträger Hamilton de Holanda. Dessen neues Album ist (nach zuletzt Chico Buarque) erneut einer Musica Popular Brasileira-Größe gewidmet: Milton Nascimento. Um dessen Haus geht es im Titel und auf dem Cover, denn `Bituca´ ist Nascimentos in Brasilien jedermann geläufiger Spitzname. Der Sänger & Songschreiber wird im Oktober 2017 seinen 75. Geburtstag begehen - eine lange Karriere, die mit seinem unter Mithilfe des Tamba Trios unter Luiz Eça eingespielten Debüt 1967 begann, das die MPB-Szene aus einer Art Post-Bossa-Nova-Depression befreite. Choro-Spezialist Hamilton de Holanda & Band verpacken den Meister, der hier auf zwei Tracks singt, in den um Holandas Trademark-Instrument Bandolim, eine 10-saitige Mandoline, herumgebauten Sound.
Innerhalb von zwei Tagen wurden die Arrangements aufgenommen, ein weiterer Gaststar ist Samba-Diva Alcione (Travessia). Zum Nascimento-Repertoire kommen auf Casa de Bituca zwei de Holanda-Songs: Guerra e paz I, sowie Mar da Indiferença, geschrieben unter dem Eindruck des Bildes eines im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlings-Kindes. Holanda singt hier zum ersten Mal in seiner Karriere. www.hamiltondeholanda.com/en

LIVE

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Live am 10. & 11. Juli - nur im Berliner A-TRANE.

 

Ahmad Jamal - Marseille

Jazz Village / Harmonia Mundi

Frankophiler Elder Statesman. "A tribute to one of my favorite cities" ist das aktuelle Werk von Ahmad Jamal. Von Miles Davis einst als Einfluß zitiert, spielte Jamal in der Folge jahrelang unter dem Radar der US-Kritik, von der er geraume Zeit als besserer Easy-Listening-Barpianist gehandelt wurde. Dem afroamerikanischen Jazzpiano-Virtuosen wird erst in letzter Zeit wieder als einem der Großen an seinem Instrument Respekt entgegengebracht, den der 87-jährige Grandseigneur mit immenser Spielfreunde zurückzahlt, wenn er sich wie hier das Thema frei wählen kann. Marseille hat für viele Franzosen afrikanischer Abstammung wegen seines Mittelmeer-Hafens eine ganz besondere Bedeutung, als `Tor nach Afrika´. Sieben Eigenkompositionen und eine Cover-Version: Joseph Kosmas Klassiker Autumn Leaves . www.ahmadjamal.com

 

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triosence - Hidden Beauty

Okeh / Sony

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Der Aufnahmeort Schloss Elmau spielt im Booklet eine wichtige Rolle.

Cover Painting: Rainer Hoffmann * Graphic Design: Dominik Ketz

www.triosence.com

LIVE
 

Durch die Welt nach Oberbayern. Wo sind sie nicht schon aufgetreten - Brasilien, Taiwan oder in den USA. Ihr neues Studioalbum beschlossen Pianist Bernhard Schüler, Drummer Stephan Emig sowie am Bass Omar Rodriguez Calvo (sowie Matthias Akeo Nowak auf drei Stücken) jedoch im Konzertsaal von Schloss Elmau am Fuße des Wettersteingebirges aufzunehmen. Die 1999 gegründeten triosence verfolgen dabei weiter ihre Mischung aus Jazz, World und Fusion, die eben auch Hörer aus benachbarten Genres anzieht. Etwas Sendungsbewusstsein spielt auch mit: "I see the music of Hidden Beauty as an expression of the immense diversity of this world and the reward of choosing to be open. I hope we all become more aware and appreciative about each other" meint Komponist Schüler. Ab 04.06. bis in den November diverse Live-Dates in Deutschland, am 22.07. in der Münchner Unterfahrt. 

Lia Pale - A Winter´s Journey

Lotus Records / Harmonia Mundi

Im Frühsommer eigentümlich platziert: Die von Sängerin Julia Pallanch alias Lia Pale und Vienna Art Orchestra-Gründer, Pianist & Arrangeur Mathias Rüegg erarbeitete Jazzversion von Schuberts Liedzyklus Winterreise: A Winter´s Journey. Nach jahrelanger musikalischer Zusammenarbeit, fünf Jahre davon der intensiven Auseinandersetzung mit Schuberts Musik und den Texten von Wilhelm Müller gewidmet, liegen nun sämtliche 24 Titel `in jazz´ vor. Grundlage war Pallanchs Übersetzung der Liedtexte ins Englische, das den nötigen Rhythmisierungen einfach näher kommt als das Deutsche. Melodisch bemüht sich das Duo um Originaltreue - Rhythmik, Phrasierung und Band-Kontext inklusive solistischer Ausflüge erweitern die originale Form natürlich erheblich. Das würde gut nach Schloss Elmau passen. Schadet aber wie gesagt nichts, wenn die Alpengipfel ringsum dann verschneit wären. Ab 17.06. diverse Live-Termine im schönen Nachbarland Österreich - check out: www.liapalemusic.com

LIVE
 

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Nils Wülker - On

WMI / Warner

Muss man Jazz kapieren, um Hip Hop zu verstehen? Oder umgekehrt? Nils Wülker jedenfalls kam einst über ein Blue-Note-Sample von Herbie Hancock in US3´s Cantaloop (Flip Fantasia) zum Jazz. Seit Turning the Page immer mal wieder auch in dieser Rubrik zu Gast, versucht Wülker mit On weiter, Rock- & Hip Hop-Elemente gleichberechtigt in seine Kompositionen & Improvisationen einfließen zu lassen - außerhalb Deutschlands eigentlich keine große Sache. Circles klingt auch lässig nach Herb Alpert, durchaus eine Art Ritterschlag. Auch Five Arches hat ein tolles Bläserarrangement, auf das dann ein polterndes Schlagzeug losgelassen wird. Electronics & zwei Stücke mit Gesang sind weitere Ingredenzien (von Rob Summerfield bzw. Marteria - von denen es letzteren dem unmaßgeblichen Redaktions-Gusto nach eher nicht gebraucht hätte - der deutsche Bläp wirkt wie per Mail eingesendet & hakt im Flow des Albums). Besetzung nebst Wülker an Keyboards, Trompete & Flügelhorn: Arne Jansen (g), Dirk Berger (g), Maik Schott (keys), Alex Grube (b), Edward Mclean (b), Benny Greb (dr), DJ Illvibe (programming). Am 22.06. live im Ulmer Zelt, bevor Mitte September eine größere Tour durch Deutschland startet. www.nilswuelker.com

LIVE

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Jaco Pastorius - Truth, Liberty & Soul

Resonance Records / H´Art

Pimping your bootleg... Die nun vorliegende, erste offizielle Veröffentlichung enthält den kompletten Auftritt von Kult-Bassist Jaco Pastorius am 27. Juni 1982 in der Avery Fisher Hall in New York City mit einer 22-köpfigen Big Band. Die Ansammlung der damaligen New Yorker Crème de la Crème (u.a. Randy Brecker, Peter Erskine, Jon Faddis, Bob Mintzer, Lew Soloff, Frank Wess) plus Gastauftritt von Harmonika-Virtuose Toots Thielemans machte bislang illegale Mitschnitte eines Teiles der Aufnahmen für Sammler interessant. Die mitreißende Performance von Pastorius´ Eigenkompositionen für das große Ensemble wurde 1982 bei NPRs ‚Jazz Alive!‘ gesendet und war seitdem nur als Bootleg erhältlich. Truth, Liberty & Soul aus dem Nachlass von Jaco Pastorius enthält nie gesendete, von den Originalbändern gemasterte 40 Extra-Minuten. Damit nicht genug, die Deluxe-Doppel-CD ist mit einem 100(!)-seitigen Booklet-Buch gekoppelt - voller seltener Fotos, einem Essay von Biograf Bill Milkowski (The Extraordinary and Tragic Life of Jaco Pastorius), Beiträgen von Produzent Zev Feldman und Toningenieur Paul Blakemore sowie Interviews mit Metallica-Bassist Robert Trujillo (der 2014 die auch auf dem Münchner Filmfest gezeigte, preisgekrönte Doku JACO (2014) produzierte) und beteiligten Musikern.

 
 

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http://jacopastorius.com

Dock In Absolute

Cam Jazz / Harmonia Mundi

Einfallsloser geht´s eigentlich nicht, was die CD-Gestaltung angeht. Auf dem mit dem Charme eines Wissenschaftsverlages aufgemachten Dock in Absolute-Album Cover erfährt der Interessent immerhin gleich die Namen der Hauptbeteiligten: Jean Philippe Koch, David Kintziger & Michel Meis. Ersterer und letzterer sind Luxemburger und bedienen Piano, bzw. Drums & Percussion, während der Belgier Kintziger den E-Bass für die meist vom klassisch ausgebldeten Koch geschriebenen Stücke beisteuert. Und die sind dann glücklicherweise um Einiges einfallsreicher als das Cover befürchten ließ. Ab August wieder vereinzelte Live-Termine in Deutschland. Bis dahin machen diverse Videos Appetit auf das Zusammenspiel der drei Musiker. Check out: http://dockinabsolute.com * www.camjazz.com/home.html 

 LIVE 
 

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Ukulele Dub Society - Uke Pot Volume One

Phazz-A-Delic / Alive

Der Partygag geht in Serie. Pit Baumgartner & Co. sind einmal mehr `"auf der Suche nach dem Großen im kleinen" (Instrument). Nicht einmal ein Jahr nach Ukulism geht es bezüglich gezupftem Populär-Repertoire in die zweite Runde, die wir hier eher aus Platzgründen beim Jazz eingemeinden. Am ehesten swingt es hier beim Opener Slippin´ Into Darkness oder dem tatsächlich mit Dub versetzten The Ocean. Richtig in die Muzak-Hose geht es schon auch mal, mit Blondies Sunday Girl oder Jimmy Cliffs The Harder They Come, wenn die Uke einfach nur die Hauptmelodie leiert. Gummipunkte beim Rezensenten allerdings für das unverwüstliche The Odd Couple-Theme oder This Must Be The Place der Talking Heads. Die Masche kann man jedenfalls noch weiter reiten, bzw. begießen - auf dass die Ukulele Wurzeln schlage, blühe & gedeihe. Spätestens als Volume Three könnte das entsprechende Weihnachtsalbum folgen: `rockin´ around the uke tree´. www.phazzadelic.com

 

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